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Angel frei am Tuchmacherteich

Das Kamenzer Naherholungsareal wurde umgewidmet. Das eröffnet auch Chancen für eine Natureisbahn. Wie früher.

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© René Plaul

Von Frank Oehl

Kamenz. Erstaunliches tut sich seit Anfang Oktober am Tuchmacherteich in Kamenz, einem der bekanntesten Naherholungsgebiete der Stadt. Es wird geangelt und nicht abgefischt, wie in den vergangenen Jahren. Das sorgt für reichlich Verwunderung. Und Bewegung. Vor Ort und auch am SZ-Lesertelefon. Gleich mehrere Kamenzer wollten wissen, was sich hier eigentlich tue. Stadtsprecher Thomas Käppler weiß es: „Der Teich wurde umgewidmet – von einem Zucht- zu einem Angelgewässer.“

Das ist ein Knaller! Weil damit offenbar gleich zwei Grundbedürfnissen der Einwohnerschaft Rechnung getragen wird. Gewässerwart Gerd Keitsch vom Anglerverein Elstertal: „Unseren Kamenzer Vereinsfreunden kommt die Angelmöglichkeit natürlich entgegen.“ Ansonsten müssten sie an die Steinberge, an den Vogelberg, an den Ziegelteich Cunnersdorf oder sogar bis nach Elstra oder ins Sorbenland fahren. Seit 1. Oktober ist nun auch der Tuchmacherteich freigegeben, und viele haben ihn bereits genutzt. So viele, dass zwischenzeitlich das Areal am Anglerheim zugeparkt war, was bei den Anliegern nun auch nicht unbedingt nur Freude ausgelöst hat. Sechs bis acht Parkplätze gibt es dort, aber eigentlich ist die Zufahrt von der Bautzner Straße aus gesperrt. „Die Stadt ist uns entgegengekommen und hat Parkkarten ausgegeben.“ Mancher dürfte auch ohne diese Sondererlaubnis an den Teich herangefahren sein, wie man hört. Gerd Keitsch: „Dass das Interesse der Angelfreunde am Anfang besonders groß ist, war doch klar. Wir glauben, dass sich das schnell auf ein normales Maß einpegeln wird.“

Der Verein hat etwa 90 Mitglieder. Er ist einer von acht im Altkreis Kamenz. Alle gehören dem Dresdner Anglerdachverband „Elbflorenz“ an, der die Gewässer gepachtet hat und den Vereinen zur zweckgemäßen Nutzung an die Hand gibt. Dass der Tuchmacherteich nun nicht mehr der Karpfenzucht dient, kommt also vor allem den Angelfreunden entgegen. Wobei dies natürlich an Berechtigungen gebunden ist, die man sich über Vereine erwerben muss. „Das bestimmt jedes Bundesland für sich selbst. Wollten Angler aus anderen Ländern hier ihre Rute auswerfen, müsste dies über ein Abkommen der betreffenden Dachverbände geregelt sein“, weiß Stadtsprecher Thomas Käppler. Für den Anglerverein Elstertal ist die Umwidmung des Tuchmacherteiches auch ein gutes Signal für die schwieriger geworden Nachwuchsgewinnung, „Ab neun Jahren kann man in unserer Jugendgruppe mitarbeiten. Und nach einem Jahr könnte man bereits das Angelrecht erwerben“, so der Elstraer.

Und das zweite Grundbedürfnis? Da der Tuchmacherteich nicht mehr zur Zucht gebraucht wird, muss er winters über auch nicht mehr abgelassen werden. Damit könnte ein immer wieder und lange gehegter Wunsch vieler Kamenzer Wirklichkeit werden. Die Freude auf eine Natureisbahn, wenn es der Dauerfrost hergibt. Gerd Keitsch: „Das Schlittschuhlaufen würden wir natürlich nicht so gern sehen. Zum einen, weil es bei einem Fließgewässer wie hier immer gefährlich bleibt. Zum anderen, weil die eingesetzten Fische dabei rebellisch gemacht werden.“ Andererseits könne und wolle man den Teich ja nicht einzäunen. Damit sei das Eislaufen auch nicht zu verhindern.

Konzerte und mehr

Viele, vor allem ältere Kamenzer verbinden gerade damit schöne Kindheitserinnerungen. Wie ja  der Tuchmacherteich schon immer eine besondere Rolle im Gedächtnis der Stadt gespielt hat. Das hängt auch mit seinem Alter zusammen. Die starke (und reiche) Tuchmacherinnung nutzte den abgezweigten Elsteranstau im Zusammenspiel mit der Tuchmacher-Walke in der Blinden Mühle in der Nähe. Die Mühle wurde 1458 das erste Mal urkundlich erwähnt, und 1478 übernahm sie der Kamenzer Rat in sein Eigentum. 1480 wurde von Bürgermeister Stephan der Teich angelegt, wobei die Blindmüllers besondere Zugangsrechte bekamen. Zwischen 1503 bis 1506 erwarben schließlich die Tuchmacher den Teich und richteten die Walkmühle ein. Später diente der Teich vor allem der Naherholung. Legendär waren zum Beispiel die „Eisconcerte“, zu denen der „Gasthof zum Kronprinzen“ der Familie Handrack einlud. In seinen Lebenserinnerungen berichtete der angebliche „Lindbergh-Baby-Mörder“ Richard Hauptmann, wie er im ersten Weltkrieg ein Kind rettete, dass hier beim Eislaufen eingebrochen war, weil es zu nah an den Zulauf gekommen war. Darauf können die Kamenzer von heute freilich gern verzichten ...