SZ + Zittau
Merken

Löbau-Zittau: So funktioniert es jetzt auch ohne Hautarzt

Wie eine große ärztliche Versorgungslücke in der Oberlausitz geschlossen wird, ist deutschlandweit einmalig. Dafür reist am Freitag sogar Sachsens Sozialministerin aufs Dorf.

Von Jana Ulbrich
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) bringt eine gute Nachricht in die Oberlausitz. Der Oderwitzer Hausarzt Dr. Gottfried Hanzl hat lange darauf gewartet.
Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) bringt eine gute Nachricht in die Oberlausitz. Der Oderwitzer Hausarzt Dr. Gottfried Hanzl hat lange darauf gewartet. © Rafael Sampedro

Dr. Gottfried Hanzl hat hohen Besuch an diesem Freitagnachmittag in seiner Landarztpraxis in Oderwitz. Sachsens Sozialministerin war noch nie in diesem Dorf bei Zittau. Aber Petra Köpping will dem Hausarzt, der einfach nicht lockerlässt, die gute Nachricht gerne selbst überbringen: Es ist endlich alles geregelt. Das "dermatologische Telekonsil", das der Allgemeinmediziner aus Oderwitz gemeinsam mit Hautarzt Ivo Hohlfeld aus Leipzig initiiert hat, startet jetzt im Raum Löbau-Zittau als deutschlandweit einmaliges Pilotprojekt.

Entstanden ist es vor einem Jahr aus der Not heraus: Die Region Löbau-Zittau hat seit mehr als anderthalb Jahren keinen einzigen Hautarzt mehr. Vier Praxen stehen leer. Nachfolger sind schwer zu gewinnen. Aber irgendwie müssen die Patienten mit Hautproblemen doch versorgt werden, sagte sich Dr. Hanzl. Der umtriebige Landarzt, der auch mit 74 Jahren noch praktiziert, fand die Lösung schon vor einem Jahr bei einer Weiterbildung, auf der er Dr. Ivo Hohlfeld traf. Der Dermatologe stellte seine Idee vor, wie Haus- und Hautärzte künftig zusammenarbeiten können - per Telemedizin nämlich.

Seitdem scannen und fotografieren Dr. Hanzl und die Mitarbeiter seines Praxisteams mithilfe einer mikroskopischen Lupe und eines Tablets auffällige Hautstellen der Patienten. Die Bilder senden sie direkt an Dr. Hohlfeld und seine Kollegen, die ganz ortsunabhängig arbeiten. Die Fachärzte beurteilen die Bilder und schicken eine ausführliche Diagnose samt Therapieempfehlung zurück. So kann der Hausarzt den Patienten je nach Schwere der Erkrankung selbst weiterbehandeln oder an Fachärzte in den umliegenden Regionen überweisen. Das dauert nicht länger als sieben Tage, in dringenden Fällen keine 24 Stunden.

"Eine großartige Sache", findet Petra Köpping. Die Ministerin sieht in dieser neuen digitalen Zusammenarbeit von Haus- und Fachärzten eine gute Lösung für den ländlichen Raum, in dem es immer schwieriger wird, die ärztliche Versorgung abzusichern. In Sachsen sind inzwischen über 400 Arztpraxen nicht besetzt, weiß Köpping. "Digitale Projekte wie dieses sind keine Ersatzlösung", sagt sie, "die sind die Zukunft."

Der Hausarzt scannt und fotografiert mithilfe einer mikroskopischen Lupe und eines Tablets auffällige Hautstellen der Patienten und schickt die Bilder direkt an ortsunabhängig tätige Dermatologen. Spätestens nach sieben Tagen, In dringenden Fällen noch am
Der Hausarzt scannt und fotografiert mithilfe einer mikroskopischen Lupe und eines Tablets auffällige Hautstellen der Patienten und schickt die Bilder direkt an ortsunabhängig tätige Dermatologen. Spätestens nach sieben Tagen, In dringenden Fällen noch am © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Bisher aber wurde Hanzls Zusammenarbeit mit den Dermatologen um Ivo Hohlfeld von den Kassen nicht anerkannt. Die Patienten mussten die Behandlung wie eine Privatleistung selbst bezahlen. Auch weitere Ärzte für das Projekt zu gewinnen, scheiterte an den Kosten für die Technik.

Ein Jahr hat es gedauert, bis sich die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Sachsen mit den Kassen einigen und alle bürokratischen Hürden beseitigt werden konnten. Ab sofort ist Dr. Gottfried Hanzl kein Einzelkämpfer mehr: Am Freitag ist das Projekt für die ganze Region Löbau-Zittau offiziell gestartet.

31 Hausärzte in 22 Praxen machen bereits mit, freut sich KV-Vorstandsvorsitzender Dr. Klaus Heckemann. Die KV hat sie bereits mit der entsprechenden Technik ausgestattet. Als Ansprechpartner stehen den Allgemeinmedizinern Fachärzte aus acht dermatologischen Praxen zur Verfügung. Schon in den ersten Tagen seien auf diese Weise 60 Befunde erstellt worden, sagt Dr. Hohlfeld. Weitere Teilnehmer an dem Projekt werden gesucht.

"Bisher ist es einmalig in ganz Deutschland", sagt Gottfried Hanzl. "Aber wir haben hier etwas entwickelt, das überall im ländlichen Raum funktioniert." Und der Hausarzt, dessen Praxis in Oderwitz auch akademische Lehrpraxis ist, denkt schon wieder weiter: "Was wäre zum Beispiel mit Tele-Rheuma?", fragt er. Es gibt ja auch nicht genügend Rheumatologen im Raum Löbau-Zittau.

Suche nach Dermatologen für die Region läuft weiter

Die Telemedizin werde auf dem Land künftig eine immer größere Rolle spielen, ist der Hausarzt überzeugt. Mit dem Dematologie-Projekt könne jetzt der Facharzt-Mangel in dieser Region ohne Qualitätsverlust kompensiert werden.

Unabhängig davon werde aber weiterhin alles versucht, um auch in der Region Löbau-Zittau wieder einen oder mehrere Hautärzte anzusiedeln. Um ihnen den Weg in eine Praxis zu erleichtern, will die KV nun eine eigene Praxis gründen, in der Dermatologen als angestellte Ärzte arbeiten können - auf Wunsch auch in Teilzeit oder nur tageweise. Die KV hofft auf diese Art Mediziner zu finden, die nicht selbst das Risiko einer Praxisgründung tragen wollen.