SZ + Zittau
Merken

Das Schulessen wird teurer: Aber was ist es uns wert?

Auch Essenanbieter müssen mit steigenden Kosten kalkulieren. Der Preisdruck aber lässt Qualität und Kinder auf der Strecke. Ein Caterer aus Mittelherwigsdorf stellt die Frage deshalb anders.

Von Jana Ulbrich
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Heute steht Tomatenrührei mit Frühlingszwiebeln auf dem Speiseplan der Naturparkfleischerei Wagner in Mittelherwigsdorf. Marion Neumann und ihre Kolleginnen kochen das Essen aus frischen Zutaten.
Heute steht Tomatenrührei mit Frühlingszwiebeln auf dem Speiseplan der Naturparkfleischerei Wagner in Mittelherwigsdorf. Marion Neumann und ihre Kolleginnen kochen das Essen aus frischen Zutaten. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Tomatenrührei mit Frühlingszwiebeln steht heute auf dem Speiseplan der Naturparkfleischerei von Andreas Wagner in Mittelherwigsdorf. Köchin Marion Neumann hat dafür heute Morgen schon dutzendweise Eier in die Pfanne geschlagen. Die Eier kommen vom Bauernhof um die Ecke, die Kartoffeln für die Mauke von den Feldern am Dorfrand, die Tomaten, die Frühlingszwiebeln und der Weißkohl für den Krautsalat von einer Gärtnerei aus Zittau.

Dass in Wagners Küche alles Handarbeit ist, dass alles frisch und möglichst auch alles aus einheimischen Zutaten gekocht wird, ist hier Firmenphilosophie - auch, wenn es viel mehr Zeit und Mühe braucht, die Fischstäbchen aus frischem Fisch selber zu panieren oder das Gemüse für den Eintopf frisch geerntet zu schnippeln.

Schon seit einigen Jahren betreibt Fleischermeister Andreas Wagner neben seiner Fleischerei auch ein Catering, beliefert Kitas und Grundschulen in der Umgebung und liefert Essen auf Rädern aus. 27 Mitarbeiter hat der Betrieb, allein bis zu sieben stehen täglich in der Küche, seiner "Handwerksküche", wie der Chef das gerne sagt. Aber das Küchenhandwerk wird immer teurer.

Wie in allen Branchen sind die Kosten für den Speiseservice seit dem vorigen Jahr exorbitant gestiegen. Und steigen weiter: Energie, Lohnkosten, Rohstoffe. Wie soll ein Betrieb das stemmen? "Natürlich müssen wir die Kosten mit den Einnahmen decken, das ist doch logisch, sonst könnten wir zumachen", sagt Wagner. Ihn ärgert der große Aufschrei, der gerade durchs Land geht: Das Essen in Schulen und Kitas wird teurer! Auch bei Andreas Wagner ist es teurer geworden.

Andreas Wagner betreibt in seiner Naturparkfleischerei in Mittelherwigsdorf auch einen Speiseservice.
Andreas Wagner betreibt in seiner Naturparkfleischerei in Mittelherwigsdorf auch einen Speiseservice. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Der Fleischermeister hatte seine Preise schon am Jahresanfang angepasst: Ein Essen in der Kita kostet jetzt nicht mehr 2,60 Euro wie in den vergangenen drei Jahren, sondern 3,05 Euro, ein Essen für Grundschüler statt bisher 2,90 Euro nun 3,35 Euro. Bei den Preisen liegt Wagner im Vergleich mit anderen Anbietern im Mittelfeld. So kostet beispielsweise das Essen für Hortkinder aus der Löbauer Awo-Küche zwischen 3,00 und 3,15 Euro, das für Grundschüler aus dem Zittauer Sport- und Freizeitzentrum ab September 3,70 Euro.

Wie lange Andreas Wagner seine Preise vom Jahresanfang halten kann, müsse sich zeigen, sagt er. Aber eigentlich würde der 46-Jährige die Frage, was ein Schulessen jetzt kostet, lieber anders stellen: Andreas Wagner würde fragen: "Was ist uns denn ein gutes Schulessen wert?" Diese Frage nämlich, sagt er, die käme zu kurz in den Preisdiskussionen.

Billiger als die Bratwurst auf dem Jacobimarkt

3,35 Euro für ein frisch gekochtes, wertvolles Mittagessen: Unter den Eltern und in den Einrichtungen, die Wagner beliefert, hatte das für Unmut gesorgt, weiß der Caterer. Aber diskutiert denn auch jemand über 3,50 Euro für die Bratwurst auf dem Jacobimarkt? Das Grundproblem liege seiner Meinung nach nicht beim Essenanbieter, sagt Andreas Wagner. "Das Problem ist, dass das Essen bei uns viel zu wenig wertgeschätzt wird." Das Essen in Schulen und Kitas wird ausgeschrieben. Den Zuschlag bekommt in der Regel der preiswerteste Anbieter. "Da muten Eltern ihren Kindern wirklich lieber zu, dass das Essen als Tiefkühlware mit dem Lkw kommt und nur noch aufgewärmt werden muss?" Andreas Wagner, selbst Vater von zwei Kindern, lässt die Frage im Raum stehen.

Dabei ist doch gerade für Kinder und Jugendliche ein reichhaltiges, gesundes und leckeres Mittagessen eine wichtige Mahlzeit, eigentlich die wichtigste am Tag. Noch dazu, wenn die Kinder erst irgendwann am Nachmittag nach Hause kommen. Oder wenn es - wie für viele - die einzige warme Mahlzeit am Tag ist. "Ich sehe dieses Essen auch als eine soziale Verantwortung", sagt Wagner. Aber er fürchtet, dass Eltern in der Konsequenz ihre Kinder lieber vom Essen abmelden, wenn es ihnen zu teuer ist.

  • Sie wollen wissen, was heute in Ihrer Region passiert ist, welche Nachrichten gerade wichtig sind und was für Themen aktuell die Nachbarn und Kollegen bewegen: Die Themen des Tages in der kostenlosen Übersicht. Wer diese jeden Werktag um 19 Uhr per E-Mail empfangen will, der meldet sich für den Newsletter "Löbau-Zittau – kompakt" kostenlos an. Ob PC, Smartphone oder Tablet – das Design passt sich Ihrem Bildschirm an. (SZ)

Andreas Wagner sieht an diesem Punkt die Politik in der Pflicht: "Das gemeinsame Essen in der Kita und der Schule gehört für mich auch zur Bildung", sagt er. "Müsste und könnte das Essen nicht - wie die Bildung - für alle Kinder kostenlos sein? Darüber sollten wir doch diskutieren." Dann gäbe es die Diskussion um die Preise nicht in dem Maße, in dem sie gerade geführt wird, ist er überzeugt. So aber treffe es wieder vor allem die Eltern aus den unteren Einkommensgruppen und gerade auch diejenigen Kinder, für die das warme Mittagessen in der Einrichtung ganz besonders wichtig ist.

Zum Gemüseeintopf morgen gibt's Vanillepudding. Den wird Marion Neumann morgen früh in der Küche kochen wie früher die Oma: nicht mit Fertigpulver, sondern mit Stärke und echter Vanille. Dann werden sich manche vielleicht wieder wundern, warum Wagners Vanillepudding nicht gelb ist. Auch das ist Überzeugungsarbeit, die der Fleischermeister immer wieder mal leisten muss.