Meißen
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Alles ist Hülle, Haut und Spiegel

Mit Bruno Griesel stellt derzeit ein bedeutender Vertreter der Leipziger Schule in der Albrechtsburg aus.

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Großer Andrang während der Eröffnungsphase der Ausstellung des Leipziger Malers Bruno Griesel in der Meißner Albrechtsburg.
Großer Andrang während der Eröffnungsphase der Ausstellung des Leipziger Malers Bruno Griesel in der Meißner Albrechtsburg. ©  Claudia Hübschmann

Von Sebastian Hennig

Meißen. In der Meißner Albrechtsburg sind derzeit die Gemälde des Leipziger Malers Bruno Griesel zu sehen. Der 1960 in Jena Geborene ist Altersgenosse von Neo Rauch und Axel Krause. Er hat im gleichen Studienjahr mit den beiden bekanntesten Protagonisten der Neuen Leipziger Schule an der dortigen Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert.

Der Akt „Christine“ (1984) stammt aus jenen Jahren. Der flockige Pinselduktus in dem die Oberschenkel und Hände des Modells wiedergegeben sind, könnte so auch auf einem Gemälde der alten Leipziger Schule zu finden sein, beispielsweise bei Bernhard Heisig oder Sighard Gille. 

Die ausgestellte Hübschheit dieses Gesichtchens ist bereits typisch für Griesel. Dieser pflegt die Betrachter seiner Bilder nicht mit Charakterspuren zu belasten. Die Modelle seiner Bilder wirken allesamt wie bei einer Consulting-Agentur gebucht. Sie putzen enorm und haben keine Launen. Darum lässt es sich an den großformatigen Gemälden entlang flanieren, ohne durch eine visuelle Überraschung aufgehalten zu werden.

Die Augen flüchten durch die Ausstellung wie über die Benutzeroberfläche eines Smartphones. Die smarte Malerei von Griesel bietet nicht mehr als das, was gerade von ihr zu sehen ist. Die Reflexe des Lichtes auf der Glasur einer weißen Porzellankanne und das Giftgrün eines Salatkopfes könnten uns ebenso gut durch eine hochauflösende Fotografie mitgeteilt werden.

Griesel ist ein Maler der Oberfläche. Alles bei ihm ist Hülle, Haut und Spiegel. Der Augenmensch wendet sich dem Leporello und der Kleinplastik zu auf der Brüstung rechts neben dem Brustbild der „Dame in Rot“. Weil in diesem kleinen Bereich jenes Malerei genannte Wunder verhießen wird, das aus Farbe und Form eine neue Welt im Bild stiftet. 

Doch die junge Frau darauf ist in ihrer glatt gesalbten und adrett gekämmten Äußerlichkeit völlig auswechselbar. Auf größeren Bildern heften Attribute und Erkennungszeichen gedankliche Bedeutungen an, wenn Ludwig II. durch die Münchner Antikensammlung schweift oder Napoleons Urinal in geistreiche Beziehung gesetzt wird zu dem von Marcel Duchamp vor hundert Jahren als „Fountain“ auf ein Postament gelegten Pissbecken. „Fukushima – 11. 03. 2011“ jongliert reißerisch mit Elementen von Kunstgeschichte und Naturkatastrophe. Visuelle Schlagzeilen statt malerischer Poesie.

An die Stillleben des malenden Mönchs Francisco de Zurbarán erinnert „Die Tasse“. Mit effektvollen Versatzstücken aus der manieristischen Malerei des 16. Jahrhunderts sicherte sich bereits die ersten Leipziger Schule vor fünfzig Jahren einige Aufmerksamkeit. 

Bei Griesel treten William Blake und Ferdinand Hodler dazu. Wo die originalen Musterbögen nicht durchscheinen, ist gleichwohl zu spüren, dass die Wirkung eine geborgte ist. Entweder von den großen Meistern oder von der Vergänglichkeit vorzugsweise weiblicher Jugendschönheit.

Diese Niedlichkeit auf Griesels Bildern wirkt durch das Kosmetische und Vegetative der rehhaft-schlanken Schönheiten frivoler als die vielfach angefeindete malerische Erotik von Balthasar Kłossowski de Rola, genannt Balthus und Adolf Ziegler. Die Mannsbilder sind kaum minder glatt.