SZ + Zittau
Merken

Lassen Bundespolizisten von Migranten weggeworfene Dokumente absichtlich liegen?

Ein Hirschfelder erzählt, dass ihm eine Bundespolizistin geraten haben soll, gefundene Dokumente von Migranten gleich selber zu entsorgen. Was die Bundespolizei dazu sagt.

Von Elke Schmidt
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Diese Dokumente von Migranten fand ein Hirschfelder in seinem Heimatort.
Diese Dokumente von Migranten fand ein Hirschfelder in seinem Heimatort. © privat

In den sozialen Netzwerken ist es ein heißes Thema. “Vergisst“ die Bundespolizei absichtlich, von Migranten weggeworfene Dokumente mitzunehmen? Das fragen sich derzeit etliche Oberlausitzer.

Auch ein Hirschfelder kann sich dieses Eindrucks nicht erwehren. Er schildert der SZ seine Beobachtungen, möchte aber namentlich nicht genannt werden: Es ist Freitag, der 13. Oktober. Wieder einmal werden in Hirschfelde Migranten durch die Bundespolizei aufgegriffen. Kurze Zeit später kommt der Hirschfelder an den Ort des Geschehens und bemerkt einen schwarzen Müllbeutel. Aus den sozialen Netzwerken weiß er, dass hier Migranten aufgegriffen wurden und geht davon aus, dass dieser Beutel von ihnen liegen gelassen wurde. Er nimmt ihn mit, denn ein ordentlicher und sauberer Heimatort ist ihm wichtig.

Im Beutel steckt Papier. Er stellt fest, dass es sich dabei um Dokumente von zwei verschiedenen Menschen handelt. Auch ein Führerschein ist dabei. Diese Papiere könnten von Migranten oder Schleusern stammen, vermutet der Mann. Er ruft bei der Bundespolizeidienststelle Rosenthal an und fragt, wie er sich nun verhalten soll. Der Beamte bittet ihn, die Papiere vorbeizubringen. Das tut der Hirschfelder am Abend desselben Tages und gibt die Papiere bei dem Polizisten ab, mit dem er telefoniert hat. Als er wieder draußen ist, passiert etwas, was er immer noch nicht recht glauben kann: Beim nächsten Mal solle er die Papiere doch bitte entsorgen, dann hätte die Polizei weniger Arbeit, habe eine der Beamtinnen zu ihm gesagt, schildert der Hirschfelder der SZ.

Solche Dokumente könnten wesentlich dazu beitragen, illegal eingereiste Menschen zu identifizieren und bei unberechtigter Einreise einfacher abzuschieben. Die Aussage der Beamtin bestätigt seine Ansicht, dass die Bundespolizei überhaupt kein Interesse an diesen Papieren hat, sagt der Hirschfelder. Auch andere Oberlausitzer würden in den sozialen Netzwerken von ähnlichen Funden berichten. Demnach würden Papiere öfter derart offensichtlich liegen gelassen, dass die Polizei sie hätte sehen beziehungsweise finden müssen. Warum werden die von den Beamten nicht mitgenommen? Steckt da eine Absicht oder gar eine Strategie dahinter?

Sehr häufig setzen Bundespolizisten bei ihren Ermittlungen zerrissene Schriftstücke wie ein Puzzle zusammen.
Sehr häufig setzen Bundespolizisten bei ihren Ermittlungen zerrissene Schriftstücke wie ein Puzzle zusammen. © Bundespolizei

Tatsache ist: Die Bundespolizei greift jeden Tag unerlaubt eingereiste Migranten auf, die zum Teil über die Balkanroute von der Türkei über die Slowakei und Tschechien eingeschleust werden. Das bestätigt Alfred Klaner von der Bundespolizeiinspektion Ebersbach. Oftmals erhielten die Migranten in Transitländern Registrierungsformulare oder Ausreiseaufforderungen, so der Pressesprecher auf SZ-Anfrage. Diese Dokumente oder auch Papiere aus den Heimatländern, die zum Teil mit einem Foto versehen sind, würden die Migranten oft wegwerfen, um ihre Reiseroute und Identität zu verschleiern. Das geschehe während illegaler Grenzübertritte entlang der polnischen und tschechischen Grenze, gelte jedoch nur für Migranten, niemals für Schleuser. Migranten rechnen sich dadurch höhere Chancen aus, in Deutschland bleiben zu dürfen.

Der Schilderung des Hirschfelders und anderer Bürger, dass die Bundespolizei offenbar kein Interesse an den Dokumenten hat, widerspricht er. Das stimme nicht. „Wir bedauern sehr, dass der betreffende Bürger diesen falschen Eindruck erhalten hat“, schreibt Klaner, ohne weiter auf den konkreten Fall einzugehen.

Prinzipiell haben seinen Worten zufolge die Dokumente meist keinen Einfluss darauf, ob ein Migrant in Deutschland bleiben darf. Dennoch können sie für die Ermittlungen und bei Strafverfahren hilfreich sein. Daher habe die Bundespolizei ein großes Interesse daran, dass gefundenen Dokumente abgegeben werden und sei für die vielen Hinweise, die fast täglich von Bürgern in der Oberlausitz gegeben werden, sehr dankbar, so Klaner. Und schon oft haben Bundespolizisten zerrissene Schriftstücke wie ein Puzzle zusammengesetzt und so mehr über Migranten erfahren.

Mit ganz gegenteiligen Fällen hat hingegen die Landespolizei zu tun: Flüchtlinge erstatten in Polizeidienststellen Anzeige, weil ihnen ihre Papiere gestohlen worden seien oder sie diese verloren haben. Das bestätigt Sven Möller von der Polizeidirektion Görlitz. Diese Fälle haben aber ganz andere Hintergründe: "Es gibt zum einen Menschen, die hier bereits eine Duldung erhalten haben und ihre Papiere verlieren. Sie brauchen erst den Nachweis, dass sie diese bei uns gemeldet haben, damit sie von der Ausländerbehörde neue Papiere erhalten können", erklärt er. Zum anderen meldeten sich aber auch Migranten, die ihre Pässe als gestohlen melden, um mit dieser Anzeige und zusätzlich einer Zeitungsannonce der jeweiligen Botschaft nachweisen zu können, dass sie alles Mögliche getan haben, um sie zu finden. Nur dann können sie neue Papiere erhalten. (mit SZ/abl)

  • Wer Dokumente findet und abgeben möchte oder Fragen dazu hat: Die Bundespolizei ist in diesen Fällen unter der Telefonnummer 03586 / 76020 erreichbar.