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Wir sind Haustauscher

Familie Pohl aus Coswig zahlt 160 Euro für ihren Urlaub – im Jahr. Möglich macht dies das Haustauschmodell - und viel Vertrauen in Mitmenschen.

Von Sylvia Miskowiec
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Gäste willkommen: Alexander und Sylvia Pohl tauschen seit drei Jahren ihr Haus in Coswig.
Gäste willkommen: Alexander und Sylvia Pohl tauschen seit drei Jahren ihr Haus in Coswig. © Foto: SZ/Veit Hengst

Pierre aus der Bretagne war da, Jesús aus Spanien auch, genauso wie Frederic aus Belgien und Hanka von der Ostsee. „Insgesamt hatten wir in den vergangenen zwei Jahren zehn Mal Haustauschgäste bei uns“, sagt Alexander Pohl aus Coswig. Das heißt: Zehn Mal haben wildfremde Menschen bei ihm und seiner Familie im Nebenhaus kostenfrei gewohnt. Mehrmals waren die Pohls in dieser Zeit auch unterwegs, daheim bei Fremden in Holland, Dänemark und Süddeutschland.

Möglich machen solche Urlaube mehrere Onlineplattformen, die sich dem Haustausch verschrieben haben. Das Konzept ist einfach: Wer sein Haus oder seine Wohnung für eine bestimmte Zeit kostenlos zur Verfügung stellt, kann dafür selbst woanders gratis wohnen. Mieten oder Nebenkosten fallen nicht an, Bilder und Beschreibungen des Heims zeigen, was die potenziellen Gäste erwartet. Mitmachen können nicht nur Eigentümer, sondern auch Mieter. Die Tauschpartner gelten als Gäste, solange mit ihnen kein Untermietvertrag ausgehandelt wird. Und Gäste dürfen laut Deutschem Mieterbund bis zu sechs Wochen bleiben, ohne dass sie dem Vermieter mitgeteilt werden müssen.

Die Idee hinter den Haustauschferien ist nicht neu, sondern schon 70 Jahre alt. 1953 taten sich junge Lehrer sowohl in den USA als auch in der Schweiz und in den Niederlanden zusammen, die günstig Ferien machen wollten – und dafür einfach die Wohnungen tauschten. Schnell wurde daraus ein Geschäftsmodell, dem heute mehrere Internetplattformen wie die nicht-kommerzielle Plattform Homelink oder der Weltmarktführer Homeexchange nachgehen. Letzterer listet über 450.000 Häuser in 159 Ländern, bei Homelink sind es 60.000 Häuser und Wohnungen in über 70 Nationen. „Wir schätzen, dass im Jahr etwa 500 Tausche in Deutschland stattfinden“, sagt Manfred Lypold, Vereinsvorsitzender von Homelink. „Wir erhalten nur eine Info, wenn ein Tauschvertrag abgeschlossen wurde, aber häufig wird über unser Nachrichtensystem mehrfach getauscht, oder frühere Tausche werden auf privater Ebene wiederholt.“

Haushüten und Urlaub in Einem

Mittlerweile muss nicht mehr zur gleichen Zeit getauscht werden. „Dieses Verfahren nennen wir Haushüten“, sagt Manfred Lypold. Eine Familie mache beispielsweise eine Pauschalreise, und ein Haustauschurlauber kümmere sich nebenher um den Garten, leert den Postkasten und gießt die Blumen. „Ungefähr fünf Prozent unserer Kunden arrangieren solche einseitigen Tausche“, so Manfred Lypold.

Gratis ist die Sache aber nicht: Nutzer der Onlinetauschbörsen kostet der besondere Urlaubsspaß zwischen 149 und 160 Euro Gebühr im Jahr. Und jede Menge Vertrauen. Schließlich überlässt man den Tauschpartnern die eigenen vier Wände. Allerdings sind manche Wohnungen Zweitwohnungen oder Nebengebäude des eigentlichen Zuhauses der Tauschpartner – wie bei Familie Pohl. „Ich könnte niemandem mein eigenes Bett zur Verfügung stellen“, sagt Sylvia Pohl. Die Coswigerin und ihr Mann haben zwar selbst mehrere Jahre in dem Häuschen gewohnt, in dem nun die Haustauschgäste schlafen, sind nun aber ins Gebäude nebenan gezogen. Auch woanders sei es nicht immer einfach, sich bei Fremden einzugewöhnen, selbst wenn sie im Vorfeld viel mit ihren Gastgebern geschrieben oder sogar videotelefoniert hätten, so die Hautpflegeexpertin.

Eintauchen in einen anderen Alltag

Wer anfängliche Bedenken und Misstrauen über Bord werfen kann, lernt schnell die Vorteile des Haustauschurlaubs schätzen. „Man ist mitten in einem anderen Alltag, den man so sonst nie kennenlernen würde“, sagt Alexander Pohl. Manfred Lypold pflichtet ihm bei. „Zwar sind Städtereisen wie zum Beispiel nach Berlin und Hamburg sehr begehrt, aber wir bekommen im Nachhinein oft besonders positives Feedback für Aufenthalte in abgelegenen Gebieten – die Menschen sind begeistert von den neuen Erfahrungen und einer Gegend, die sie vorher gar nicht auf dem Radar hatten.“ Auch für Kurzentschlossene ist der Haustausch eine Option. Homelink und Homeexchange bieten beide eine Suche für Last-Minute-Tausche.

Haus getauscht, Geld gespart

Nicht zuletzt spart der Haustausch eine Menge Geld. „Wir waren im vergangenen Jahr im Skiurlaub in Mittenwald zusammen mit unseren beiden Kindern, in einem Chalet. Sowas wäre in den Ferien kaum bezahlbar“, gibt Alexander Pohl zu bedenken. Und es wäre wohl nur halb so spannend. „Wir haben im Chalet schon gespürt, dass dort wirklich andere Leute zu Hause sind.“ Tochter Lilly fremdelte anfangs im Skiferiendomizil. „Sie fragte mehrmals am Tag ganz besorgt, wann wir gehen müssten und die anderen wiederkämen“, erinnern sich die Eltern. Doch schon am zweiten Tag war diese Sorge verflogen.

Ebenso schnell kam die Erleichterung, als die Pohls nach dem ersten Tausch in ihrer eigenen Wohnung nach dem Rechten guckten. „Alles war in bester Ordnung, alles noch da, nichts kaputt. So ist das bis heute immer gewesen“, so Alexander Pohl. Nichtsdestotrotz rät Christian Rumpke, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Brandenburg und selbst passionierter Haustauscher, immer einen Tauschvertrag aufzusetzen. Darin enthalten sein sollten Tauschdauer, Schlüsselübergabe, wie mit Strom-, Wasser- und Heizungskosten verfahren wird, die normalerweise jeder Tauschpartner für die eigene Wohnung trägt, wer als Kontaktperson dient und im Notfall benachrichtigt werden soll. Die Plattformen bieten dafür meist Musterformulare an. „Zudem ist eine Haftpflicht- und Hausratversicherung wichtig, die bei Schäden einspringt“, sagt Rumpke. Sehr wertvolle und private Dinge sollten am besten gleich weggeschlossen werden. Auch bei Pohls steht auf einer Zimmertür „privat“. Respektiert habe es bisher jeder. „Haustauscher sind nette Menschen, es ist eine offene, freundliche Gemeinschaft“, sagt Alexander Pohl.

Das Häuschen der Pohls in Coswig
Das Häuschen der Pohls in Coswig © privat

Bei Homeexchange sind nach eigenen Angaben vor allem Familien mit Teenagern auf der Suche nach dem Urlaub in anderen Häusern, aber auch ältere Menschen und Pensionäre. So wie Ute und Andreas aus dem Vogtland, die ersten Haustauscher bei der Coswiger Familie. „Die waren alte Hasen und haben uns viele Tipps gegeben – und ein Gastgeschenk dagelassen, von dem wir heute noch etwas haben, ein Rezept für echt gute Eierschecke“, sagt Sylvia Pohl.

Doch was passiert, wenn der Tauschpartner in letzter Minute abspringt? Die beiden großen Portale Homeexchange und Homelink versprechen, schnellstmöglich Ersatz zu finden. Homelink bietet zudem eine Tausch-Rücktrittsgarantie, die im schlimmsten Fall eine Hotelunterbringung zahlt. „In den letzten fünf Jahren gab es keinen solchen Versicherungsfall“, sagt Manfred Lypold. „Wenn jemand erkrankt war, wurde entweder der Tauschzeitraum verschoben oder ein Ersatztausch gesucht.“ Eine Reiserücktrittsversicherung sei dennoch zu empfehlen, so Verbraucherschützer Rumpke.

Das Konzept des Haustausches hat es übrigens bereits nach Hollywood geschafft. In „Liebe braucht keine Ferien“ tauschten Cameron Diaz und Kate Winslet 2006 über Homeexchange ihre Zuhause – und fanden da auch noch die große Liebe.

Haustausch auf diesen Portalen leicht gemacht

  • Homeexchange verlangt 160 Euro Jahresgebühr, wenn mindestens ein Mal getauscht wird. Jedes Mitglied erhält sogenannte GuestPoints, wenn es sich anmeldet und Tauschpartner aufnimmt, ohne selbst zu verreisen. Diese Punkte können verwendet werden, wenn man selbst reisen, aber nicht tauschen will. Mit 450.000 Unterkünften ist Homeexchange Weltmarktführer.
  • Bei Homelink kostet die Jahresmitgliedschaft 149 Euro. Wer keinen Tausch im ersten Jahr findet, muss im zweiten nichts zahlen. Ein Punktesystem existiert nicht, aber eine Tausch-Rücktrittsgarantie. 1953 gegründet, sind bei der gemeinnützigen Organisation 60.000 Unterkünfte gelistet.
  • Intervac bietet sowohl eine ein-, als auch eine zweijährige Mitgliedschaft für 110 beziehungsweise 195 Euro an. Die Organisation ist in 45 Ländern vertreten und hat rund 30.000 Mitglieder. Ein Punktesystem existiert nicht.
  • Fewo-Tausch erhebt keinerlei Gebühren und vermittelt nicht, sondern ist eine kleine Plattform, auf der rund 200 deutschsprachige Haustausch-Interessenten ihre Unterkünfte präsentieren. Ausgemacht wird alles direkt mit dem Tauschpartner.