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"Das Leben kann sauschwer sein"

Elke Schindler aus Herrnhut ist 59 Jahre alt und lebt im Körper einer 80-Jährigen. Sie kämpft mit ihrer Krankheit und gegen die Verzweiflung. Da tut ein Lichtblick gut.

Von Jana Ulbrich
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Elke Schindler aus Herrnhut ist 59 Jahre alt und schwer krank. Da wirkt ein kleiner Lichtblick Wunder.
Elke Schindler aus Herrnhut ist 59 Jahre alt und schwer krank. Da wirkt ein kleiner Lichtblick Wunder. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Es dauert lange, bis Elke Schindler auf das Klingelzeichen öffnet. Obwohl es kein weiter Weg ist von ihrem Platz am Fenster bis zur Tür. Mühsam stemmt sie sich hoch, bei den ersten Schritten am Rollator stöhnt sie leise. Das Laufen fällt ihr immer schwerer. Jeder Schritt mit den verformten Füßen tut weh. Elke Schindler wird im Februar 60. Ihr Körper aber fühlt sich an wie der einer 80-Jährigen.

In diesem Jahr ist sie umgezogen: aus ihrer Wohnung und dem vertrauten Umfeld in Oderwitz hinein in ein kleines, behindertengerechtes Appartement im Betreuten Wohnen des ASB in Herrnhut. Um sie herum leben betagte Senioren. Tagespflege und Altenheim sind gleich angeschlossen. Und an der Tür klingelt gerade der Pflegedienst.

Anders ist das nicht mehr zu machen. Elke Schindler leidet an einer Spinalkanalstenose, einer Verengung des Rückenmarkskanals. Die zentralen Nerven im Rückenmark werden dadurch ständig gereizt oder können gar nicht mehr funktionieren. "Die Impulse aus dem Gehirn kommen nicht mehr richtig an in den Armen und Beinen", so erklärt es Elke Schindler. "Die Endnerven in den Füßen sterben ab." Dabei war sie bis vor 17 Jahren eine lebenslustige, kerngesunde Frau, lebte in München und hatte viele Freunde.

Und jetzt lebt sie hier in dieser betreuten Wohnanlage unter betagten Menschen und hat Pflegegrad 2. "Das Leben kann sauschwer sein", sagt sie mit einem leicht sarkastischen Unterton. Aber sie beschwert sich nicht über dieses Schicksal. Sie nimmt es, wie es ist. Was soll sie auch machen? "Ich hab mir vorgenommen zu kämpfen", sagt sie. "Ich werde im Februar 60, nicht 80!"

Das Schicksal zeigt sich zwischen Weihnachten und Neujahr 2005. Zwei Tage vor Silvester kommt Elke Schindler in die Notaufnahme. Ihre Zehen sind steif. Von der Diagnose, die ein Arzt ihr später zu erklären versucht, hat sie bis dahin noch nie gehört. Sie wird mehrfach operiert, ist monatelang krank. Und es wird nicht besser. Elke Schindler kann nicht mehr arbeiten gehen.

Und sie kann in ihrem Leben auch nicht viel sparen. Gleich nach der Wende wird die junge Textilfacharbeiterin arbeitslos, auch der nächste Betrieb, in dem sie wieder einen Job bekommt, macht Ende der 1990er Jahre zu. Elke Schindler macht es wie viele andere und geht in den Westen. In München lebt sie sich ein, arbeitet jahrelang als Verkäuferin. Bis zu jenem Tag in der Münchner Notaufnahme.

Elke Schindler zieht es zurück in die Heimat. In Oderwitz findet sie eine Wohnung in der Nähe ihrer Schwester. Durch ihre Krankheit ist sie zum Sozialfall geworden. Sie beantragt EU-Rente, aber sie muss mehrere Jahre darum kämpfen. Seit fünf Jahren ist sie jetzt EU-Rentnerin. Das Geld geht für die Pflege drauf. Und die Treppenstufe zu ihrer Wohnung in Oderwitz wird unüberwindbar.

Schweren Herzens entschließt sie sich für den Umzug in die Herrnhuter Seniorenanlage. Die Möbel, die sie braucht, bezahlt sie mit einem Kredit. Sie schluckt einen Kloß im Hals herunter, als sie sich an diese ersten Tage in der neuen Umgebung erinnert: "Ich hab hier gesessen zwischen den ganzen Kisten und Kartons und wusste nicht, wie es weitergehen sollte", erzählt sie. "Ich hatte überhaupt keinen Plan. Ich hab Rotz und Wasser geheult." Elke Schindler fühlt sich auf einmal so verzweifelt und einsam wie noch nie in ihrem Leben.

Aber in dieser Situation ist zum Glück Mandy Waldstein da. Die Sozialarbeiterin aus dem Gesundheitsamt des Landkreises betreut kranke Menschen wie Elke Schindler in schwierigen Lebenssituationen. "Sie ist ein Engel", strahlt Elke Schindler. "Sie hat mich aus diesem Tief gerettet."

Die Sozialarbeiterin hat die entscheidende Idee, wie Elke Schindler in ihrem neuen Zuhause auch weiter Kontakt zu Familie und Freunden halten kann. Der alte Computer aus der Oderwitzer Wohnung kommt in der neuen nämlich nicht mehr zum Laufen - die alte Kiste hätte in dem kleinen Appartement ohnehin keinen richtigen Platz. "Sie brauchen einen Laptop, Frau Schindler", schlägt Mandy Waldstein vor. Wie aber soll die EU-Rentnerin den bezahlen? Auch da weiß die Sozialarbeiterin Rat. Sie wendet sich an die Stiftung Lichtblick.

Die Stiftung hilft dank Tausender Spender Menschen in Sachsen in finanziellen und menschlichen Notlagen - schnell und unbürokratisch. Elke Schindler ist glücklich. Jeden Tag sitzt sie jetzt an ihrem Fensterplatz mit dem Laptop auf dem kleinen Tisch. Ihre Hände können kaum noch einen Stift halten. "Einen Brief könnte ich nicht schreiben. Aber auf den Tasten tippen, das geht", freut sie sich. Und so schreibt sie E-Mails, surft im Netz, informiert sich über Facebook und Instagram. "Das ist jetzt mein Fenster zur Welt", "ich bin der Stiftung so dankbar. Das ist für mich eine Hilfe, die ist einfach unbezahlbar."

So können Sie helfen

  • Die Stiftung Lichtblick startet dieses Jahr die 27. Spendensaison für in Not geratene Menschen in unserer Region, die keine andere Unterstützung finden.
  • Sie möchten helfen? Hier können Sie das jederzeit tun. Das Geld übermitteln Sie an die Stiftung per Bankeinzug oder per Paypal - sicher und einfach. Alternativ dazu können Sie Ihre Spende auch auf folgendes Konto bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden einzahlen: IBAN: DE88 8505 0300 3120 0017 74, BIC: OSDDDE81.
  • Der Überweisungsbeleg gilt bis 300 Euro als Spendenquittung. Für größere Überweisungen sendet die Stiftung bei Angabe einer Adresse eine Quittung.
  • Hilfesuchende wenden sich bitte an Sozialeinrichtungen ihrer Region wie Diakonie, Caritas, DRK, Volkssolidarität, Jugend- und Sozialämter.
  • Die Sächsische Zeitung veröffentlicht automatisch die Namen der Spender. Wer anonym spenden will, vermerkt beim Verwendungszweck „Anonym“.
  • Erreichbar ist Lichtblick telefonisch dienstags und donnerstags von 10 bis 15 Uhr unter 0351/4864 2846, jederzeit per E-Mail: [email protected]; die Postadresse lautet: Stiftung Lichtblick, 01055 Dresden. Mehr Informationen: www.lichtblick-sachsen.de.