Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Leben und Stil
Merken

Im Süden des Oman kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus

Riesige Baobabs und ein unendliches Dünenmeer, rauschende Wasserfälle und uralte Felszeichnungen - unterwegs im grünen Arabien.

Von Steffen Klameth
 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Mächtig gewaltig: Affenbrotbäume sind jenseits von Afrika eine Rarität. Und solche Riesen wie im Wadi Hinna sowieso.
Mächtig gewaltig: Affenbrotbäume sind jenseits von Afrika eine Rarität. Und solche Riesen wie im Wadi Hinna sowieso. © Steffen Klameth

Das Auto müht sich den Berg hinauf. Hinter uns das Arabische Meer, vor uns das steil aufragende Dhofar-Gebirge. Plötzlich stoppt Khaled das Fahrzeug und schaltet die Kupplung auf Leerlauf. Nanu – das Auto rollt weiter. Den Berg hinauf!

Khaled schmunzelt. Er kennt die Reaktion der Touristen. Und er weiß, dass sie immer die eine Frage stellen: Wie kann das sein? Wie kann ein Auto die Physik einfach austricksen? Der Fahrer zuckt mit den Schultern und zeigt auf ein Schild am Straßenrand: „Location of Gravity“ steht da. Ort der Schwerkraft. Ein Ort, wo andere Naturgesetze zu gelten scheinen. Oder ist alles nur eine optische Täuschung?

Es gibt Dinge auf dieser Welt, die muss man einfach mit eigenen Augen gesehen haben. Und davon gibt es hier, im Süden des Sultanats Oman, noch mehr. Nur ein paar Serpentinen weiter den Berg hinauf – nun wieder mit Motorunterstützung – führt uns der Guide in einen Wald. Einen ganz besonderen Wald.

Hier stehen mächtige Baobabs, auch als Affenbrotbäume bekannt. Sie sehen so ganz anders aus mit ihren dicken, flaschenförmigen Stämmen und dem ausladenden, wirren Geäst, das ohne Laub einer Wurzel ähnelt. Angeblich soll Gott den Baum aus Wut mit der Krone in die Erde gesteckt haben. Eine schöne Legende, die sich bis heute hält.

Kroatien? Die Südsee? Weder noch: Diese Idylle findet man im Wadi Darbat im Süden des Oman.
Kroatien? Die Südsee? Weder noch: Diese Idylle findet man im Wadi Darbat im Süden des Oman. © Steffen Klameth

In Afrika sind Baobabs nichts Besonderes, hier auf der Arabischen Halbinsel schon. Wie sie hierher gekommen sind? Wieder muss Khaled mit den Schultern zucken. Vielleicht kamen sie mit afrikanischen Seefahrern? Oder mit arabischen Händlern? Oder hat der Wind die Samen übers Meer geweht?

Fakt ist: Naturmediziner schreiben dem Baum vielfältige Wirkungen zu. „Der Saft der Früchte schmeckt sauer, hat aber viele Vitamine“, erklärt unser Begleiter. Er führt uns einen schmalen Pfad entlang, bis wir vor einem besonders prächtigen Exemplar stehen. Fünf Menschen würden wahrscheinlich nicht reichen, um den dicken Stamm zu umarmen. Experten schätzen sein Alter auf 500 bis 600 Jahre – ein echter Methusalem.

Zeitreise: Die Felszeichnungen im Wadi Ghrar sind mehrere Tausend Jahre alt.
Zeitreise: Die Felszeichnungen im Wadi Ghrar sind mehrere Tausend Jahre alt. © Steffen Klameth

Insgesamt gebe es etwa 80 Baobabs in dieser Gegend, sagt Khaled. Dass sie hier gedeihen können, verdanken sie der Nähe zum Wadi Hinna. Das Flusstal führt das ganze Jahr über Wasser, mal mehr, mal weniger. Ganz in der Nähe befindet sich ein künstliches Wasserbecken, in dem ein paar Männer baden. Sie seien Soldaten, erzählen sie, und hätten heute frei. Es ist Freitag, der muslimische Sonntag.

Wasser ist der große Schatz auf der arabischen Halbinsel. Der südliche Oman rund um die Gebietshauptstadt Salalah gilt in dieser Beziehung als privilegiert – dank seiner geografischen Lage und des Monsuns, der jeden Sommer ausdauernde Niederschläge beschert und die Landschaft in eine riesige grüne Oase verwandelt. „Zwei bis drei Monate ist es trüb und der Himmel voller Wolken“, sagt Khaled. Als er unsere mitleidigen Blicke sieht, lacht er: „Kein Problem, dafür haben wir ja dann wieder neun Monate lang Sonne.“

Das Wetterphänomen versetzt die Region jedes Jahr ab Juni in einen Ausnahmezustand. Sobald der Monsunregen einsetzt, fallen Besucher aus dem benachbarten Saudi-Arabien und den Golfstaaten in Scharen ein. Die Hotels rund um Salalah sind bis aufs letzte Bett ausgebucht, trotz astronomischer Preise. Und im Wadi Darbat stauen sich die Autos, bis die Zufahrt komplett dichtgemacht wird.

Alle wollen die berühmten Wasserfälle sehen, eine Bootsfahrt auf dem Fluss unternehmen und ein Selfie mit den zutraulichen Kamelen schießen, die hier ungestört über die Straße spazieren. Uns gefällt es auch außerhalb der Hochsaison. Es ist zwar nicht mehr so grün, aber die Sonne scheint, es gibt noch genug Wasser. Und wir sind beinahe die einzigen Touristen. Der Imbissbetreiber am Ende der Straße freut sich über unseren Besuch. Sein frisch gepresster Mangosaft schmeckt vorzüglich.

Exportschlager: Das Harz des Weihrauchbaumes hat den Menschen im Dhofar einst Wohlstand beschert.
Exportschlager: Das Harz des Weihrauchbaumes hat den Menschen im Dhofar einst Wohlstand beschert. © Steffen Klameth

Als Geheimtipp kann man den Dhofar nicht mehr bezeichnen. Die Besucherzahlen steigen, auch deutsche Reiseveranstalter bieten zunehmend Abstecher in die abgelegene Region an. Manche Urlauber kommen gar nur zum Baden her. Kann man machen, aber das kriegt man anderswo billiger.

Vor allem blieben einem dann die vielen Schätze und Naturwunder verborgen. Khaled führt uns zum Tawi Attair Sinkhole, einem 200 Meter tiefen Krater. Ein Stern soll hier herabgefallen sein und einen Jungen erschlagen haben, weil er entgegen dem Rat seiner Eltern gen Himmel geschaut hatte. Eine profanere Version erklärt das Riesenloch als eingestürzten Hohlraum. Der Kalkstein ringsum ist löchrig wie ein Schweizer Käse.

Nicht weit davon, im Wadi Ghrar, wartet das nächste große Rätsel. Etwas abseits der Straße erhebt sich eine gewaltige überhängende Felswand. Beim Näherkommen entdecken wir zahlreiche Zeichnungen: Kamele, Zebras, lange Vielfüßler – sind das etwa Krokodile? Und da, zwei Menschen! Sieht aus, als würden sie kämpfen. Aber worum?

Es gibt so viele Dinge, die noch erforscht werden müssen. In der Umgebung soll es etwa 300 solcher Felsmalereien geben, sagt Khaled. Diese hier seien vielleicht 6.000 Jahre alt. Jedenfalls älter als die Schrift. Dafür sind die Figuren erstaunlich gut erhalten. Die Urheber benutzten Farben, die sie aus der Rinde verschiedener Bäume gewannen.

Möglicherweise haben die Menschen einst genau auf diese Weise einen Schatz entdeckt, der der Region den Beinamen „Arabia Felix“ einbrachte – Glückliches Arabien. Die Rede ist vom Weihrauchbaum, der im Dhofar-Gebirge ideale Bedingungen findet. Die Rinde wird angeritzt, das Harz tritt aus, trocknet an der Luft und kann dann geerntet werden. Eine mühselige Arbeit, erst recht in der Hitze vor dem Monsun. Aber sie lohnte sich.

Weihrauch war ein Exportschlager. Ägypter, Römer und später auch die Christen waren scharf darauf; er bescherte den Menschen im Süden Arabiens jahrhundertelang Einkommen und Wohlstand. Heute kommen mehr als vier Fünftel der Weltproduktion aus Somalia. Den besten Weihrauch, sagen Kenner, liefert aber immer noch der Oman. Ansonsten hat das Sultanat längst ergiebigere Quellen für seinen Reichtum erschlossen: Erdöl und Erdgas.

Sand, so weit das Auge reicht: Die Rub-al-Khali ist die größte zusammenhängende Sandwüste.
Sand, so weit das Auge reicht: Die Rub-al-Khali ist die größte zusammenhängende Sandwüste. © Steffen Klameth

Entsprechend hoch ist der Lebensstandard, zumindest für die Einheimischen. Die Infrastruktur funktioniert, auch den Süden des Landes kann man inzwischen gut mit einem Mietwagen erkunden. Ratsamer ist aber eine Tour mit Fahrer, der – wie Khaled – zugleich die Rolle des Reiseleiters übernimmt. Und das aus mehreren Gründen.

Touristische Hinweisschilder wie am „Point of Gravity“ sind nämlich rar gesät, dafür kreuzen überall – auch auf den Autobahnen – Kamele den Weg. Wer die abenteuerliche Gebirgsstraße bis zur Grenze zum Jemen abfahren will, sollte aufgrund der Sicherheitskontrollen ohnehin einen Omani an der Seite haben.

Und bei der Tour in die Rub-al-Khali, die größte zusammenhängende Sandwüste der Erde, würde unsereins schlicht kapitulieren. Khaled muss mit seinem Jeep dreimal Anlauf nehmen, ehe er eine der hohen Dünen bezwingt – rechtzeitig zum Sonnenuntergang. Das Licht zaubert ein fantastisches Farb- und Schattenspiel. Dann wird es ganz, ganz schnell finster. Jetzt möchte man nur noch die Augen schließen und träumen. Jedenfalls nie und nimmer Auto fahren.

  • Anreise: Oman Air fliegt täglich ab Frankfurt und fünfmal pro Woche ab München nach Muscat und weiter nach Salalah.
  • Einreise: Bis 14 Tage genügt der Reisepass. Krankenversicherung mit Covid-Schutz nötig.
  • Sicherheit: Der Oman gehört zu den sichersten Reiseländern überhaupt.
  • Beste Reisezeit: September bis April.
  • Übernachtung: In und um Salalah gibt es einige sehr gute, aber nicht ganz billige Hotels, darunter das Alila Hinu Bay und das Al Baleed Resort by Anantara (DZ/F ab 300 €).
  • Die Recherche wurde unterstützt vomOmanischen Tourismusministerium und denerwähnten Hotels.
  • Weitere Infos: www.experienceoman.om