Merken

Zuhören beim Nachdenken

SZ-Redakteurin Karin Großmann über Chancen der Dresdner Reden.

Von Karin Großmann
 2 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Fast immer war das Dresdner Schauspielhaus ausverkauft.
Fast immer war das Dresdner Schauspielhaus ausverkauft. © dpa

Dresdner Rede bleibt folgenlos. So titelte eine Zeitung, nachdem der Thüringer AfD-Chef Höcke in Dresden eine erinnerungspolitische Kehrtwende gefordert hatte und nicht dafür belangt worden war. Hier steckt ein doppelter Fehler drin. Zum einen hätte es Konsequenzen geben sollen für Höcke. Zum anderen hat er keine Dresdner Rede gehalten.

Der Begriff ist nicht gesetzlich geschützt, aber er ist eine Marke seit mehr als einem Vierteljahrhundert. Was kurz nach der Wiedervereinigung unter dem Titel „Zur Sache, Deutschland“ begann, entwickelte sich zu einer Veranstaltung, die jedes Jahr im Februar einige Diskussionen auslöst. Hier kann man einem Prominenten mal beim Nachdenken zuhören, hier gibt es ausreichend Zeit, um das Spiel von Behauptungen und Beweis zu verfolgen.

Manchmal endete eine Rede in minutenlangen Ovationen wie beim Auftritt des aus Dresden stammenden Schriftstellers Ingo Schulze. Manchmal schwappte eine bundesweite Empörungswelle nach wie bei Sibylle Lewitscharoffs Thesen zur künstlichen Befruchtung. Und nur in seltenen Fällen passierte gar nichts wie nach lauen Verlautbarungen aus einer Parteizentrale.

Im Vorjahr war die Reihe innerhalb weniger Tage ausverkauft. Darin zeigt sich ein großes Bedürfnis nach geistiger Anregung und Auseinandersetzung. Inzwischen gibt es beinahe jeden Abend irgendwo eine mehr oder weniger anregende Debatte, in der Kirche, im Theater, in der Buchhandlung. Der Drang nach öffentlichen Gesprächen ist so groß wie lange nicht mehr. Als hätten sich unter dem Druck der Verhältnisse Schleusen geöffnet.

E-Mail an Karin Großmann