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Wo der Harzer hoch im Kurs steht

120 Jahre ist die Karsdorfer Käserei Familienbetrieb. Sie ist auf ein ganz bestimmtes Produkt spezialisiert.

Von Anja Ehrhartsmann
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Tom Klinnert führt die Privatkäserei in Karsdorf mittlerweile in der vierten Generation. Heute gehört der Betrieb zu einer von Sachsens letzten Privatkäsereien.
Tom Klinnert führt die Privatkäserei in Karsdorf mittlerweile in der vierten Generation. Heute gehört der Betrieb zu einer von Sachsens letzten Privatkäsereien. © Andreas Weihs

Erst nur einen Spalt breit, dann öffnet Tom Klinnert die Tür ganz. Sofort verbreitet sich der charakteristische Geruch: Harzer Käse. Vorsichtig nimmt er eine der Rollen in die Hand, die dort dicht gedrängt im Reifegestell liegen. Mit dem Ergebnis ist er zufrieden. Zwei Tage braucht der Käse insgesamt, bis sich die Hefen ganz entfaltetet haben und er verpackt und verzehrt werden kann.

Hauptbestandteil des Karsdorfer Stangenkäses ist Sauermilchquark, der Rohstoff für den Käse. Er wird in 50-Kilo-Säcken angeliefert und muss dann erst einmal sieben Tage gekühlt stehen. Um eine Bindung zu bekommen, wird der Quark mit sogenanntem Reifungssalz gemischt, dann wird gerührt und geknetet. Später kommen Hefekulturen dazu. Anschließend wird der Stangenkäse in Form gebracht – dreizehn Zentimeter lang, 125 Gramm. Nun kommt er in den Reifungsraum. Dort liegt er zwei Tage bei 30 Grad und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit. „Zum Schluss kommt der Käse noch ins Salzbad, so bekommt er seine gelbe Farbe“, verrät Tom Klinnert.

Harzer Käse hat in der Familie des 42-jährigen Karsdorfers eine lange Tradition. Sein Urgroßvater Robert Eger kaufte den Klinnertschen Familienhof bereits 1898. Schon damals wurde in einem der Räume Käse gemacht. Der Quark kam aus Nassau und wurde auf einem Pferdewagen nach Karsdorf gebracht. „Damals gab es schon Betriebe, die Milch zentralisiert aufbereitet haben“, schildert Tom Klinnert. Und schon damals wurde – wie auch heute noch – einmal pro Woche Käse gemacht. „Immer montags ist Käsetag.“

Richtig zur Käserei wurde der Betrieb erst, als Kurt Klinnert, Robert Egers Schwiegersohn, mit einstieg und den Familienhof umbauen ließ. Die Ställe mussten neuen Produktionsräumen weichen. Tom Klinnerts Großvater, eigentlich Bankkaufmann, hatte ein Gespür für Zahlen. Er schaffte es, den Betrieb so aufzustellen, dass es für den Lebensunterhalt reichte.

Nach einer kurzen Zäsur während des Zweiten Weltkrieges öffnete die Käserei wieder. Toms Vater Wolfgang Klinnert übernahm den Betrieb 1972, der dann „Kurt Klinnert & Sohn“ hieß. Im Dezember 1998 stieg Tom Klinnert in den Familienbetrieb ein. Natürlich hat sich in der Käseproduktion über all die Jahre auch einiges geändert: „Früher haben wir wöchentlich bis zu fünf Tonnen Käse gemacht, heute produzieren wir noch circa 1,5 Tonnen.“ Nahezu gleichgeblieben ist aber die Rezeptur ihres Kernprodukts, dem Stangenkäse.

Über die Jahre hinweg hat sich Produktpalette der Käserei erweitert. Denn in den Jahren nach der politischen Wende stand der Familienbetrieb vor großen Herausforderungen. „Regionale Produkte waren überhaupt nicht mehr gefragt“, sagt Tom Klinnert, der gewissermaßen in der Käserei groß geworden ist. Doch mit dem „Käserei & Frischdienst Klinnert“ wurde ein zweites Standbein gefunden. Dabei werden Großverbraucher wie die Bavaria-Klinik mit Milch, Quark, Butter und einem umfassenden Käsesortiment beliefert. Schulen und Kindertagesstätten bekommen Milch. Im Zuge eines EU-Schulprogramms liefert die Privatkäserei seit vergangenem Jahr auch Obst und Gemüse dorthin.

So wie ursprünglich Klinnerts haben in Karsdorf früher viele kleinere Gehöfte im Nebenerwerb Harzer Käse produziert, doch das ist längst Vergangenheit. Heute gehört der Betrieb von Tom Klinnert zu einer von Sachsens letzten Privatkäsereien. Und ganz anders als noch zu Zeiten seines Urgroßvaters ist es heute zunehmend schwerer, überhaupt noch an guten Quark für den Harzer Käse zu kommen.

„Viele kleine Lieferanten sind weggebrochen, weil sie keine Nachfolger gefunden haben oder aufgekauft wurden. Das ist ein Problem“, sagt Tom Klinnert. Der Quark für den Karsdorfer Käse wird deshalb mittlerweile aus Schleswig-Holstein angeliefert. „Irgendwelche Produkte bekommt man immer, aber die Qualität muss einfach stimmen.“

Denn im Gegensatz zu früher ist der Konkurrenzdruck viel höher. In den Supermarktregalen tritt der Karsdorfer Käse mittlerweile mit vielen verschiedenen Sorten in Wettbewerb, darunter auch viel Harzer Käse. Davon will sich die Karsdorfer Käserei abheben: „Unser Käse soll kein Einheitsbrei sein.“ Der Karsdorfer Stangenkäse besticht deshalb mit einem eher würzigen Geschmack. Und das scheint auch die Kunden zu überzeugen. Schließlich verkauft die Karsdorfer Käserei ihren Harzer Käse heute von Koblenz bis nach Rostock.