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Zu Hause in einer Windmühle - mit runden Zimmern

Vom Minihaus bis zum Schloss - wie ungewöhnlich einige Menschen in Löbau/Zittau wohnen, zeigt eine SZ-Serie. In Oderwitz fühlt sich eine Familie Fischer in einer Turmwindmühle wohl.

Von Frank-Uwe Michel
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Katrin und Daniel Fischer mit den beiden Söhnen Franz und Justus sind glücklich in ihrer Turm-Wohnung mit den ausschließlich runden Wänden.
Katrin und Daniel Fischer mit den beiden Söhnen Franz und Justus sind glücklich in ihrer Turm-Wohnung mit den ausschließlich runden Wänden. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Von außen imposant, innen total gemütlich - es gibt vieles, was zu erzählen ist. Doch wo anfangen, wo aufhören? Daniel Fischer lächelt. Am liebsten möchte er alles auf einmal loswerden. Denn das, was er, seine Familie und viele Freunde aus der historischen Turmwindmühle im Oderwitzer Turmweg gemacht haben, ist allemal berichtenswert.

1850 errichtete Benjamin Traugott Wünsche das Gemäuer, in dem bis etwa 1900 Getreide geschrotet wurde. Doch richtig einträglich scheint das Geschäft nicht gewesen zu sein. Um 1900 wurde der Betrieb eingestellt, der Mühlenturm fortan zu Wohnzwecken genutzt. Bis in die Mitte der 1980er Jahre. Danach stand das historische Gemäuer etwa ein Jahrzehnt leer. "Die Eltern meiner Tante haben hier mal drin gewohnt", erinnert sich Katrin Fischer. Sie wuchs mit und an dem ungewöhnlichen Gebäude auf. "Als Jugendliche habe ich immer gesagt: Es wäre toll, hier irgendwann mal zu leben."

Da sich das Gelände in Familienbesitz befand, konnte der Traum langsam reifen und schließlich Gestalt annehmen. "Ich weiß noch, wie mein Vater in den Jahren nach der Wende begonnen hat, den Putz abzuhacken", erzählt die 48-Jährige. "Das Ziel war, den Turm wieder bewohnbar zu machen. Man war ja glücklich, etwas Eigenes zu haben."

Die ehemalige Turmwindmühle im Turmweg ist Teil des Oderwitzer Mühlenpfades. Familie Fischer hat sich in dem ungewöhnlichen Gemäuer ein ganz besonderes Zuhause geschaffen.
Die ehemalige Turmwindmühle im Turmweg ist Teil des Oderwitzer Mühlenpfades. Familie Fischer hat sich in dem ungewöhnlichen Gemäuer ein ganz besonderes Zuhause geschaffen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Im Erdgeschoss wohnen, darüber schlafen - für Katrin und Daniel Fischer reichte es. Auch mit Franz, dem ersten, 2003 geborenen Sohn, musste es noch gehen. Als der zweite, Justus, 2007 das Licht der Welt erblickte, wurde es allmählich eng. Aber da war Abhilfe schon auf dem Weg. "Wir hatten natürlich überlegt, was wir machen wollen. Ganz wegziehen vielleicht - das kam für uns nicht infrage." Vielmehr kreisten die Gedanken der beiden um eine Erweiterung der historischen Turmwindmühle. "Wir hätten knapp daneben ein separates Gebäude hinsetzen und es mit dem alten Gemäuer verbinden können", schildert Daniel Fischer eine der möglichen Varianten. Die Wahl fiel dann auf einen direkten Anbau - nicht eckig, sondern rund. Und damit passend zu dem Turm, der dem Vorhaben als Basis diente.

Damit war des Ungewöhnlichen aber noch nicht genug. Denn weil Katrin Fischer äußerst naturverbunden ist, wollte sie nicht wie herkömmlich mit Beton und Steinen bauen. Sie überzeugte ihren Mann, eine bisher nur wenig verbreitete Bauweise zu wählen. Den sogenannten Strohballenbau. "Ein Bekannter in Mittelherwigsdorf hat mir das an seinem Haus gezeigt. Außerdem habe ich eine Woche lang an einem Workshop teilgenommen", so Daniel Fischer. "Da wurde uns gezeigt, worauf es ankommt bei diesem ökologischen Bauen."

Bereut haben es die Fischers nicht, ihren Mühlenturm auf diese außergewöhnliche Weise erweitert zu haben. Allein die Bauphase war ungemein spannend. "Alles Neuland", erinnert sich der 49-Jährige. "Natürlich mussten wir am Anfang auch Lehrgeld zahlen." So hatte Fischer die ersten Strohballen mit einer noch aus DDR-Zeiten stammenden Presse verdichten lassen: Für Wände nicht geeignet, urteilten die Experten vom Strohballenfachverband. Nur zum Dämmen fürs Dach. Für die Qualität, lernte der Oderwitzer, ist der Pressdruck entscheidend. Glücklicherweise fand sich ein Bekannter mit einer leistungsfähigeren Presse.

Kaum zu glauben, aber wahr: Das Innere der Wände von Familie Fischers Mühlen-Anbau besteht aus Stroh. Ein natürlicher Baustoff mit Vorteilen.
Kaum zu glauben, aber wahr: Das Innere der Wände von Familie Fischers Mühlen-Anbau besteht aus Stroh. Ein natürlicher Baustoff mit Vorteilen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Im Erdgeschoss des ehemaligen Mühlenturms wohnte früher der Müller. Jetzt hat es sich hier Familie Fischer behaglich eingerichtet.
Im Erdgeschoss des ehemaligen Mühlenturms wohnte früher der Müller. Jetzt hat es sich hier Familie Fischer behaglich eingerichtet. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Das Äußere des Mühlenturms besteht aus meterdicken Wänden - gut fürs Wohnklima: Im Sommer bleibt die Hitze draußen, im Winter die Wärme drin.
Das Äußere des Mühlenturms besteht aus meterdicken Wänden - gut fürs Wohnklima: Im Sommer bleibt die Hitze draußen, im Winter die Wärme drin. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Noch heute ist die Treppe im Mühlenturm eng und steil. Da lässt sich durch die vorgegebene historische Architektur nicht viel verändern.
Noch heute ist die Treppe im Mühlenturm eng und steil. Da lässt sich durch die vorgegebene historische Architektur nicht viel verändern. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Fast alle Wände sind rund im Zuhause der Familie Fischer - im alten Mühlenturm sowieso, aber auch im Anbau.
Fast alle Wände sind rund im Zuhause der Familie Fischer - im alten Mühlenturm sowieso, aber auch im Anbau. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Im Frühjahr 2007 - Justus kündigte seine Geburt schon mit allem Nachdruck an - gelang der entscheidende Durchbruch: Die aus Fachwerk bestehende Holzkonstruktion für den Anbau stand, das Dach war drauf. Somit konnten die Strohballen kommen. "Die haben wir von den Äckern rund um Oderwitz geholt", erzählt Daniel Fischer. "Das Stroh wurde dort gleich fertig gepresst und dann auf die Baustelle gefahren. Alles musste unters Dach, denn es durfte ja nichts nass werden." Dies hätte bedeutet: Schimmelgefahr. "Aber da haben wir bis heute keine Probleme."

Rund 300, je 70 x 35 x 35 Zentimeter große Strohballen wurden in die runden Wände verbaut. Darüber kam eine mehrere Zentimeter dicke Schicht aus Lehm und Kalkputz. Beim Erzählen muss Fischer unweigerlich lachen: "Das klappte natürlich nicht gleich so wie es sollte. Es gab Tage, an denen fiel das Lehm-Stroh-Gemisch wieder runter. Da habe ich schon ordentlich geflucht. Aber was will man machen - es ist eben noch kein Meister vom Himmel gefallen." Die verschiedenen Schichten miteinander mechanisch verbinden, feucht halten und nicht zu schnell trocknen lassen. "Strohballenbau ist eine Kunst", lächelt der Oderwitzer und blickt die runde Wand im riesigen Wohnzimmer, das mit einer Küche kombiniert ist, entlang.

Apropos rund. "Uns war schon bewusst, dass es mit der Einrichtung einige Schwierigkeiten geben könnte", erklärt Katrin Fischer. Eine lange, gerade Anbaubauwand - für das erweiterte Windmühlen-Ensemble eher ungeeignet. Kleine, kurze Möbel mussten her. Sie sorgen für Auflockerung, beugen dem sonst üblichen Einerlei in den Zimmern vor. So ist der Wohn-Ess-Bereich im Erdgeschoss genauso abwechslungsreich eingerichtet wie die beiden Kinderzimmer und das Schlafzimmer der Eltern darüber. Der alte Turm ist nun Rückzugsort - mit dem ihm eigenen, ganz besonderen Flair.