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Droht in Sachsen bald das große Kneipensterben?

Ab Januar könnten die Preise für ein Schnitzel im Restaurant deutlich steigen. Grund ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen. Werden deshalb Gastrobetriebe aufhören müssen?

Von Luisa Zenker
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Nicht nur die Inflation könnte die Preise auf der Speisekarte weiter in die Höhe treiben, sondern auch der aktuelle Streit um die Mehrwertsteuer.
Nicht nur die Inflation könnte die Preise auf der Speisekarte weiter in die Höhe treiben, sondern auch der aktuelle Streit um die Mehrwertsteuer. © Moment Photo

Schnitzel und Pizza könnten in der Gaststätte im nächsten Jahr teurer werden. Mit 15 Prozent Preiserhöhung auf der Speisekarte, rechnet Axel Klein, der die Interessen der sächsischen Gastronomen in Sachsen (Dehoga) vertritt.

Grund dafür ist die Mehrwertsteuer. Im Zuge der Pandemie hatte die Bundesregierung diese von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Wegen der stark gestiegenen Energiekosten und der Inflation wurde die Maßnahme von der Ampelkoalition verlängert. Nach jetzigem Stand soll sie zum Ende des Jahres wieder erhöht werden.

Dann könnte es zum Kneipensterben kommen - besonders im ländlichen Raum, warnt der sächsische Dehoga-Chef. Denn gerade in den Dörfern kämpfen die Lokale schon jetzt wegen der gestiegenen Kosten für Lebensmittel, Energie und Personal. Seit Corona mussten nach Angaben der Dehoga zwischen 2019 und 2022 bereits 1.450 sächsische Wirtshäuser schließen.

Dehoga-Chef befürchtet Kneipensterben

Weitere 570 sächsische Lokale könnten nun durch die steigende Mehrwertsteuer dicht machen, verdeutlicht eine Umfrage der Dehoga. Damit steht Sachsen nicht allein da, in Deutschland denken 12.000 Betriebe über einen Schlussstrich nach, weil die Gäste nicht bereit seien, mehr zu zahlen. Will man die Preise auf der Speisekarte nicht verändern, müsse an der Qualität der Lebensmittel gespart werden, warnt der Dehoga-Chef. „Das Schnitzel wird nochmal teurer oder das Kalbsfleisch wird ersetzt. Alle wollen frisches, regionales Mittagessen aber am liebsten für fünf Euro“, sagt Klein, der darauf aufmerksam macht, dass auch Kantinen, Schulversorger und Kitas betroffen seien. Dass durch die gesenkte Steuer dem Staat 3,3 Milliarden Euro fehlen, fegt Axel Klein schnell beiseite. Für das neue Chipwerk TSMC in Dresden seien fünf Milliarden Euro Zuschuss vorhanden, vergleicht er. „Auch diese 2.000 Fachkräfte brauchen Lebensqualität und wollen mal ausgehen, nicht nur zu McDonalds.“ Für den Außer-Haus-Verkauf gilt weiterhin der Steuersatz von sieben Prozent.

Gastrosterben hängt nicht allein von der Steuer ab

Dass die Steuererhöhung nun aber den Todesstoß für die Betriebe bringe, bezweifelt der Dresdner Geschäftsführer Thomas Lißner der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Sie allein sei nicht verantwortlich für das Gastrosterben, sagt er, der dennoch für den geringen Steuersatz plädiert. Zeitgemäße Löhne, flexible Arbeitszeiten und gute Arbeitsbedingungen für die Angestellten und Azubis fordert er, damit die Gastronomie überlebe, auch im ländlichen Raum.

Der Gewerkschafter verlangt deshalb einen Start-Lohn von 3.000 Euro, nur so werde der Beruf als Köchin oder Kellner wieder attraktiv, speziell für den Nachwuchs. Auf einen Bewerber für den Beruf als Restaurantfachmann kommen in Sachsen acht freie Azubistellen, zeigen die Daten der sächsischen Bundesagentur für Arbeit. Sollte die Steuererhöhung tatsächlich kommen, fürchtet der Gewerkschafter einen starken Personalabbau. „Dafür bekommen die Kunden dann eine freundliche Selbstbedienung“, fügt er ironisch hinzu.

Kritik von Wirtschaftsexperten

Unter den steigenden Kosten habe jedoch nicht nur die Gastronomie zu leiden, kritisiert der Wirtschaftsexperte Florian Neumeier vom Münchner ifo-Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung. "Die gegenwärtige Sonderstellung für gastronomische Betriebe lässt sich daher nicht rechtfertigen", so der Wirtschaftswissenschaftler. Auch andere Dienstleister wie Friseure und Handwerker sind in ihrer Existenz bedroht. "Möchte man solchen Unternehmen unter die Arme greifen, sollten Maßnahmen ergriffen werden, die allen Unternehmen zugutekommen, die krisenbedingt in Not geraten." Sollte die Steuererhöhung kommen, rechnet er damit, dass die Preise an die Kunden weitergegeben werden.

Ministerpräsident Kretschmer will die sieben Prozent

In der Bundesregierung selbst gibt es dazu noch keine Einigung. Im Finanzausschuss des Bundestags hatten die Ampel-Fraktionen den CDU/CSU-Antrag auf dauerhafte Ermäßigung im Juni zunächst abgelehnt. Ein Argument: Der Bundeshaushalt werde durch die Senkung mit rund 3,3 Milliarden Euro belastet. Initiative gegen die erhöhte Mehrwertsteuer zeigt jetzt das Land Mecklenburg-Vorpommern. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) fordert den Bundesrat auf, für eine Verlängerung zu stimmen.

Wie sich die sächsische Landesregierung dazu verhalten wird, ist bisher noch nicht geklärt, heißt es von Regierungssprecher Ralph Schreiber auf SZ-Nachfrage. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) werde sich aber für eine Zustimmung im Bundesrat einsetzen. "Steigende Belastungen durch Miete, hohe Energie- und Einkaufspreise bedrohen viele Existenzen. Darum muss der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent im Gastgewerbe dauerhaft beibehalten werden", sagte er bereits Anfang August.

Die in der sächsischen Regierung beteiligten Parteien SPD und Grüne scheinen ebenfalls dem Anliegen positiv gestimmt zu sein. Um die Finanzlücke zu stopfen, verlangt der finanzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Dirk Panter zudem eine grundlegende Steuerreform: "Die Senkung der Mehrwertsteuer ist mit jährlich 3,3 Milliarden Euro auch die drittgrößte Steuersubvention in Deutschland. Es braucht daher eine systematische Überarbeitung der Mehrwertsteuer, und diese muss strukturell und branchenübergreifend gedacht und gerecht gemacht werden." Dem stimmt auch die finanzpolitische Sprecherin der Grünen in Sachsen Franziska Schubert zu, die im gleichen Zug die FDP angreift: "Wenn der FDP als 'Wirtschaftslobbypartei' die Interessen der Gastronomie wirklich wichtig wären, dann hätte Finanzminister Lindner die Fortsetzung der Mehrwertsteuersenkung bereits im Haushaltsentwurf verankert. Dort habe ich das aber nicht finden können."