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Gema-Gebühren explodieren: Weihnachtsmärkte zwischen Zittau und Niesky in Gefahr?

Die Gema hat die Preise für Musik auf kommunalen Märkten drastisch erhöht. Bis zu 800 Prozent Steigerung drohen. Die Veranstalter zwischen Zittau und Niesky reagieren ganz unterschiedlich darauf.

Von Frank-Uwe Michel
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Die Gema hat die Gebühren für Musik bei kommunalen Märkten drastisch erhöht. Sind im Landkreis Görlitz dadurch Weihnachtsmärkte - wie der in Zittau - gefährdet?
Die Gema hat die Gebühren für Musik bei kommunalen Märkten drastisch erhöht. Sind im Landkreis Görlitz dadurch Weihnachtsmärkte - wie der in Zittau - gefährdet? © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Glühwein trinken, Lebkuchen knuspern, Zuckerwatte schlecken und dabei noch Weihnachtsmusik aus dem Lautsprecher oder von einer Live-Band auf der Bühne hören - das könnte in diesem und den Folgejahren schwierig werden. Das lukullische Vergnügen dürfte bleiben. Aber die Musik? Der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) hat in zwei Schreiben Anfang August und Ende September seine Mitgliedskommunen darüber informiert, dass die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte - kurz: Gema - die Gebühren für kommunale Märkte im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit vervielfacht hat. Auch die beliebten Weihnachtsmärkte gehören dazu.

Für den SSG ist das eine Katastrophe. "Aus kommunaler Sicht sind die überraschenden Veränderungen bei der Anwendung der Gema-Tarife nicht nachvollziehbar", erklärt Hauptreferentin Cornelia Leser. "Sie führen nicht nur zu einer erheblichen Verteuerung der musikalischen Umrahmung städtischer Märkte, sondern gefährden diese im Bestand." Falk Gruber, Grundsatzreferent beim SSG in Dresden, untermauert das: "Es sind Einzelfälle bekannt geworden, wonach die Gema-Kosten bei Weihnachtsmärkten von 2019 bis 2022 um 800 Prozent gestiegen sind." Bereits eine Verdoppelung halte man für "nicht leistbar".

Zittau ist eine jener Kommunen, die schon im vergangenen Jahr eine exorbitant höhere Gebühr bezahlen sollten. 2019 kassierte die Gema für die Musik auf dem Weihnachtsmarkt 715 Euro ein. 2022 stellte der Rechteverwerter eine Rechnung über 4.620 Euro aus. Das wäre eine Steigerung auf 646 Prozent gewesen. "Daraufhin hat das Kulturreferat einen Antrag auf Angemessenheitsprüfung bei der Gema gestellt", berichtet Stadtsprecher Kai Grebasch. Diesem sei stattgegeben worden. Die geänderte Rechnung belief sich dann auf 1.540 Euro - immer noch 215 Prozent des Ausgangswertes von 2019.

Und 2023? Was auf die Kommunen zukommt, weiß man nirgendwo. In Löbau wird nach dem Bestücken des im Internet eingestellten Gema-Tarifrechners mit den aktuellen Daten laut Stadtsprecherin Eva Mentele mit einer Steigerung von etwa 29 Prozent gerechnet. In Zittau ist eine Vorabberechnung wegen der noch laufenden Programmplanungen derzeit nicht möglich. Rothenburg, wo der Weihnachtsmarkt schon seit Jahren von einem Privatmann auf die Beine gestellt wird, hält sich ganz raus. Organisator Udo Hübner will zur Gema keinen Kommentar abgeben. Bürgermeister Philipp Eichler merkt nur an, dass man mit solchen Steigerungen mehr kaputt mache, als sie Sinn ergeben.

Musik gehört beim Christkindelmarkt traditionell dazu. Um Gema-Gebühren zu sparen, könnte deren Zusammensetzung künftig jedoch eine andere sein.
Musik gehört beim Christkindelmarkt traditionell dazu. Um Gema-Gebühren zu sparen, könnte deren Zusammensetzung künftig jedoch eine andere sein. © André Schulze

Bedeckt hält sich auch die Kultur-Service-Gesellschaft in Görlitz, die in der Neißestadt im Auftrag der Stadt den Christkindelmarkt organisiert. Prokurist Gerd Weise weist lediglich darauf hin, dass immer dann gezahlt werden muss, wenn Musik live oder aus der Konserve gespielt wird. Das betreffe nicht nur den Christkindelmarkt, sondern auch das Altstadtfest, den Schlesischen Tippelmarkt und in der Weihnachtszeit überdies die Eislaufbahn. Aber: Eine Erhöhung sei nicht gerechtfertigt, teilt er mit.

Auch in Herrnhut ist es schwierig, konkret zu werden. Bürgermeister Willem Riecke geht laut dem Gema-Online-Rechner von einer Steigerung von rund 130 Euro gegenüber dem Vorjahr und einem Netto-Preis von 1.167 Euro aus. Weil aber heute noch nicht klar sei, wie groß der Markt tatsächlich werde, könnten die Zahlen auch noch schwanken.

Die Gema selbst gibt zu, "dass es in den letzten Wochen vereinzelt zu Reklamationen aufgrund signifikant gestiegener Lizenzkosten bei Weihnachtsmärkten mit großen Veranstaltungsflächen kam, die nach dem Tarif Stadtfeste lizenziert wurden." Direktorin Ursula Goebel schickt die Erklärung gleich hinterher: In der Vergangenheit habe man auf Basis der von den Kommunen gemeldeten Nutzungsflächen lizenziert. "Wir haben uns auf korrekte Angaben verlassen und weitgehend keine Prüfung vorgenommen." Einige Veranstalter hätten jedoch nur den direkten Bühnenbereich gemeldet, "so dass wir hier verstärkt nachgefragt und nachgemessen haben." Mit Tools wie "Planimeter" und "Google Maps", erläutert Goebel. Dabei hätten sich "deutliche Diskrepanzen" ergeben, die nun bei der Berechnung der Gebührenhöhe berücksichtigt würden. Gleichzeitig räumt sie ein: "Dies hätten wir umfassend kommunizieren müssen. Das ist nicht im gewohnten Maße erfolgt - und das bedauern wir."

Kommunen wie die Stadt Zittau setzen bei den Verhandlungen mit der Gema, die weltweit die Urheberrechte von etwa 90.000 Musikschaffenden vertritt, voll auf den Städte- und Gemeindetag. "Wir sind sehr froh, dass der SSG sich dieser Thematik angenommen hat", so Sprecher Kai Grebasch. Dies liegt darin begründet, dass der Deutsche Städtetag als Dachverband Mitglied in der Bundesvereinigung der Musikveranstalter (BVMV) ist, mit der die Gema - wie mit anderen Branchenverbänden auch - über den infrage kommenden Tarif für Stadtfeste verhandelt. Die letzte Einigung datiert aus dem Jahr 2018. Inflationsbedingt, heißt es, seien Tarifanpassungen möglich, die jedoch in Größenordnungen bis zu 5 Prozent lägen.

Musik, egal ob live gespielt oder aus der Konserve, wird bei den Lizenzkosten der Gema berücksichtigt. Nur jene Stücke nicht, deren Urheber bereits seit 70 Jahren verstorben sind.
Musik, egal ob live gespielt oder aus der Konserve, wird bei den Lizenzkosten der Gema berücksichtigt. Nur jene Stücke nicht, deren Urheber bereits seit 70 Jahren verstorben sind. © Archiv/Matthias Weber

Aktuell laufen Gespräche zwischen der Gema und dem Deutschen Städtetag. Erst nach deren Abschluss könnten Empfehlungen für die Kommunen ausgesprochen werden, erläutert Falk Gruber. Ziel sei es, die Gebührenforderungen "auf ein akzeptables Maß" abzusenken. Manche Kommunen, so der Referent des SSG, würden vor diesem Hintergrund bereits überlegen, gänzlich auf die musikalische Untermalung der Weihnachtsmärkte zu verzichten oder nur noch sogenannte "gemeinfreie Musik" zu verwenden. Das sind Stücke, deren Urheber bereits seit 70 Jahren verstorben sind. Gema-Direktorin Ursula Goebel schränkt allerdings ein: "Es gibt auch von den zahlreichen traditionellen Weihnachtsliedern neu bearbeitete Fassungen, die dann urheberrechtlich geschützt sind und damit in die Lizenzierung fallen."

Nach SZ-Recherchen gibt es derzeit keine Anzeichen dafür, dass Weihnachtsmärkte im Landkreis Görlitz aufgrund der explodierenden Gema-Gebühren ausfallen. Die Kommunen stellen sich jedoch unterschiedlich auf die veränderte Situation ein. Während Löbau, Herrnhut, Rothenburg und Niesky vorerst keine Veränderungen planen und sich Görlitz nicht in die Karten schauen lässt, hat Zittau bereits Schlüsse aus der 2022er Rechnung gezogen. Dies habe unter anderem dazu geführt, erklärt Kai Grebasch, "dass wir bei der Programmplanung versuchen, weihnachtliche Beiträge von Schulen und Kitas auf einen Nachmittag in der Woche zu konzentrieren."

Die Gema selbst bietet in Not geratenen Veranstaltern Folgendes an: Sollte jemand überzeugt sein, dass die Veranstaltungsfläche als Berechnungsgrundlage unangemessen ist, kann nach Prüfung durch die Gema stattdessen die Gesamtzahl der Besucher herangezogen werden. Wenn die Kommunen außerdem Mitglied im Deutschen Städtetag sind - was in der Regel der Fall ist - wird ihnen ein Nachlass eingeräumt. Dieser liegt momentan bei 20 Prozent.