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Liegt es an der Tageszeit, bei welchem Supermarkt es noch Mehl gibt?

Sonnenblumenöl und Mehl sind knapp. Trotzdem haben einige Supermärkte Ware und andere nicht. Das hat viele Gründe.

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Nur noch wenige Packungen Mehl stehen in einem Regal in einem Supermarkt. Der Verkauf wurde auf zwei Packungen pro Kunde beschränkt.
Nur noch wenige Packungen Mehl stehen in einem Regal in einem Supermarkt. Der Verkauf wurde auf zwei Packungen pro Kunde beschränkt. © dpa

Von Heike Jahberg

Sonnenblumenöl? Mehl? „Viel Glück bei der Suche“, sagt die Lidl-Verkäuferin, wohl wissend, dass die Regale leer sind. Nebenan, in der Rewe-Filiale im Berliner Stadtteil Zehlendorf, gibt es zumindest Mehl. Die Palette, gerade eingetroffen, wird gar nicht erst in die Regale geräumt. „Lohnt sich nicht“, weiß eine Verkäuferin. Die knappe Ware ist schnell vergriffen, obwohl pro Person nur eine Packung abgegeben wird.

Im Edeka-Markt an der Truman-Plaza klafft seit Wochen eine chronische Lücke, wo sonst Sonnenblumen- und Rapsöle stehen. Dagegen hat die Kaufmannsfamilie Brehm in ihrem Edeka-Markt in Zehlendorf-Mitte noch Sonnenblumenöl, doch mit fast sechs Euro für 250 Milliliter ist das knappe Gut doppelt so teuer wie Olivenöl. Bei Aldi ist das Pflanzenöl aus, dafür gibt es aber gleich zwei Sorten Mehl im Angebot.

Es ist eine Momentaufnahme. Aber sie zeigt, womit Verbraucher täglich zu kämpfen haben. Sonnenblumen- und Rapsöle sind als Folge des Kriegs in der Ukraine und wegen Missernten vielerorts ausverkauft, ob man Mehl bekommt, ist Glückssache. Auch Nudeln sind in einigen Märkten aus. Nachdem Indonesien, der weltgrößte Produzent von Palmöl angekündigt hat, seine Ausfuhren kräftig zu drosseln, drohen auch hier Nachschubprobleme. Beim Senf zeichnen sich wegen der fehlenden Lieferungen aus Russland und der Ukraine für den Herbst ebenfalls Engpässe ab.

Edeka und Lidl sagen: Die Versorgung ist sicher

Bei Edeka spricht man von „zeitweisen Lieferengpässen“ bei bestimmten Produkten. Aktuell könne man aber eine „ausreichende Versorgung mit allen Produkten des täglichen Bedarfs sicherstellen“, heißt es auf Anfrage. „Unsere Märkte werden regelmäßig mit neuer Ware beliefert“, betont eine Sprecherin. Allerdings hänge die Verfügbarkeit vor Ort stark davon ab, ob der Markt bereits eine Lieferung erhalten habe oder ob sie für den Tag noch aussteht. Auch bei Lidl ist die Rede von „Lieferverzögerungen bei einzelnen Produkten“, man versichert aber: „Die Warenversorgung in den Filialen bei Lidl ist sichergestellt“.

Liegt es also nur an der Tageszeit, wenn man Mehl bei Aldi bekommt und bei Edeka nicht? Ist es reiner Zufall, ob man mit leeren oder vollen Taschen den Laden verlässt? Nein, sagt Handelsexperte Rudolph Trettenbrein. Er ist Geschäftsführer von Inverto. Die Tochter der Boston Consulting Group berät Händler und Konsumgüterhersteller beim Einkauf ihrer Waren. Trettenbrein kennt die Branche gut: Vor dem Wechsel in die Beraterszene hat der Österreicher zehn Jahre für die Rewe-Gruppe gearbeitet, davor war er jahrelang bei Lidl.

Dass einige Händler Waren anbieten können, die andere nicht haben, liege am Risikomanagement und dem Verhältnis zu den Lieferanten. „Händler, die nur einen Lieferanten für ein Produkt haben, stehen jetzt schlecht da. Wer dagegen mit zwei, drei Lieferanten zusammengearbeitet hat, kann jetzt eher seine Lücken füllen“, weiß Trettenbrein. Und auch das Verhältnis von Einkäufern und Lieferanten spiele eine Rolle. „Einkäufer, die ihre Lieferanten fair behandelt haben, werden jetzt eher beliefert als solche, die die Lieferanten zu sehr unter Druck gesetzt hatten. Die Lieferanten sind im Moment am längeren Hebel. Sie können sich aussuchen, wen sie beliefern“, sagt der Berater.

Die Preisverhandlungen werden hart geführt

Die Edeka-Gruppe, der größte Lebensmittelhändler Deutschlands, steht immer wieder in harten Preisverhandlungen mit Lieferanten. Ob Nestlé oder Eckes-Granini, notfalls listet der Marktführer Produkte aus. Doch das machen auch andere, Konflikte um Preise werden in der Branche hart ausgetragen.

Der Krieg in der Ukraine hat die Situation jetzt aber verändert. Fast alle Lieferanten versuchen derzeit, ihre Verträge mit dem Lebensmittelhandel nachzuverhandeln. Sie leiden unter steigenden Kosten für Energie, Rohstoffe und Logistik. Auf über eine Milliarde Euro bezifferte Edeka-Chef Markus Mosa gegenüber der „Lebensmittelzeitung“ die Preisaufschlagswünsche der Zulieferer. Rewe-Chef Lionel Souque berichtete kürzlich, man habe auf 300 Millionen Euro Gewinnmarge verzichtet, um Kunden vor Preiserhöhungen zu bewahren.

Diese Produkte sind teurer geworden

Doch auch bei Rewe sind die Preise gestiegen – wie praktisch überall. Butter, Milch, Snacks, Öle und Kaffee sind bei allen Anbietern teurer geworden. Bei Aldi kostet das Päckchen Butter der Eigenmarke jetzt mehr als zwei Euro, für den Discounter ist das ein schmerzhafter Schritt. Die Zwei-Euro-Marke war in der Vergangenheit tabu. „Aldi hat den Anspruch, Preisführer zu sein“, betont Florian Scholbeck, Kommunikationsdirektor von Aldi Nord. Aber: „Unsere Lieferanten haben in den vergangenen Wochen aufgrund steigender Kosten für Rohstoffe, Energie und Logistik ihre Erzeugerpreise teilweise erheblich erhöht. Entsprechend mussten wir unsere Verkaufspreise anpassen. Das haben wir so maßvoll wie möglich getan“, sagt Scholbeck.

Wer suchet, der findet noch lange nicht. Einkaufen ist auch Glückssache.
Wer suchet, der findet noch lange nicht. Einkaufen ist auch Glückssache. © dpa/Stefan Sauer

Berater Trettenbrein warnt vor Trittbrettfahrern, die die Gunst der Stunde nutzen. „Viele Einkäufer sind im Moment bereit, höhere Preise zu akzeptieren“, berichtet er. Aber längst nicht alle Forderungen seien berechtigt. Das sehen auch die Lebensmittelhändler so. Rewe-Chef Souque und Edeka-Chef Mosa betonen, dass sie Preiserhöhungen genau überprüfen wollen. Allerdings, sagte Mosa der „Lebensmittelzeitung“, habe die Warenversorgung oberste Priorität.

Starke Eigenmarken sind ein großer Vorteil

Die Versorgung scheint für die Händler einfacher zu sein, die ein starkes Eigenmarkengeschäft haben. Discounter wie Aldi arbeiten oft jahrzehntelang mit einem Lieferanten zusammen, für den Aldi im Gegenzug der wichtigste Kunde ist. Das kann in Zeiten knapper Waren ein Vorteil sein. Hinzu kommt, dass Kunden derzeit ohnedies verstärkt zu den günstigeren Eigenmarken des Handels statt zu teureren Markenprodukten greifen. Allerdings hat auch Edeka 7000 Produkte zum Aldi-Preis im Sortiment.

Berater Trettenbrein fürchtet, dass Kunden noch sehr lange unter hohen Lebensmittelpreisen leiden werden. „Ich sehe die Gefahr, dass die Preise auch dann hoch bleiben, wenn die Gründe für die Preiserhöhungen weggefallen sind und sich die Märkte beruhigt haben“, glaubt er. Da sich die Marge der Händler prozentual vom Umsatz berechne, habe der Handel kein Interesse an Preissenkungen. „Das Nachsehen haben die Verbraucher“, glaubt Trettenbrein.

Aldi kontert. Der Discounter hatte vor einem Monat mit seiner Erhöhungswelle den Weg für die Konkurrenz frei gemacht nachzuziehen. Eine Dauerlösung soll das aber nicht sein. „Sollten sich die weltweiten Rahmenbedingungen ändern und die Hersteller ihre Produkte wieder günstiger an uns verkaufen, werden wir die ersten sein, die die Preise für die Kunden senken“, verspricht Scholbeck.

Preisvergleiche werden leichter

  • Zumindest eine gute Nachricht gibt es: Verbraucher können bald Lebensmittelpreise leichter vergleichen. Es geht um die Grundpreise, die am Regal, im Prospekt oder online angeben, wie viel eine Ware kostet.
  • Grundsätzlich müssen diese pro Kilo oder Liter berechnet werden. Für kleine Verpackungen bis zu 250 Gramm oder 250 Millilitern durfte der Preis bislang jedoch auch pro 100 Gramm oder pro 100 Millilitern angegeben werden.
  • Das kann zu Irrtümern führen, Beispiel Marmelade: Die gibt es in Packungen von 200 Gramm, 240 oder 260 Gramm bis hin zu 400 Gramm. Flüchtige Leser könnten den niedrigeren Preis für die Angabe pro 100 Gramm für das bessere Angebot halten.
  • Ab dem 28. Mai ist das verboten: Dann gibt es nur noch die Preisangabe pro Liter und Kilo. „Das schafft mehr Transparenz“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Dennoch hätte sich der Verbraucherschützer noch weitere Verbesserungen gewünscht, etwa eine größere Schrift für die Angabe der Grundpreise. „Viele Verbraucher“, sagt Valet, „beschweren sich über die mangelnde Lesbarkeit“. Doch die Angabe der Grundpreise darf auch weiterhin zwei Millimeter groß und damit winzig bleiben.
  • Die Reform der Preisangabenverordnung, die auf einer EU-Richtlinie beruht, bringt in einem Punkt sogar eine Verschlechterung. Bisher müssen die Händler die Angabe der Grundpreise in der Nähe der Ware platzieren. Diese Verpflichtung entfällt jetzt für den stationären Handel und bleibt nur noch für den Onlinehandel bestehen.