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Der Reporter im Zweierbob

Ende der 90er wirbt ein Schaurennen für die WM in Altenberg. Nicht nur blaue Flecke bleiben in Erinnerung. Ein Beitrag zum Jubiläum 75 Jahre SZ.

Von Thomas Morgenroth
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Die Urkunde für den dritten Platz beim Bobanschub.
Die Urkunde für den dritten Platz beim Bobanschub. © Thomas Morgenroth

Jens ist mein Anschieber, ich bin der Pilot – das erste Mal in meinem Leben. Vor mir liegt die 96 Meter lange Strecke, zwei parallel miteinander verbundene dünne Eisenrohre. Ich schlucke, aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. Bei drei geht es los: Ich fasse mit beiden Händen den Bügel, Jens legt sich hinten ins Zeug. Der 180 Kilogramm schwere Zweierbob auf Rädern setzt sich in Bewegung, wir rennen und rasen auf das Ziel zu. Jetzt muss ich in den Bob einsteigen, mich ganz klein machen, Platz lassen für meinen Hintermann und mich nicht auf die Bremshebel setzen, sonst rattern wir bis auf die Wiese. Theoretisch ist das alles klar. Und praktisch sieht das bei den anderen immer ziemlich einfach aus. Ich versuch’s, was bleibt mir auch anderes übrig. Mein Sprung endet kläglich auf dem Rand des Bobs, mit Mühe rette ich ein Bein in das Innere, das andere verrenkt sich ein bisschen und baumelt draußen so vor sich hin. Mein Rücken streift unsanft die Kante. Und natürlich sitze ich auf der Bremse.

Geistesgegenwärtig lüpfe ich kurz vor dem Ende der Bahn meinen Hintern und Jens kann den Bob noch rechtzeitig bremsen. Ich bin erleichtert: Geschafft, wie auch immer. Und die lachenden Beobachter hatten ihren Gaudi: „Dafür gibt es keine guten Haltungsnoten.“

Journalist und Leistungssportler am Start

Das war der Probelauf. Wenig später starten wir als Team Sächsische Zeitung II beim Medien-Cup um den Pokal des MDR-Sachsenspiegel: Ich, der Journalist, 37, und Jens Kruppa, 22, der Leistungssportler aus Freital, mehrfacher deutscher Meister im Brustschwimmen und Dritter des Weltcups in dieser Disziplin im vergangenen Jahr. Aber Anschieber eines Bobs ist auch er noch nie gewesen.

In den zwei Wertungsläufen klappt alles besser, meine Sprünge in den fahrenden Bob gelingen. Am Ende reicht es mit einer Gesamtzeit von 12,35 Sekunden für Platz 3 – bei vier Startern. Den Mediencup holt sich die MDR-Mannschaft, mit Ron Ringguth und Wolf-Dieter Jacobi. Das SZ-Team I mit Sportredakteur Andree Merbt und Praktikant Dirk Adam wird Zweiter.

Der Bobstartwettkampf am 8. August 1998 auf den Dresdner Elbwiesen war der Auftakt zur Bob-WM im Jahr 2000 in Altenberg. Für Jens Kruppa und mich war es eine unvergessliche Erfahrung. Der Wintersport blieb für uns eine Episode, für mich genauso wie für Jens Kruppa, der bei Olympia 2000 in Sydney mit der Lagenstaffel Bronze und 2004 in Athen Silber holte. Er arbeitet heute als Trainer und Berater.

Ich bin jetzt seit 31 Jahren Redakteur bei der Sächsischen Zeitung, noch bis Ende August, dann beginnt mein Vorruhestand. An meinen ersten und einzigen Bobanschubwettkampf werde ich mich ewig erinnern. Die Stimmung war großartig, 1.000 Zuschauer feuerten uns an. Dafür habe ich die blauen Flecken und das schmerzende Kreuz gern in Kauf genommen.