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Update Zittau
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"Eine Kommune kann nicht in die Insolvenz rutschen"

Die Fraktionen der Linken und FFF widersprechen im Streit um den Zittauer Haushalt dem OB - und zeigen eine Lösung des Problems auf.

Von Thomas Mielke
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Die Fraktionsvorsitzenden Thomas Kurze (FFF) und Jens Hentschel-Thöricht, (Linke) vor dem Zittauer Rathaus.
Die Fraktionsvorsitzenden Thomas Kurze (FFF) und Jens Hentschel-Thöricht, (Linke) vor dem Zittauer Rathaus. © Matthias Weber/privat/SZ-Montage

Nur einen einzigen Punkt hat der Zittauer Stadtrat am Donnerstag während seiner Sondersitzung auf der Tagesordnung: der umstrittene Haushalt. Nachdem Oberbürgermeister Thomas Zenker (Zkm) die Lage im SZ-Interview erläutert hat, reagiert nun auf Bitten der SZ Jens Hentschel-Thöricht, Fraktionsvorsitzender der Linken sowie Thomas Kurze, Fraktionsvorsitzender von FFF, die gemeinsam mit AfD den Haushalt abgelehnt haben. Die AfD wollte sich auf die SZ-Anfrage nicht äußern.

Warum Linke und FFF den Beitrittsbeschluss zum Haushalt abgelehnt haben

Hentschel-Thöricht: "Die Stadt Zittau konnte bereits im Jahr 2018 die Tilgung der langfristigen Kredite nicht mehr erwirtschaften, sie lebt sozusagen seit dieser Zeit über ihre Verhältnisse. Dies wurde von der Kommunalaufsicht – zu Recht – gerügt. Folgerichtig wurde seitens der Kommunalaufsicht die Auflage erteilt, ein Haushaltsstrukturkonzept (HSK) zu erstellen, also die städtischen Finanzen in Ordnung zu bringen. Das HSK fordert die Tilgung der Kassenkredite und das Schaffen eigener Liquidität bis Ende 2024. Dieser Forderung wird der aktuelle Haushalt nicht gerecht. Man lebt nach wie vor über die eigenen Verhältnisse. Dies soll und muss – auch im Interesse der Bürgerschaft – vermieden werden."

Thomas Kurze: "Den Beitrittsbeschluss habe ich abgelehnt, weil damit die Haushaltssatzung gültig wird. Ich habe aber bereits gegen diese Satzung gestimmt, weil damit Ausgaben legitimiert werden, die die finanzielle Leistungsfähigkeit unserer Stadt weit überfordern und außerdem unnötig sind. Konkret spreche ich dabei auch den Anbau Parkschule an. Wenn dieser Bau fertig ist, gehen nach aktueller Statistik die Schülerzahlen wieder zurück. Wie zum Beweis wurde in ihrer Zeitung kürzlich darauf hingewiesen, dass in kurzer Zeit im Kreis Görlitz 1000 Kita-Plätze unbesetzt bleiben werden, weil die Kinder fehlen. Mit zeitlicher Verzögerung wird das logischerweise dazu führen, dass dann weniger Kinder die Oberschulen besuchen. Dann werden auch dort Plätze frei bleiben bzw. wird sich die Situation entspannen."

Warum der Beschluss angeblich rechtswidrig ist

Hentschel-Thöricht: "Rechtswidrig ist der Beschluss, weil die strukturellen Haushaltsmängel nicht angegangen werden, sondern deren Lösung einfach in die Zukunft verschoben wird."

Thomas Kurze: "Die vorgelegte Haushaltssatzung ist nach Meinung der Kommunalaufsicht rechtswidrig, daher wurden wesentliche Teile der vorgesehenen Kreditaufnahme gestrichen."

Wie Linke und FFF die Einschränkungen für die Zittauer sehen

Hentschel-Thöricht: "Wir nehmen nicht sehenden Auges ein haushaltsloses Jahr in Kauf, sondern erwarten eine gesetzeskonforme, Fristen einhaltende und substantiell nachzuvollziehende, planbare Finanzplanung der Verwaltung. Dies ist in Verantwortung des Oberbürgermeisters sicherzustellen. Nicht das zweite haushaltslose Jahr bringt Einschränkungen für die Zittauer, sondern das Verabschieden des Haushaltes - mit einer zu hohen Verschuldung - in der jetzigen Form.

Der Zittauer Stadtrat hat eine Kontrollfunktion, dass mit den städtischen Mitteln mit Augenmaß umgegangen wird. Denn die Zittauer Bürger und Bürgerinnen zahlen letztlich mit ihren Steuern und Gebühren „die Zeche“. Vor dem Hintergrund allgemeiner Preissteigerungen, so zum Beispiel im Energiebereich gibt es derzeit für viele Menschen hohe Belastungen. Hinzu kommen mit deutlichen Auswirkungen für die kommunalen Finanzen die Preissteigerungen im Bausektor. Hier sieht sich der Stadtrat besonders in der Verantwortung, auf Mäßigung in der Ausgabenpolitik der Verwaltung hinzuweisen. Auch um weitere Steuer- und Gebührenerhöhungen, die alle Bürger und Bürgerinnen massiv belasten würden, zu vermeiden.

Eine schon jetzt durch den Beigeordneten des Landkreises Herrn Gampe skizzierte höhere Kreisumlage, welche vermutlich erhebliche Mehrlasten für die Stadt mit sich bringt, wurde unverständlicherweise nicht einmal vorsichtig in Ansatz gebracht.

Nicht zutreffend ist, dass die Stadt, wie von Herrn Oberbürgermeister Zenker befürchtet, nunmehr keinerlei Vereinstätigkeit oder Feste mehr unterstützen könne. Wir befinden uns aktuell, wie vor Ablehnung des Beschlussantrages zum Haushalt, in einer haushaltslosen Zeit, in der trotzdem Ausgaben durch Einzelbeschlüsse des Stadtrates getätigt werden können.

Auch der Verweis darauf, dass zu befürchten ist, dass die Banken Kredite fällig stellen und die Stadt in die Zahlungsunfähigkeit stürzen, entbehrt jeder Grundlage. Eine Kommune kann kraft Gesetz nicht in die Insolvenz rutschen, die ausgereichten Kredite sind für die Banken in jedem Fall in voller Höhe einbringlich."

Thomas Kurze: "Bei dieser Frage, wie auch in der gesamten Argumentation zu dieser Angelegenheit werden Ursache und Wirkung verwechselt.

Nach Paragraf 76 der Sächsischen Gemeindeordnung tritt die Haushaltssatzung mit Beginn des Haushaltsjahres in Kraft. Das bedeutet, die Satzung für 2021 hätte am Ende das Jahres 2020 beschlossen werden müssen, damit sie zu Beginn des Jahre 2021 in Kraft treten kann. Da aber der OB erst Ende 2021, also ein Jahr zu spät, dem Stadtrat den Haushaltsentwurf vorgelegt hat, ist es jetzt zu dieser angespannten Situation gekommen. Die Stadt hatte deshalb das gesamte Jahr 2021 eine vorläufige Haushaltsführung nach Paragraf 78 der Gemeindeordnung.

Zusammengefasst ist also festzustellen, dass die angekündigten Probleme bei der Haushaltsführung nicht durch die Ablehnung des Beitrittsbeschlusses entstanden sind, sondern durch die viel zu späte Vorlage des Haushaltsentwurfes durch den OB."

Wie Linke und FFF das Problem lösen wollen

Hentschel-Thöricht: "Das Problem kann nur durch ein konstruktives Miteinander gelöst werden. Anwürfe in der Presse sind kontraproduktiv und fördern kein gutes Miteinander. Selbstredend muss bei einer Lösung die Leistungsfähigkeit der Stadt oberstes Primat haben. „Wir verschließen uns keiner konstruktiven Diskussion zum Wohle unserer Stadt.“

Allerdings muss auch die Verwaltung ihre Hausaufgaben machen und prüfen, wie man die Schlüsselzuweisungen seitens des Freistaates durch Zuzug erhöhen kann, wie Ausgaben für die Verwaltung des städtischen Vermögens gesenkt werden können. Zu prüfen ist auch, welche Immobilien die Stadt in Erbpacht abgeben werden könne und wie sie sich damit Einnahmen sichern kann.

Die Probleme in Zittau sind seit 2015 sehr komplex geworden, hier wäre möglicherweise über personelle und organisatorische Veränderungen nachzudenken. Für spezielle Themen, wie die Struktur des Tourismus, der Zittauer Stadtentwicklungsgesellschaft, der Bewirtschaftung von Sportanlagen, Kultur und des Museums benötigt es eventuell externe Berater. Dieser Weg sollte gegangen werden.

Kurzfristig sollten aufgrund fehlender Finanzen die Eigenmittel für das geplante Landeserntedankfest wie auch das 'Spectaculum Citaviae' gestrichen und alternative Finanzquellen gefunden werden. Denn Feste können nur gefeiert werden, wenn man dafür auch das Geld (übrig) hat."

Thomas Kurze: "Ich kann mir vorstellen, dass es zu einer Mehrheit für den Beitrittsbeschluss kommt, wenn der OB endlich die Konsequenzen klar benennt, die sich aus dem Parkschulanbau für die Finanzen der Stadt ergeben.

Die Bürger haben entschieden diese Schule zu bauen. Dann soll man ihnen aber auch ehrlich sagen, welche negativen Folgen sich daraus ergeben, welche Straßen dann zum Beispiel 2023 nicht gebaut werden können.

Gerade dieses Beispiel der maroden Nebenstraßen in Zittau ist in Gesprächen von Bürgern mit mir häufig ein zentrales Thema. Dabei gilt auch nicht die Ausrede des OB im Stadtrat, dass es ein großer Aufwand wäre, die Objekte zu benennen, denn im nichtöffentlichen Verwaltungsausschuss ca. eine Stunde vor der Stadtratssitzung wurden bereits konkrete Beispiele genannt."

Hinweis: In einer vorherigen Version des Beitrags waren nur die Antworten der Linken zu lesen. Auch die FFF hat auf die Fragen reagiert, jedoch ist die E-Mail dazu zunächst verschwunden gewesen. Wir haben die Antworten nun nachgereicht.