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Ein Palast fürs Eisklettern im Pitztal

An vereisten Wasserfällen oder Felswänden aufwärtszugehen, hat eine einzigartige Faszination. Im Pitztal in Österreich wird diese selbst für absolute Anfänger erlebbar.

Von Frank Essegern
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Am Pitztaler Gletscher finden Kletterbegeisterte auch bei wärmeren Temperaturen interessante Eisrouten.
Am Pitztaler Gletscher finden Kletterbegeisterte auch bei wärmeren Temperaturen interessante Eisrouten. © Tourismusverband Pitztal/Chris Walch

Wenn Alfi Dworak von Zapfen und Pilzen, Bananen und Raupen erzählt, dann geht es nicht um Botanik oder Insektenkunde. Alfi Dworak ist Bergführer im Tiroler Pitztal – mit einer besonderen Passion fürs Eisklettern. Und mit den genannten Begriffen beschreibt er nichts anderes als Eisformationen und Klettertechniken, wenn er wieder mit einer Gruppe zu einem Eiskletterkurs unterwegs ist.

Den bietet Alfred „Alfi“ Dworak nicht nur für Fortgeschrittene und Experten an, sondern auch für Einsteiger. Selbst absoluten Anfängern, die zuvor noch nie einen Klettergurt angelegt haben, gelingt es unter Alfis Anleitung schon nach wenigen Stunden, ihre erste Eiswand zu durchsteigen. Dafür betreut Dworak mit viel Engagement in der Taschachschlucht unweit der Talstation des Pitztaler Gletscherexpress einen imposanten Eisklettergarten. Vor sechs Jahren begann er hier mit Unterstützung des Pitztaler Tourismusverbandes, Felswände mit eisigen Hüllen zu versehen. Zu Beginn der kalten Jahreszeit wird über Schläuche Wasser aus dem Bach nach oben gepumpt, das beim Hinabfließen zu beeindruckenden Strukturen erstarrt. Entsprechend tiefe Temperaturen vorausgesetzt, wachsen so binnen zehn Tagen bizarre Eiswände mit zahlreichen Linien, die darauf warten, durchstiegen zu werden.

Zusammen mit natürlichen Wasserfällen bilden sie in der Schlucht eine Eiswelt, die von Anfang Dezember bis Mitte März Klettersportbegeisterte in ihren Bann zieht. „Letztes Wochenende waren hier jeden Tag 70 bis 100 Leute drin“, berichtet der „Eismeister“ – Beleg für die weiter steigende Beliebtheit des Eiskletterns. Und dann meist Anlass für ihn, die Wände bei Gelegenheit neu zu vereisen, wenn Hunderte Pickelspitzen oder wärmende Sonnenstrahlen zu sehr daran genagt haben.

Der Eismeister: Bergführer Alfi Dworak betreut die Eiswelt Taschachschlucht.
Der Eismeister: Bergführer Alfi Dworak betreut die Eiswelt Taschachschlucht. © Frank Essegern

Los geht es für unseren Kurs am Parkplatz unterhalb der Gletscherbahn-Talstation. Erste Herausforderung: Anlegen der Steigeisen – und dann beim Zugang in die Schlucht die Füße so setzen, dass sich die Zacken nicht in den Hosenbeinen verhaken. Schon nach wenigen Minuten sind die ersten blau und weiß schimmernden Eiswände erreicht. Deren Anblick nötigt erst einmal Ehrfurcht ab: Hier soll es also gleich nach oben gehen? Kann das halten – nichts weiter als gefrorenes Wasser? Doch die Technik, wie die Frontzacken der Steigeisen ins Eis zu setzen sind und wo man am besten die Spitze des Eisgeräts in die Oberfläche der frostigen Struktur schlägt, ist schnell verinnerlicht. Klettern am langen Arm, für die Füße eine passende Stelle zum Höhersteigen finden, linken und rechten Fuß nach oben und wieder aufrichten – wie eine Raupe eben geht es so voran. Blick nach oben – die Bananenhaltung – und die Eisgeräte treffen die nächsten Mulden oder hängen sich in Löcher der schimmernden Eiswand. Jeder ist fasziniert, wie sicher nur ein kurzes Stück Metall, das sich dort hineinbohrt, den Körper hält.

Natürlich haben uns Alfi Dworak und sein Sohn Louis, erfolgreicher Wettkampfkletterer im österreichischen Nationalkader, die Seile zuvor oben an Sicherungspunkten eingehängt – zunächst einmal an eher geneigten Wänden. Überraschend schnell gewinnen wir so Sicherheit beim Steigen – und genießen das gute Gefühl des Erfolgs nach jeder bezwungenen Route. Schon bald geht es auch in steilere Passagen, und ringsum dominiert das leichte Knirschen der Spitzen von Steigeisen und Eisgeräten, die in die gefrorenen Wände geschlagen werden.

Cool im Eis: Für Louis Dworak ist der Umgang mit den Eisgeräten Routine.
Cool im Eis: Für Louis Dworak ist der Umgang mit den Eisgeräten Routine. © Tourismusverband Pitztal

Wer zuvor bereits gut in Fels oder Halle unterwegs war, der kann vielleicht sogar schon am Ende des ersten Trainingstages einen Vorstieg wagen, bei dem er die Sicherungen in der Route selbst setzen muss. Dafür zeigt Alfi Dworak auch das richtige Eindrehen der Eisschrauben. Aber selbst die Anfänger, die nur am Seil von oben klettern, können beim Tagesabschluss Stolz und Freude über das außergewöhnliche Abenteuer in der frostigen Vertikalen nicht verhehlen.

Wen das Eisklettern dann gepackt hat, dem bietet das Innerpitztal im Winter mehr als 60 gefrorene Wasserfälle und gigantische Eiswände. Die Höhe und die geografischen Gegebenheiten haben das enge Tal schon lange zu einem Mekka für die Eiskletterer werden lassen. Szene-Veranstaltung ist das „Eis Total Kletter-Festival“, zu dem alljährlich im Januar rund 200 Teilnehmer erwartet werden.

Bizarre Eiswelt: Das „Dynamitwandl“ in der Taschachschlucht animiert zum Klettern.
Bizarre Eiswelt: Das „Dynamitwandl“ in der Taschachschlucht animiert zum Klettern. © Frank Essegern

Eiskletter-Anfänger sollten allerdings noch einiges an Erfahrung sammeln, bevor sie zu eigenen Touren aufbrechen. Vor allem, ob das Eis schon zu porös oder die Struktur vielleicht zu dünn ist, sollte man zuverlässig einschätzen können – ebenso wie die Lawinensituation, die Orientierung im Gelände, die Bedingungen für den sicheren Standplatzbau oder die Techniken in Mixed-Routen, die gleichermaßen über Eis und Fels führen.

Auch dafür bietet sich die „Eiswelt Taschachschlucht“ an, die Alfi Dworak in den kommenden Jahren gern mit noch mehr vereisten Wänden wachsen lassen würde. „Links Eis, rechts Eis, kommst du um die Kurve, wieder Eis – so wie ein kleiner Eispalast – und überall hängen dann noch die Typen drauf und kraxeln“, beschreibt er mit merklicher Begeisterung seinen Plan. Doch nicht nur die Sportler dürften der Faszination der bizarren Eiswelt erliegen – auch wer einfach mal in die Schlucht hineinwandert, steht staunend vor dem, was Minusgrade nur aus Wasser zu zaubern imstande sind.

Wenn bei wärmeren Temperaturen das Eis in Talnähe doch zu dünn wird, bleiben den Kletterbegeisterten immer noch die steilen Wände am Pitztaler Gletscher. Oder sie nutzen die Kletterpause einfach mal für eine Skitour oder Pistenabfahrt am „Dach Tirols“. Der Pitztaler Gletscher reicht immerhin bis 3.440 Meter hinauf und ist eines der wenigen schneesicheren Urlaubsziele im Alpenraum. Nicht zuletzt ist der Blick von der per Gondelbahn erreichbaren höchsten Aussichtsplattform Österreichs auf Hunderte Berggipfel – Wolkenfreiheit vorausgesetzt – schon überwältigend.

Anreise: Von Dresden bis Mittelberg im Innerpitztal 650 km mit dem Auto. Mit Bahn und Bus rund 10 Stunden.

Eiskletterkurse: Gibt es auf das jeweilige Leistungsniveau abgestimmt bei den Profis der Bergführervereinigung Pitztal. Der Tag kostet ab 120 Euro pro Person.

www.bergfuehrervereinigung-pitztal.com

Weitere Eis-Abenteuer können auf Anfrage gebucht werden, auch direkt bei Alfi Dworak, der auf seiner Seite zudem aktuell über die jeweiligen Eisverhältnisse informiert:

www.alpine-adventure.at

Die Recherche wurde unterstützt vom Tourismusverband Pitztal.

www.pitztal.com

Da kommt einiges an Ausrüstung zusammen.
Da kommt einiges an Ausrüstung zusammen. © Frank Essegern