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Ein Fuchs im Fahrzeug-Finden

Hendrik Scherf liefert Telematik, die Autos ortet und Daten hortet. Seine Kunden kommen kaum noch aus Angst vor Dieben.

Von Georg Moeritz
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Unternehmer des Jahres - Nominierte vorgestellt: Hendrik Scherf hat den Fuchs als Symbol für sein Unternehmen Yellowfox ausgewählt. Seine Software hilft Spediteuren und Bauunternehmern, ihre Daten zu überblicken.
Unternehmer des Jahres - Nominierte vorgestellt: Hendrik Scherf hat den Fuchs als Symbol für sein Unternehmen Yellowfox ausgewählt. Seine Software hilft Spediteuren und Bauunternehmern, ihre Daten zu überblicken. © Ronald Bonß

Wilsdruff. Wenn das kein Unternehmer ist: Schon während des Abiturs in Freital hatte Hendrik Scherf einen Gewerbeschein. Früh hat er Handys an Schulfreunde verkauft und ihre Autos repariert. Inzwischen ist Scherf mit seinem Unternehmen sechsmal umgezogen und plant gerade die neue Zentrale für künftig 150 Arbeitsplätze. Hell, luftig, mit viel Holz, bitte.

Noch arbeiten Hendrik Scherf und seine 84 Beschäftigten auf drei Etagen eines Hochhauses verteilt, im Kesselsdorfer Gewerbegebiet der Stadt Wilsdruff bei Dresden. Zwei Tischkicker und eine Vitrine mit alten Handys im Eingang signalisieren: Yellowfox muss eine Softwarefirma sein. Das stimmt auch, aber Hendrik Scherf kann nach eigenen Angaben nicht programmieren, und zu seinen besten Leuten zählt er einen gelernten Koch und einen Dachdecker.

Scherf selbst hat mal Bauzeichner gelernt, um auf Wunsch des Vaters eine ordentliche Lehre zu absolvieren. Nun leitet der 46-Jährige die Yellowfox GmbH mit 16,5 Millionen Euro Jahresumsatz und hat ein anstrengendes Jahr hinter sich. Trotz Corona-Kontaktbeschränkungen hat Scherf voriges Jahr nach Bewerbungsgesprächen 17 neue Mitarbeiter eingestellt. Wie im Jahr davor meldete er mehr als 20 Prozent Umsatzwachstum.

Verkauf an Konkurrenten unerwünscht

Obwohl Hendrik Scherf seine Kollegen als zweite Familie bezeichnet, hat er sich voriges Jahr aus einer gewohnten Kesselsdorfer Konzernstruktur mit langjährigen Freunden verabschiedet und einen neuen Weg eingeschlagen. Bisher gehörte seine Gründung Yellowfox zu einer Unternehmensgruppe namens HM3T mit 15 Firmen, darunter der Elektronikhändler Mobilplus und der Autohändler Mobilforum. Auch eine Werbeagentur gehört zur Gruppe, an der Scherf bisher beteiligt war. Nun zieht der Mitgründer ein paar Straßen weiter, um im erträumten Neubau mit Yellowfox separat die nächsten Wachstumsschritte zu tun.

Scherf ist ein Sportler, der gerne mit dem Mountainbike ins Büro fährt, nachdem er die Tochter zur Schule gebracht hat. Das Motorradfahren hat er sicherheitshalber aufgegeben, früher spielte er auch viel Fußball. Nun gehören Tischkickerturniere zum Firmenprogramm, Sommerfeste oder mal eine Segeltour mit 40 Kollegen um Mallorca. Gerne hat Scherf auch mit seinen Freitaler Schulfreunden und Mitgründern um den Grill gesessen. Aber in den vergangenen Jahren entzweite sie die Frage, ob sie dem Werben von Konkurrenten und anderen Kaufinteressenten um Yellowfox nachgeben sollten. Die alten Freunde waren zunehmend dafür.

Scherf sagt, einen Verkauf seiner Firma an Konkurrenten habe er nicht gewollt. Schließlich wählte er aus sieben Interessenten die Frankfurter Beteiligungsfirma ECM Equity Capital Management GmbH, die mit einem Fonds bei Yellowfox einstieg. Geschäftsführer Scherf bleibt Mitbesitzer.

Der Chef mag keine Großraumbüros

Juristisch sei die Änderung „ein Kraftakt“ gewesen und die Entkopplung von der Konzern-IT „ein Wahnsinn“. Doch nun freut sich Scherf auf den geplanten Neubau mit „Riesen-Campus“, Freitreppe und zwei Teeküchen. Er mag keine Großraumbüros, es soll Viererbüros mit viel Platz geben. „Yellowfox versteht sich als Familie“, betont der Chef.

Auf dem Weg zum hauseigenen Fotostudio, derzeit auch Corona-Testzentrum, geht es an offenen Bürotüren vorbei, hinter denen meist junge Männer gemeinsam an Bildschirmen etwas besprechen. Seine Abteilungsleiter hätten Firmenanteile bekommen, sagt Scherf. Das Gehalt sei zu 30 Prozent erfolgsabhängig, bei Außendienstlern natürlich stärker.

Überall hängen Werbeposter und liegen Flugblätter mit Füchsen, den klugen Tieren, die Scherf als Namensgeber für seinen Betrieb ausgewählt hat. Seit 2003 gibt es die Fuchs-Firma. Wenn Scherf aus seinen Bürofenstern sieht, schnüren keine Füchse vorbei, aber jede Menge möglicher Kunden: Scherf zeigt auf die Bundesstraße 173, zu deren Seiten die Ringstraßen des Gewerbegebiets Kesselsdorf verlaufen. Er zeigt auf Lastwagen, auf ein Gespann mit einem Bagger auf dem Hänger. Damit lässt sich Geschäft machen. Viel Verkehr, kein Lockdown auf den Straßen.

Spediteure werten aus, ob ihr Fahrer vorausschauend fährt

Yellowfox ist „einer der am schnellsten wachsenden Anbieter intelligenter Telematik-Lösungen in Europa“. So schreibt es der neue Mitbesitzer ECM aus Frankfurt am Main in die Begründung für seine Beteiligung in Sachsen. Hendrik Scherf und seine Mitarbeiter haben fast 70.000 Fahrzeuge, Container und Baumaschinen so ausgestattet, dass die Besitzer sie ständig unter Kontrolle haben.

Telematik, damit können Spediteure und Baufirmen aus der Ferne sehen, wo ihr Material gerade rollt. Sie sehen aber auch, ob der Fahrer Pause macht, ob er oft bremst oder ob er Bremsscheiben und Reifen schont. So können sie den Mitarbeiter des Monats finden und für vorausschauendes Fahren auszeichnen. Sie finden aber auch jenen, bei dem sich die „Verstoßkontrolle“ häuft.

Die Software aus Kesselsdorf organisiert auch Führerscheinkontrolle und Spesenabrechnung. Verbrauch und Verschleiß lassen sich dokumentieren. Früher kamen Kunden zu Scherf, um ihre Fahrzeuge vor Diebstahl zu schützen. Vor zehn Jahren berichtete die Sächsische Zeitung, wie ein Geländewagen aus einem Dresdner Villenviertel in einer polnischen Garage geortet wurde. Heute ortet Yellowfox-Technik Baugeräte, die gegen den Willen der Besitzer auf dem Weg zum Hafen Rotterdam sind. Doch das sei nicht mehr das wichtigste Thema, sagt Scherf. „Unsere App ist sehr fett.“ Die Vielfalt schlage die Technik großer Konkurrenten.

Jede Tankdeckelbewegung wird aufgezeichnet

Die Fuhrparkchefs suchen den Überblick über wachsende Datenmengen. Spediteure müssen den Kraftstoffverbrauch senken und Verschleiß früh erkennen. Im Prospekt von Yellowfox steht eine lange Liste der Informationen, die per Software aufbereitet werden können: Fahrzeit und Standzeit, Overspeedmeldungen, Gaspedalposition, „Anzahl Kupplung getreten“. Der Fahrer kann nichts geheimhalten. Auch Tankdeckelbewegungen und die Temperatur im Hänger lassen sich im Chefbüro ablesen.

Die Anwendungsbereiche für Telematik seien „noch lange nicht ausgeschöpft“, schreibt die Beteiligungsfirma aus Frankfurt. Der gesamte Fuhrpark und Objektbestand können mit einem Klick verfolgt, ausgewertet und gesteuert werden. Bei Yellowfox kämen Entwicklung, Vertrieb und Support aus einer Hand. Die Hardware kauft Scherf in Finnland, manche Software übernimmt er allerdings von Konkurrenten und bindet sie ein – zum Beispiel die App zur Parkplatzsuche für Fernfahrer.

Bahnen und Schiffe werden zunehmend zu Kunden, auch ein Bootsverleiher in Mecklenburg ist schon dabei. Immer mehr Objekte vom Toilettenhäuschen bis zur Rüttelplatte bekommen einen Code. Das erleichtert die Inventur.

Alle sechs Wochen Meeting und Spaß in der Zentrale

Als größte Konkurrenten nennt Scherf Fleetboard von Daimler Truck und Webfleet von Bridgestone. Doch er finde und halte Kunden, indem er ihnen gut zuhöre und Wünsche erfülle. „Wachstum entsteht, wenn man etwas mit Leidenschaft macht und wenn der Kunde Leidenschaft spürt“, sagt der Firmengründer. Er biete keine Hotline mit Computerstimme.

Seine Außendienstler bringen die Technik zum Kunden und halten Kontakt. Alle sechs Wochen kommen sie „zu drei Tagen Meeting und Spaß“ in die sächsische Zentrale. Sie kommen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum und diskutieren in vielen Dialekten, zur Freude des Chefs.

Scherf sieht seine Aufgabe im Zuhören und will sich in allen Abteilungen auskennen. Sein Februar und März bestehen vor allem aus Jahresgesprächen mit jedem. Der Chef will wissen, ob jemand Weiterbildung will oder mehr Zeit für die Kinder braucht. „Ich hole mir keine Söldner rein“, sagt Scherf. Wer das halbe Jahr Probezeit überstehe, solle lange bleiben. „Ich bin derjenige, der guckt, ob es der Familie gut geht.“

Der Wirtschaftspreis „Sachsens Unternehmer des Jahres“ ist eine Initiative von Sächsischer Zeitung, Freier Presse, Leipziger Volkszeitung und MDR sowie von Volkswagen Sachsen, der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KPMG, der LBBW und der Gesundheitskasse AOK Plus.

www.unternehmerpreis.de