SZ + Zittau
Merken

Wie ein alter Dreiseithof in Olbersdorf neu belebt wird

Der Verein Anderswurzeln will das Denkmal an der August-Bebel-Straße 77 in Olbersdorf zu einem Lern-, Wohn- und Arbeitsort machen. Ein erster Schritt ist nun getan.

Von Thomas Christmann
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Mia-Lisa Meaubert (links) und Waltraud Hartwig vom Verein Anderswurzeln vor dem Dreiseithof, indem die Mitglieder eine Mitmach-Werkstatt eingerichtet haben.
Mia-Lisa Meaubert (links) und Waltraud Hartwig vom Verein Anderswurzeln vor dem Dreiseithof, indem die Mitglieder eine Mitmach-Werkstatt eingerichtet haben. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Im ehemaligen Wohn-Stall-Haus haben Mia-Lisa Meaubert, Waltraud Hartwig und die anderen Mitstreiter bisher nur ein provisorisches Wohnzimmer eingerichtet. So nennen sie den monatlichen Treffpunkt ihres Vereins Anderswurzeln, der Eigentümer des Dreiseithofs an der August-Bebel-Straße 77 in Olbersdorf ist. Sofern die von ihnen geplante Sanierung des Gebäudes im Laufe des kommenden Jahres starten kann, wird er vorübergehend in den alten Speicher umziehen. Dort wiederum haben die Mitglieder nun den ersten Raum im Erdgeschoss fertigstellen können: die Mitmach-Werkstatt.

Diese ist Teil des solidarischen Lern-, Wohn- und Arbeitsortes, der einmal aus dem Hof werden soll. Der fiel vor über 30 Jahren fast dem Kohlebergbau zum Opfer und stand danach lange leer, ehe der Verein ihn 2021 mit Eigenmitteln und mithilfe von Freunden erwarb. Entsprechend der Adresse wird er "Auguste 77" genannt.

Die Mitglieder befreiten das Grundstück vom Wildwuchs, legten einen Bauerngarten an, sanierten und ergänzten die Streuobstbereiche, sicherten die Dächer der Gebäude und machten diese wieder zugänglich. Der zuvor am längsten genutzte Raum des Hofes befand sich im Speicher, wo ein Hobby-Autoschrauber seine Werkstatt betrieb. Deshalb konnte dieser am schnellsten wieder hergerichtet werden. Dort haben Mitglieder und Helfer den Fußboden und Putz erneuert, die Elektrik installiert, den Raum mit Werkbank und -zeug ausgestattet. Unter anderem dafür hat der Verein 10.000 Euro aus dem Mitmachfond erhalten.

Die ersten Nutzer der Mitwach-Werkstatt waren Ferienkinder im Sommer. "Sie erkundeten die Natur im und um den Hof, gestalteten ihre Entdeckungen mit Ton und Farben", berichtet Waltraud Hartwig. Mit fachlicher Hilfe der 63-Jährigen konnten Interessierte im Herbst dann ihre mitgebrachten Stühle reparieren und mit neuem Geflecht versehen. Eine Tätigkeit, welche die Rentnerin schon als Gruppenleiterin in den Zittauer Werkstätten anderen beibrachte. Dabei soll der Raum künftig auch von Nachbarn und anderen genutzt werden: Reparieren statt wegwerfen lautet dabei die Devise und sich gegenseitig helfen.

Waltraud Hartwig zeigt Teilnehmern der Mitwach-Werkstatt, wie sie Stühle reparieren.
Waltraud Hartwig zeigt Teilnehmern der Mitwach-Werkstatt, wie sie Stühle reparieren. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

"Wir stehen noch am Anfang", sagt Waltraud Hartwig über die Neubelebung des Hofes. Im Wohn-Stall-Gebäude sind einmal gemeinschaftliche Wohn- und Vereinsräume geplant. Die Scheune gegenüber soll für Projekte der Umweltbildung dienen, mit einer Küche zur Obstverwertung. Im Speicher sind neben der Mitwach-Werkstatt noch Seminarräume vorgesehen. Dafür will der Verein weitere Mittel aus dem Mitmachfond nehmen. Damit sollen der Treppenaufgang und Räume im Obergeschoss saniert und nutzbar gemacht werden.

Parallel arbeiten die Mitglieder am Bau-Antrag für das Wohn-Stall-Haus, das bis 2026 saniert sein soll. Laut des Türstocks stammt das Gebäude von 1872. Doch Experten fanden beim Begutachten des Dachstuhls heraus, dass es über 250 Jahre alt sein muss. Als Teil des damaligen Dorfzentrums mit Kretscham, Kirche und Gemeindeamt macht das den Erhalt für die Mitglieder umso bedeutsamer. Der Wunsch ist, nächstes Jahr mit den Arbeiten zu starten. "Wir setzen damit ein Zeichen, dass das Projekt vorankommt", erklärt die 63-Jährige. Die Kosten in siebenstelliger Höhe sollen zum Teil mit Fördermitteln gedeckt werden, den Eigenanteil wollen die Vereinsleute privat sowie mit vielen kleinen Darlehen durch Unterstützer stemmen und später über die Miete refinanzieren.

Für Waltraud Hartwig geht mit "Auguste 77" ein Traum in Erfüllung. Schon zur Wendezeit wollte die Zittauerin ein gemeinsames Wohnprojekt realisieren. Das zerschlug sich aus verschiedenen Gründen. Über eine ihrer Töchter kam sie dann zum Verein, die ebenfalls Mitglied ist. Und schätzt das generationsübergreifende Zusammenleben. "Um voneinander in alle Richtungen zu lernen", so die 63-Jährige, die in ihrem Leben nur noch einen Umzug machen will: in den Hof nach Olbersdorf.