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Wer hat im Landkreis SOE das meiste Geld?

Im Handelsatlas 2022 gibt es nicht nur Angaben zur Kaufkraft in allen Teilen des Freistaates. Er verrät auch viel darüber, wie und wo wir einkaufen.

Von Roland Kaiser
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Achim Werner in seinem Metier: Im Cube Store Freital der "Fahrrad-Kette" berät er seine Kunden zu Enduro-E-Bikes. Das mittelständische Unternehmen unterhält in der Region mehrere Filialen.
Achim Werner in seinem Metier: Im Cube Store Freital der "Fahrrad-Kette" berät er seine Kunden zu Enduro-E-Bikes. Das mittelständische Unternehmen unterhält in der Region mehrere Filialen. © Egbert Kamprath

Längst hat die K & K Bike GmbH ihren Heimathafen Weinböhla im Landkreis Meißen verlassen. Das mittelständische Unternehmen, das sich auf Zweiräder fokussiert, streckte seine Fühler bis an die Weißeritz aus. In Freital, aber auch in Pirna lassen sich inzwischen Filialen finden. „Beides sind noch neue Standorte“, räumt die Geschäftsführung ein. „Sie bieten uns ein neues Lernfeld, da sich die Infrastrukturen zu den bisherigen Zweigstellen unterscheiden.“

Welche Gegensätze das in etwa mit Blick auf kaufkräftige Kundschaft sein können, zeigt der Handelsatlas 2022 auf. Er gibt unter anderem Auskunft darüber, auf welche einzelhandelsrelevante Kaufkraft Unternehmen wie der Weinböhlaer Fahrradhändler in den einzelnen Regionen des Freistaates treffen.

Die Daten dafür erhob die GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH aus Dresden. Deren Experten kommen zu dem Schluss, dass den Einwohnern im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge im Schnitt 6.161 Euro pro Kopf und Jahr zur Verfügung stehen, was einem Zuwachs von 8,8 Prozent in den vergangenen sieben Jahren entspricht. Bei der letzten Erhebung im Jahr 2015 lag dieser Wert noch bei 5.662 Euro. Zum Vergleich: In der Nachbarregion Meißen ist es ein statistischer Euro mehr. Anderes Bild in Dresden: Dort fließen je Einwohner bis zu 6.458 Euro im Jahr in den Handel.

Wer im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge am meisten und am wenigsten Geld zum Shoppen ausgeben kann, zeigt der Handelsatlas auf.
Wer im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge am meisten und am wenigsten Geld zum Shoppen ausgeben kann, zeigt der Handelsatlas auf. © SZ Grafik

Allerdings gibt es selbst innerhalb der Landkreise Unterschiede. Im SOE liegt die Gemeinde Wilsdruff dank der Vielzahl an (tarifgebundenen) Industriearbeitsplätzen mit 6.635 Euro je Einwohner im Rahmen der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft klar an der Spitze. Das ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass sich vor Ort immer mehr Menschen niedergelassen haben, die in Dresden gut bezahlten Jobs nachgehen und sich am Stadtrand ein Häuschen gebaut haben. Entgegen dem Trend im Landkreis wächst die Einwohnerzahl von Wilsdruff seit Jahren kontinuierlich. Der geringste Spielraum hingegen bietet sich den Menschen in Bad Schandau, wo das weniger gut bezahlte Touristengeschäft dominiert. Sie können für den Erwerb von Handels- und Nahrungsgütern lediglich 5.538 Euro ausgeben - ein Gefälle von 1.097 Euro beziehungsweise 20 Prozent.

Doch was spiegeln diese Zahlen eigentlich wider? „Eine hohe einzelhandelsrelevante Kaufkraft in einer Gemeinde deutet zumindest darauf hin, dass vor Ort auch hohe Einzelhandelsumsätze generiert werden, wobei hierzu verschiedene Faktoren betrachtet werden müssen, unter anderem die sogenannte ‚Zentralität‘“, sagt der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Dresden (IHK), Lars Fiehler. „Die Einzelhandelszentralität zeigt an, wie hoch der Kaufkraftzufluss von außen beziehungsweise der Kaufkraftabfluss einer Kommune nach außen ist.“ Der Experte veranschaulicht das Ganze an zwei Beispielen. Pirna verfügt nach seiner Darstellung über eine hohe Zentralität. „Im Saldo von Ab- und Zuflüssen fließen rund 21 Prozent mehr Kaufkraft von außen in den dortigen Einzelhandel als die Einwohner der Stadt selbst aufbringen.“ Freital wiederum verfüge aktuell über eine weitaus geringere Zentralität - mit der Konsequenz, dass mehr als ein Fünftel der Kaufkraft in umliegende Ort abwandert. „Mit großer Wahrscheinlichkeit in Richtung Dresden“, fügt der IHK-Mann hinzu. Nicht nur diese beiden Kommunen profitierten in der jüngeren Vergangenheit von einer stark gesunkenen Arbeitslosenquote im Landkreis und gleichzeitig steigenden Löhnen.

"Kleine Läden bleiben auf der Strecke"

Doch der Handelsatlas bietet weit mehr als eine Einschätzung über die Kaufkraft der potenziellen Kunden. Die Datensammlung zeigt auf, wie die Handelsflächen in den IHK-Regionen im Freistaat verteilt sind. „Im gesamten Landkreis SOE entfällt mehr als die Hälfte der Fläche – konkret sind das 52,9 Prozent - auf ‚die Großen‘, also Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche“, erklärt Lars Fiehler. Noch vor sieben Jahren seien es 60,6 Prozent gewesen, 2010 wiederum 55,7 Prozent. „Handel bedeutet demnach tatsächlich immer auch Wandel. Auch hier sind die Unterschiede innerhalb des Landkreises beträchtlich. Ist zum Beispiel Glashütte komplett kleinteilig geprägt, entfallen in Heidenau fast Dreiviertel der gesamten Verkaufsfläche auf den großflächigen Einzelhandel.“ Der 52-Jährige kommt zu dem Schluss: „Die Zahl der Geschäfte sinkt weiter, die Fläche bleibt aber in etwa gleich, was selbstredend dafürspricht, dass vor allem kleine Läden auf der Strecke bleiben.“

Im Vergleich zu 2015 steht dem Handel im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wieder mehr Verkaufsfläche zur Verfügung. Wie sich diese aufteilt, zeigt der Handelsatlas ebenfalls auf.
Im Vergleich zu 2015 steht dem Handel im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wieder mehr Verkaufsfläche zur Verfügung. Wie sich diese aufteilt, zeigt der Handelsatlas ebenfalls auf. © SZ Grafik

Händler, die sich am Markt behaupten wollen, brauchen also einen langen Atem, ein ansprechendes Sortiment und vor allem Ideenreichtum, um die Kunden für sich zu begeistern. Allerdings gibt es auch Grund für sie zum vorsichtigen Optimismus: Die Menschen hierzulande greifen nach wie vor seltener aufs Internet zurück, um sich mit Waren einzudecken. Im SOE fließen im Schnitt 958 Euro pro Kopf und Jahr an Amazon und Co. Das sind in etwa 15,5 Prozent gemessen an der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft. Bundesweit sieht das anders aus. Da liegt der Anteil an Online-Ordern bei 17 Prozent.

Der Grafik lässt sich entnehmen, wie viel Geld die Menschen im Landkreis im Schnitt für Online-Einkäufe ausgeben und welche Branchen besonders von diesem Kaufverhalten betroffen sind.
Der Grafik lässt sich entnehmen, wie viel Geld die Menschen im Landkreis im Schnitt für Online-Einkäufe ausgeben und welche Branchen besonders von diesem Kaufverhalten betroffen sind. © SZ Grafik

Und welche Erkenntnisse gewinnt der Fahrradhändler K & K GmbH aus dem Handelsatlas? „Wir sind immer offen für neue Wege und Ideen“, heißt es von der Unternehmensführung. Ob die Firma ihren eingeschlagenen Expansionskurs fortsetzt, lässt sie aber offen. „Wir prüfen fortlaufend Chancen und entscheiden, ob diese für uns interessant sind.“ Vielleicht hilft da der Handelsatlas bei der Entscheidungsfindung.