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Einfach gut, doppelt noch besser - die steile Karriere von Rodlerin Jessica Degenhardt

Rodlerin Jessica Degenhardt aus Dresden ist mit Doppelpartnerin Cheyenne Rosenthal eine der Favoritinnen bei der Heim-WM in Altenberg – und geht damit erstaunlich entspannt um.

Von Tino Meyer
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Die Aufschrift ist Programm. Als „World Champion“ sind Jessica Degenhardt und Cheyenne Rosenthal unterwegs – und damit zwangsläufig auch als Favoritinnen bei der WM in Altenberg.
Die Aufschrift ist Programm. Als „World Champion“ sind Jessica Degenhardt und Cheyenne Rosenthal unterwegs – und damit zwangsläufig auch als Favoritinnen bei der WM in Altenberg. © dpa

Altenberg. Aufregung? Keine Spur. Und wenn doch, dann weiß Jessica Degenhardt das perfekt zu verstecken. Und auch von Druck angesichts der ohnehin großen Erwartungshaltung an deutsche Rodlerinnen und Rodler will die 21-jährige Dresdnerin vor der heute beginnenden Weltmeisterschaft in Altenberg nichts wissen. "Man muss die Sache nicht größer machen, als sie ist. Ich freue mich tatsächlich sehr darauf, und bin auch sehr positiv gestimmt", sagt Degenhardt vor ihrem ganz persönlichen Heimrennen, das diesmal der unumstrittene Saisonhöhepunkt ist. Dennoch bleibt sie gelassen, wirkt in sich ruhend.

Das hat ganz sicher mit ihrem Naturell zu tun und liegt auch daran, dass sie sich trotz ihrer jungen Jahre mit Erfolg genauso gut auskennt wie mit großen Meisterschaften auf deutschen Bahnen. "Nein, aufgeregt bin ich wirklich nicht. Ich kann mich da ganz gut rausnehmen, bin da recht ruhig und entspannt. Durch die vergangenen Jahre bin ich ein bisschen vorbereitet auf das, was uns erwartet. Das wird schon irgendwie", sagt Degenhardt, und dann legt sie los, es sprudelt gerade so aus ihr heraus.


Mit großen, offenen Augen erzählt sie von den letzten Trainingseinheiten in Altenberg und dass die Durchfahrt in Kurve neun, mit der die Rodler aller Nationen in diesen Tagen so ihre Schwierigkeiten haben, zunehmend besser gelingt. Dass sie sich dennoch sehr wohl fühlt in und um Altenberg und erst recht auf der Bahn, auf der sie als Siebenjährige zum ersten Mal rodeln durfte. Sie selbst wäre ja liebend gern noch zwei Jahre früher gestartet, nur Mama hatte da noch ihr Veto eingelegt.

Bei der Rodel-WM 2012 in Altenberg war Degenhardt als Zuschauerin dabei

An die erste Fahrt kann sich Degenhardt bestens erinnern. "Los ging es in der Überfahrt von Kurve 14 zu 15. Ich fand das cool und interessant. Und ich weiß noch, wie ich die größeren Kinder bewundert habe, die bei Kurve 11 gestartet und richtig hoch und schnell durch Kurve 14 gefahren sind", erzählt Degenhardt, die seitdem für den RRC Altenberg startet.

Auch die Erinnerungen an 2012, als die bis dato letzte Rodel-WM im Osterzgebirge stattfand, sind gerade jetzt wieder präsent. Als Stöpsel sei sie an der Bahn dabei gewesen, und erst kürzlich habe sie Fotos von sich gefunden mit Tobias Wendl und Tobias Arlt, mit denen sie inzwischen gemeinsam in der Nationalmannschaft unterwegs ist. Es sind die Anfänge einer schon jetzt sehr erfolgreichen Karriere, die in den vergangenen zwei Jahren so richtig Fahrt aufgenommen hat.

Im Vorjahr gewann Degenhardt mit ihrer Doppelsitzer-Partnerin Cheyenne Rosenthal bei der WM in Oberhof gleich zwei Goldmedaillen: im Sprint, wo die Zeit lediglich in einem bestimmten Bahnabschnitt gemessen wird, sowie im klassischen Doppelsitzer-Rennen. Noch ein Jahr zuvor, 2022 bei der WM in Winterberg, die für Degenhardts Partnerin ein echtes Heimrennen war, ist beiden gar Historisches gelungen: der Sieg bei der ersten WM-Entscheidung im Damen-Doppel überhaupt.

Jessica Degenhardt ist 21 Jahre alt und schon dreifache Weltmeisterin.
Jessica Degenhardt ist 21 Jahre alt und schon dreifache Weltmeisterin. © picture alliance/dpa

Und auch in der aktuellen Saison läuft es wieder. Die vergangenen drei Weltcups hat das Duo gewonnen, dazu den EM-Titel in Innsbruck. "Wir fahren so ruhig und konstant wie noch nie", sagt Degenhardt.

Die Aufgaben auf dem Schlitten sind klar verteilt, ebenso wie die Position. Degenhardt ist mit 1,78 Metern die Größere von beiden und liegt deshalb oben. "Ich habe quasi den Überblick und sehe alles – wenn ich den Kopf hochnehme", erklärt Oberfrau Degenhardt und schiebt eine wichtige Einschränkung gleich hinterher: "Ich versuche natürlich, so wenig wie möglich zu schauen. Die Orientierung läuft eher peripher, also seitlich an den Banden oder anderen Anhaltspunkten wie Masten oder Bäumen am Bahnrand. Und mit meinen Füßen kann ich vorne am Schlitten an den Hörnchen lenken."

Rosenthal dagegen, sagt Degenhardt, müsse das alles im Prinzip auch tun, "ohne etwas zu sehen". Zudem sei die zwei Jahre ältere Unterfrau für ganz viele Kleinigkeiten verantwortlich, "weil sie den direkten Kontakt zum Schlitten hat. Sie spürt jedes Rutschen oder auch, wenn es nicht so rund läuft". Dann müsse die 23-jährige Winterbergerin handeln, über die Schultern und auch die Füße.

Degenhardt musste sich entscheiden: Einzel oder Doppel? Oder beides?

"Aber eben ohne etwas zu sehen und ohne die Absprache mit mir. Deshalb dauert es auch, bis ein Doppelsitzer harmoniert. Wir handeln unabhängig voneinander, doch am Ende soll das gleiche Ergebnis herauskommen", betont Degenhardt, die im Nachwuchsbereich auch zu den besten Einzelfahrerinnen der Welt gehörte und zweimal bei Junioren-Weltmeisterschaften gewann.

Bei den Olympischen Jugendspielen vor vier Jahren auf der Natureisbahn in St. Moritz meisterte Degenhardt sogar beide Disziplinen. Im Doppel wurde sie Jugendolympiasiegerin, im Einzel belegte sie den zweiten Platz. Doch danach musste sie sich entscheiden, weil beides auf Dauer zu kraft- und zeitraubend ist und deshalb nicht erfolgreich sein kann. Wobei der Österreicher Wolfgang Kindl, der seit Jahren solo Weltspitze ist und in dieser Saison auf Anhieb im Doppel mit seinem erfahrenen Kollegen Thomas Steu zum EM-Titel fuhr, als Ausnahme die Regel bestätigt.

Olympia 2026 ist für die Dresdnerin Degenhardt das große Ziel

Degenhardt hat die Perspektive gelockt. Im Einzel hätte sie im seit Jahrzehnten bekanntermaßen starken deutschen Frauenteam auf die Weltcup-Chance warten müssen, Rosenthal ging es genauso. Gleichzeitig trieb der internationale Verband die Etablierung der Doppelsitzer-Damen vehement voran, ab 2026 wird die Disziplin olympisch sein.

So weit kann und so weit will Degenhardt nicht vorausblicken, jetzt ist Altenberg, jetzt ist WM – die mit drei Goldmedaillen für das Duo Degenhardt/Rosenthal enden wird? Also am Freitagnachmittag im Sprint, Samstagfrüh mit dem dritten WM-Sieg hintereinander sowie tags darauf dann in der abschließenden Teamstaffel, in der erstmals Damen-Doppel integriert sind.

"Cheyenne und ich haben länger darüber geredet. Natürlich wäre es super cool, diesen Titel ein drittes Mal zu gewinnen, bei der Heim-WM noch dazu. Das ist auch unser persönlicher Ansporn", sagt Degenhardt und fügt ein großes Aber an: "Was ist, wenn irgendwas nicht passt, wenn das Wetter nicht stimmt oder eine Windböe kommt?" Das Ziel lautet deshalb: "Wir wollen mit einer Medaille nach Hause fahren."

Umrahmt von einem Feuerwerk entzündete Ralf Mende, der Eismeister der Bob- und Rennschlittenbahn, das WM-Feuer.
Umrahmt von einem Feuerwerk entzündete Ralf Mende, der Eismeister der Bob- und Rennschlittenbahn, das WM-Feuer. © Egbert Kamprath

Zeitplan, Favoriten und Tickets: Alle Infos zur Rodel-WM in Altenberg

Mit einer stimmungsvollen Eröffnungsfeier hat die Rodel-WM am Donnerstagabend in Altenberg begonnen, Eismeister Ralf Mende, seit 41 Jahren am Eiskanal im Amt, entzündete das WM-Feuer. Die ersten Entscheidungen fallen bereits am Freitagnachmittag in den Sprintrennen.

  • Zeitplan: Los geht es am Freitag (26.1.) um 13 Uhr mit dem Sprint der Doppelsitzer Herren, es folgen die Damen (13.55), Herren (14.45) sowie Doppelsitzer Damen (15.40). Am Samstag (27.1.) fahren Doppelsitzer Damen (8.50), Herren (11.00) und Doppelsitzer Herren (14.00) um die Titel. Den Abschluss bilden Sonntag (28.1.) die Damen (10.45) und die Staffel (14.00). Die Siegerehrung am Freitag und Samstag findet jeweils 18 Uhr auf der WM-Bühne am Skihang Altenberg statt, sonntags ab 15.30 direkt im Ziel des Eiskanals.
  • Favoriten: In jeder Disziplin läuft es auf einen Zweikampf zwischen Deutschland und Österreich hinaus. Bundestrainer Norbert Loch schätzt zudem Lettland als starke Konkurrenz ein. Auch Italien stellt von jeher starke Rodlerinnen und Rodler.
  • Tickets: Gibt es online unter www.wm-altenberg.de oder an der Tageskasse.