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Dresdner Reden 2019 mit prominenten Gästen

Was bedeutet Medienfreiheit? Wer verkauft unsere Werte? Was heißt Heimat? Und wie kommt Europa aus der Krise? Es werden vier anregende Sonntage im Schauspielhaus Dresden.

Von Karin Großmann
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Der neue Jahrgang der Dresdner Reden.
Der neue Jahrgang der Dresdner Reden. © dpa/Montage: SZ/Bildstelle

Oft weiß man erst in der Fremde, was Heimat bedeutet. Doris Dörrie scheint das Gefühl zu kennen. „Wo fühle ich mich zu Hause?“, fragt sie und: „Wo habe ich mich deutsch gefühlt?“ und: „Bin ich vielleicht in der Fremde eine ganz und gar andere als zu Hause?“ In ihrer Dresdner Rede wird sie Antworten geben.

Mit der vielfach ausgezeichneten Regisseurin, Filmproduzentin und Schriftstellerin Doris Dörrie beginnt im Februar die nächste Reden-Reihe. Die Reihe hat sich in 26 Jahren zu einer Institution entwickelt. An vier Sonntagen sprechen Prominente aus Kultur, Politik und Wissenschaft über gesellschaftspolitische Konflikte. Wenn es gut geht, liefern sie neue Argumente, überraschende Sichtweisen, provozierende Positionen. Viele Veranstaltungen waren ausverkauft.

Doris Dörrie am 3. Februar: Die Regisseurin, Filmproduzentin und Schriftstellerin beginnt die Reden-Reihe mit Gedanken über Wanderschaft und Heimat.  
Doris Dörrie am 3. Februar: Die Regisseurin, Filmproduzentin und Schriftstellerin beginnt die Reden-Reihe mit Gedanken über Wanderschaft und Heimat.   © dpa pa

Gerade Doris Dörrie ist dafür berühmt, dass sie scheinbar festgemeißelte Grenzen infrage stellt. Sie verbindet Ernst mit Unterhaltung, Wirklichkeit mit Fiktion und wechselt zwischen Text und Bild und wieder zurück. Die Fremde und das Fremde sind in ihren Werken stets gegenwärtig, im Erfolgsfilm „Kirschblüten – Hanami“ genauso wie etwa im Roman „Das blaue Kleid“ mit einer furchterregend heiteren Friedhofsszene in Mexiko. In einem neuen Hörbuch gibt die 63-Jährige eine Einführung in den Buddhismus. Mit Dörries Rede unter dem Titel „Auf Wanderschaft“ beginnt die Reihe am 3. Februar im Schauspielhaus Dresden.

Vielfalt der Meinungen zeigen

Am 17. Februar tritt Karola Wille dort ans Rednerpult, Intendantin des MDR seit 2011 und promovierte Juristin. „Medienfreiheit ist ein Fundament für das Funktionieren unserer Demokratie“, so ihre These. Medien sollten unabhängig sein von Politik wie von wirtschaftlichen Interessen.

Karola Wille  am 17. Februar: Die Intendantin des MDR spricht über Wahl- und Medienfreiheit als Fundament einer funktionierenden Demokratie.  
Karola Wille am 17. Februar: Die Intendantin des MDR spricht über Wahl- und Medienfreiheit als Fundament einer funktionierenden Demokratie.   © dpa

„Unser gemeinsamer freier Rundfunk steht in der Verantwortung, die Vielfalt der Themen, Fakten und Meinungen abzubilden und die öffentliche Debatte zu befördern, und dies umso mehr in einer digitalisierten Medien- und Kommunikationswelt“, sagt Karola Wille. Sie plädiert dafür, dass sich die vielfältige Lebenswirklichkeit der Menschen in allen Genres und Macharten widerspiegelt. Die 59-Jährige ist zugleich Filmintendantin der ARD und hat auch in dieser Funktion für einen Ausgleich der Interessen zu sorgen. In jüngsten Diskussionen befasste sie sich mit der Rolle von Frauen in Führungsfunktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und mit dem Anteil von Dokumentationen und Spielfilmen im Programm.

Ausverkauf der Werte

Am 24. Februar ist der österreichische Romancier und Essayist Robert Menasse zu Gast in Dresden. Für seinen Roman „Die Hauptstadt“ erhielt er 2017 den Deutschen Buchpreis. Zum ersten Mal wird die Europäische Union literarisch porträtiert mit ihren fitten Anzugträgern, die neben allen Machtkabbeleien nach vernünftigen Regelungen für die Gemeinschaft suchen. In einem jüngst veröffentlichten Manifest wirbt Robert Menasse für die Idee einer gesamteuropäischen Demokratie, für ein Europa ohne Nationen und Grenzen. Der 64-jährige Autor äußert sich auch immer wieder kritisch zum politischen Zustand seiner österreichischen Heimat.

Robert Menasse  am 24. Februar: Der österreichische Schriftsteller hat seine Dresdner Rede unter das Thema „Der Preis der Werte“ gestellt.
Robert Menasse am 24. Februar: Der österreichische Schriftsteller hat seine Dresdner Rede unter das Thema „Der Preis der Werte“ gestellt. © dpa

Seine Dresdner Rede trägt den Titel „Der Preis der Werte“. Der Schriftsteller sieht sich von der Sorge getrieben, dass „unsere Werte“ plötzlich messbar sein könnten in Euro oder Dollar. „Das Preisschild unserer Werte war in den Zeitungen unlängst veröffentlicht: 5,73 Milliarden Euro! Das ist der Preis, für den wir unsere Werte verkauft haben. Das ist die Summe, die Saudi-Arabien für Waffenlieferungen aus Europa bezahlt.“

Auch der englische Historiker und Sachbuchautor Ian Kershaw fürchtet um die Zukunft Europas. Er hält seine Dresdner Rede am 10. März. Kershaw hat sich auf deutsche Zeitgeschichte spezialisiert. Bekannt wurde er durch seine Schriften zum Nationalsozialismus und vor allem durch seine zweiteilige Hitler-Biografie. Sie verbindet das Biografische mit einem Bild der Zeit und wurde als epochales Standardwerk gefeiert. 2012 erhielt Ian Kershaw den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. Die Geschichte Europas vergleicht der 75-Jährige mit einer Achterbahnfahrt, die nie zu Ende geht. „Europa befindet sich in einer ernsthaften Krise. Das ,europäische Projekt’ der engeren Integration hat bei vielen Bürgern seine Überzeugungskraft verloren.“


Ian Kershaw  am 10. März: Der englische Historiker und Schriftsteller analysiert in seiner Rede die Krise Europas und mögliche Zukunftsperspektiven.  
Ian Kershaw am 10. März: Der englische Historiker und Schriftsteller analysiert in seiner Rede die Krise Europas und mögliche Zukunftsperspektiven.   © dpa

Ian Kershaw sieht Nationalismus und Populismus in fast allen europäischen Ländern erstarken. Er fragt nach den Ursachen und den Folgen dieser Entwicklung. Sein neues Buch „Achterbahn – Europa 1950 bis 2017“ kommt am Tag nach seiner Dresdner Rede auf den hiesigen Markt.

Die Reden-Reihe wird in Kooperation zwischen dem Staatsschauspiel Dresden und der Sächsischen Zeitung veranstaltet und hatte seit 1992 über 100 Gäste – eine andere Reihe mit dieser Tradition wird man bundesweit lange suchen müssen. Die Reden beginnen jeweils sonntags, 11 Uhr, im Dresdner Schauspielhaus.