Der 24. April ist im Leben von Gisela und Lothar Fleischmann das wichtigste Datum überhaupt. Vor 70 Jahren haben sich die Leutersdorferin und der Spitzkunnersdorfer das Ja-Wort gegeben. Jetzt steht ein Jubiläum an, das nur die Wenigsten erreichen: Gnadenhochzeit. Noch immer schauen sich die beiden ein bisschen verträumt in die Augen: so eine lange Zeit. Sie sind froh, dass sie all die Jahre gemeinsam durchs Leben gegangen sind.
Gefunkt hat es beim Tanzen - damals im "Stadt Zittau", dem heutigen "Wilden Hirsch". "Sie hatte erst einen anderen", erinnert sich Lothar Fleischmann. Aber er sei hartnäckig geblieben. "Sie hat mir von Anfang an gefallen", lacht er und gibt zu, dass er als damals 17-Jähriger fast jede Woche zum Schwof irgendwo im Oberland war und dabei Ausschau nach einer passenden Partnerin hielt. "Als ich sie im Arm hatte, war für mich klar: Eine solche Frau darfst du nicht mehr loslassen." Bei diesen Worten wirft die inzwischen 88-jährige Auserwählte ihrem gleichaltrigen Mann einen vielsagenden Blick zu, der wohl bedeuten soll: Alles richtig gemacht, Schatz. Wir gehören zusammen.
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Mit 17 der erste Flirt, mit 18 schon vor dem Traualtar. Das ging damals richtig schnell. "Wir hatten uns das ursprünglich ein bisschen anders vorgestellt. Aber unsere Eltern drängten darauf", erzählt Gisela Fleischmann. Der Grund dafür lag in ihrem zunehmend fülliger werdenden Bauch: Tochter Rita kündigte sich an. "Und ein Baby ohne zuvor geheiratet zu haben - das schickte sich damals nicht." So feierte das Paar 1954 ein spartanisches, trotzdem aber auch rauschendes Fest: Am Vormittag ging es zum Standesamt, am Nachmittag in die Kirche. Beim Fest im Niederkretscham waren es dann rund 30 Gäste. Die Schwierigkeit dabei: "Um etwas Ordentliches auf die Teller zu bekommen, mussten wir noch Fleischmarken abgeben. Die Versorgungslage in der Nachkriegszeit war einfach zu schlecht." Genau drei Monate später kam das erste Baby zur Welt.
Seine Wohnung richtete sich das Paar in einem Leutersdorfer Umgebindehaus ein. "In ärmlichen Verhältnissen", erinnern sie sich noch heute. Aber Lothar Fleischmann war handwerklich begabt und baute, wie es seine Zeit und der Geldbeutel hergaben. Bis 1974 die Katastrophe kam. "Ein Blitz schlug ein und setzte das Gebäude in Brand. Danach mussten wir raus. Erst ein Jahr später, pünktlich zum 40. Geburtstag meiner Frau, konnten wir wieder nach Hause."
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Beide Eheleute waren bei Lautex, dem größten Textilbetrieb der Region, angestellt. Lothar als Kraftfahrer, Gisela als Prüferin in Heimarbeit. 1959 kam Sohn Andreas auf die Welt, 1965 folgte die zweite Tochter Steffi. "Es war eine schöne Kindheit", sagen sie. Rita und Andreas konnten bei der Mutter bleiben, Steffi wurde später in den Kindergarten geschickt. Inzwischen ist die Familie noch größer geworden: Sieben Enkel und vier Urenkel gehören nun dazu.
Viel ist in den vergangenen 70 Jahren passiert, einige Begebenheiten sind hängengeblieben. Zum Beispiel die gemeinsamen Urlaube mit dem eigenen Fahrzeug. "Wir hatten uns für einen Trabi angemeldet. Den sollten wir 1968 kriegen. 1964 hörten wir, dass aus sowjetischer Produktion auch ein Saporoshez zu haben war. Da entschieden wir uns um - und hatten unser Auto plötzlich vier Jahre eher", erzählt Lothar Fleischmann.
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Schön und immer voller Erlebnisse seien die Unternehmungen mit drei befreundeten Paaren gewesen. Ob Spiele- oder Tanzabende: "Wir waren immer in Bewegung, sind nie versauert", erinnern sich Fleischmanns. Noch im fortgeschrittenen Alter habe man gemeinsame Busfahrten gemacht. Ein "Schlag ins Kontor" sei dagegen die Tragödie um den ältesten Enkel gewesen: Seit einem Arbeitsunfall ist er querschnittsgelähmt und musste sich in seinem Leben völlig neu orientieren.
Er wie auch die anderen Mitglieder der Familie werden die Gnadenhochzeit nun zusammen mit Gisela und Lothar Fleischmann feiern. "Es sind 22 Personen - wir möchten noch einmal alle bei uns haben", freut sich das Paar auf diesen besonderen Moment. Gefeiert wird in einem Gasthaus ganz in der Nähe. Musik gibt's jedoch keine. "Ich würde schon noch ganz gerne das Tanzbein schwingen", sinniert der 88-Jährige. "Aber leider machen die Knochen nicht mehr mit."
Auch für die Zeit nach dem Jubiläum haben die beiden Leutersdorfer jede Menge vor. Sie will sich weiter um ihre geliebten Blumen kümmern, er um das 2.000 Quadratmeter große Grundstück. Zugleich hackt er leidenschaftlich gern Holz. Schon jetzt gibt es große Vorräte. Die nächste Eiszeit könnte im Hause Fleischmann also kommen. Ein weiteres Ziel ist nicht mehr fern: "Wir wollen 90 werden", sagt das Paar. Gemeinsam, sind sie überzeugt, schaffen sie das.