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750 Jahre alte Bergbausiedlung entdeckt

Auf der Höhe zwischen Schönfeld, Seyde und Schellerhau lag einst ein Dorf. Es ist verschwunden, aber nicht ganz spurlos.

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© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Osterzgebirge. Archäologen nutzen heute modernste Technik, um herauszufinden, wie die Welt in früheren Zeiten ausgesehen hat. So haben sie mit der Methode des „Airborne Laserscannings“ eine alte Bergbausiedlung im Osterzgebirge gefunden. Beim Airborne Laserscanning wird aus der Luft die Erdoberfläche mit einem Laserstrahl abgetastet. Das ermöglicht eine Höhenbestimmung, die bis auf 20 Zentimeter genau ist. Das wird eingesetzt, um beispielsweise Geländemodelle für den Hochwasserschutz herzustellen. Aber auch die Archäologen machen sich diese Daten zunutze und haben damit im Osterzgebirge zwei sensationelle Funde gemacht, wie Christiane Hemker, Leiterin des EU-Forschungsprojekts Archaeomontan, sagt.

Die Reihe der Pingen auf der Höhe zwischen Wilder Weißeritz und Pöbelbach ist deutlich zu erkennen. Schwächer zeichnen sich links daneben die Reste der Grubenhäuser in der Landschaft ab. Das war einmal ein Dorf.
Die Reihe der Pingen auf der Höhe zwischen Wilder Weißeritz und Pöbelbach ist deutlich zu erkennen. Schwächer zeichnen sich links daneben die Reste der Grubenhäuser in der Landschaft ab. Das war einmal ein Dorf. © Landesamt für Archäologie
© Grafik: SZ

Der erste Fund, der sie so begeistert, ist eine alte Bergbausiedlung auf der Höhe zwischen dem Pöbelbach und der Wilden Weißeritz auf der Gemarkung von Schönfeld und Seyde. „Davon wusste niemand mehr etwas. Es gibt keine Dokumente oder andere Unterlagen in den Archiven“, sagt Matthias Schubert, Teamleiter bei Archaeomontan. Jedoch gab es Anzeichen, dass hier einst Bergbau betrieben wurde. Eine Reihe von Pingen, die sich durch den Wald zieht, war bekannt. Aus späterer Zeit gab es den Magdalena-Erbstollen.

Daher haben die Forscher mit den Daten aus dem Laserscan ein genaues Geländemodell errechnet. Das zeigte erst einmal den Pingenzug, der entlang des Erzgangs verläuft. Die Pingen bieten ein bestimmtes Bild: in der Mitte eine Vertiefung und ringsherum Halden. Doch neben der Pingenreihe liegen noch andere Vertiefungen im Wald – ohne Halden daneben. Im ersten Moment gaben sie Rätsel auf. Aber dann kamen die Archäologen zum dem Schluss, dass es Überreste von sogenannten Grubenhäusern sind. Im Mittelalter haben die Menschen oft eine Grube gegraben, und darauf gleich das Dach gesetzt. So mussten sie keine Mauern errichten. Auch in Dippoldiswalde am Roten Hirsch wurden Überreste solcher Grubenhäuser gefunden.

Dann haben die Wissenschaftler weiter geforscht. Dabei haben sie Hilfe von Herwart und Friederike bekommen, den beiden Stürmen, die im vergangenen Jahr im Osterzgebirge viel Schaden angerichtet haben. Jedoch gab das die Chance, überall dort, wo ein Baum entwurzelt war, den Boden zu untersuchen. So fanden sie auf einer Strecke von über 500 Metern viel Keramik. Das ist ein Zeichen, dass dort gekocht, gegessen und getrunken wurde, also eine Siedlung war. Diese Funde, die noch sehr neu sind, lagern derzeit im Landesamt für Archäologie, werden dort dokumentiert und konserviert.

Schlägel und Eisen gefunden

Mit ehrenamtlichen Helfern haben die Archäologen das Gelände auch auf Metallreste abgesucht und dabei einen ganz typischen Fund gemacht: Schlägel und Eisen, das klassische Werkzeug der mittelalterlichen Bergleute. Darauf ist Matthias Schubert besonders stolz: „So etwas haben wir nicht einmal in den Stollen von Dippoldiswalde gefunden“, sagt er. Besonders schöne Stücke werden künftig im Museum für mittelalterlichen Bergbau im Erzgebirge (Miberz) in Dippoldiswalde ausgestellt.

Weitere Informationen brachte die Untersuchung der Umgebung. An zwei Stellen sind die Experten auf Bleischmelze gestoßen. „Das steht speziell für Silberbergbau“, sagt Schubert. Besondere Steine fanden sich, rundgeschliffen wie ein Flusskiesel. So etwas kommt von Natur aus nur im Tal vor, nicht auf einem Hügel. Und die Steine hatten kleine Kuhlen. Daran erkennen die Fachleute Unterlegsteine, auf denen das Erz zerklopft wurde. Also hat hier eine erste Aufbereitung stattgefunden.

Eine entscheidende Frage ist für die Archäologen immer: Wie alt sind die Funde? Mit verschiedenen Methoden stufen sie die Bergbausiedlung in die Zeit ab 1250 ein, knapp hundert Jahre, nachdem in Dippoldiswalde der Bergbau begonnen hatte, und gehen davon aus, dass sie vor 1400 aufgegeben wurde. Das war noch vor der Zeit, als die meisten kleineren Orte der Region zum ersten Mal schriftlich erwähnt wurden.

Wie die Siedlung einst hieß? Auf diese Frage haben die Archäologen keine Antwort gefunden. Daher haben sie auf alten Karten geguckt, wo das Waldgebiet „Grünwald“ hieß. Das verschwundene Bergbaudorf hat jetzt also den Arbeitsnamen „Vorderer Grünwald“. „Bergbau in so früher Zeit in dieser Höhenlage ist schon etwas Besonderes“, sagt Christiane Hemker.

Es ist jedoch nicht der einzige sensationelle Fund in der Region, der mithilfe der Laserscans aus der Luft gemacht wurde. Einen zweiten deuteten die Wissenschaftler auf ihrer Fachtagung vor Kurzem in Dippoldiswalde aber nur an. Es geht um eine Turmhügelburg in der Nähe von Schmiedeberg, in deren Umgebung es ebenfalls Bergbau gegeben hat. Darüber schreibt derzeit Johann Friedrich Tolksdorf einen Fachaufsatz, der voraussichtlich Ende Oktober veröffentlicht wird. Dann ist auch über diese Burg mehr zu erfahren.