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Als das Grube-Stadion noch Kampfbahn hieß

Zwei Riesaerinnen erinnern sich an große Volksfeste vor dem Krieg – mit Karrussels und Würfelbuden.

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© Archiv/Stadtmuseum Riesa

Von Uta Büttner

Riesa. Gisela Streubel wäre enttäuscht, wenn das Ernst-Grube-Stadion abgerissen werden sollte. „Man sollte nicht einfach alles so sterben lassen“, sagt die 88-jährige Riesaerin. Sie meint: „In gewisserweise steckt Tradition in diesem Stadion.“ Dabei erinnert sie sich an ihre Kindheit. Zum 1. Mai wurde dort immer ein großes Volksfest gefeiert. Damals gab es noch keine Tribüne, und der Sportplatz hieß noch Hindenburg-Kampfbahn. Gisela Streubel erinnert sich noch ganz genau an den großen Rasen und die Laufbahn drumherum. Das war Anfang der 1930er-Jahre.

Ihr Vater arbeitete im Stahlwerk, dem größten Arbeitgeber in der Stadt. Für das Volksfest zum Tag der Arbeit erhielten die Angestellten des Werks Bons. „Damit konnten wir kostenlos Karussell fahren oder Eis essen“, schwärmt die Riesaerin. Diese Volksfeste seien große Ereignisse gewesen. „Da war ein Trubel auf der Wiese.“ Es gab ein Riesenrad, viele Buden wie zum Beispiel eine Würfelbude und Imbissstände. „Es war immer Hochbetrieb, und für uns Kinder war der Besuch etwas ganz Außergewöhnliches“, erzählt die Rentnerin. Feste Sanitäranlagen habe es damals noch nicht gegeben: „Es wurden fahrbare Toiletten aufgestellt.“

Auch Irmgard Rauschenbach hat noch viele gute Erinnerungen an die 1. Mai-Feste auf der Hindenburg-Kampfbahn: „Es gab auch Mattenrutschen dort“, erzählt die 95-jährige Riesaerin. „Wir gingen damals gemeinsam mit unseren Nachbarn dorthin. Früher gab es noch einen ganz anderen Zusammenhalt untereinander.“

Asche und Müll als Füllmaterial

Bis zum Zweiten Weltkrieg fanden auf der Kampfbahn auch immer die Sportfeste der Schulen statt, erzählt Gisela Streubel weiter. „Das waren Höhepunkte für alle Schüler.“ Ob dort damals schon Fußball gespielt wurde, weiß Gisela Streubel hingegen nicht mehr. Aber sie erinnert sich noch, wie zu besonderen Anlässen unzählige Menschen Richtung Stadion strömten. Schließlich liegt es ja auch verkehrsgünstig am Bahnhof. Gisela Streubel hat selbst nie Sport getrieben, findet aber, „dass Sport etwas Besonderes ist“. Deshalb bedauere sie auch, dass Riesa aus ihrer Sicht heute keine richtige Sportstadt mehr ist.

Entstanden ist die Hindenburg-Kampfbahn übrigens auf dem Grundstück einer ehemaligen Ziegelei. Laut dem Buch „Riesa an der Elbe – Alte Ansichten“, Band 3, wurde die dazugehörige Grube mit Asche und Müll verfüllt. Mitte der 20er Jahre seien die Mitglieder des Riesaer Turnvereins daran gegangen, an dieser Stelle eine Sportanlage zu schaffen: „Es entstanden ein Großfeld und ein Faustballfeld, eine 330-Meter-Laufbahn und weitere Leichtathletikanlagen. Anlässlich der allgemeinen Feiern zum 80. Geburtstag von Reichspräsident Hindenburg wurde die Sportstätte am 2. Oktober 1927 als Hindenburg-Kampfbahn geweiht“, heißt es in der Publikation des Museumsvereins. Nach dem Krieg ist der Platz dann in „Sportbahn der Jugend“ umbenannt worden. Weitere knapp zehn Jahre später ist der Sportplatz erweitert worden und wurde so ein richtiges Stadion. Als Namenspatron wählte man den NS-Widerstandskämpfer Ernst Grube, der 1945 noch kurz vor dem Kriegsende im Konzentrationslager Bergen-Belsen verstorben war. Auch andere Sportstätten, zum Beispiel in Magdeburg oder Leipzig, wurden nach Ernst Grube benannt.

Die Diskussion um die Zukunft des Ernst-Grube-Stadions ruht derzeit. Oberbürgermeister Marco Müller (CDU) ist gegen einen Abriss. Er könnte sich höchstens vorstellen, die baufällige Tribüne wegzureißen. Darüber müsste aber der Stadtrat befinden. Heute wird das Grube-Stadion noch von den Nachwuchsmannschaften der BSG Stahl Riesa als Trainingsstätte genutzt. Der Verein kann und will sich aber nicht um den aufwendigen Erhalt kümmern.