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Ausgangspunkt für Sachsens größten Flutbetrug

Mit dem Umzug von Meißen nach Radebeul begann eine Geschichte, die schließlich vor Gericht endete.

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© Ronald Bonß

Von Peter Anderson

Meißen. Sachsens Ex-Wirtschaftsminister Martin Gillo (CDU) soll Schuld sein. Der Landespolitiker habe auf einem Unternehmer-Empfang nach dem Augusthochwasser 2002 gesagt: „Nutzen Sie die Fluthilfe, um ihre Unternehmen besser zu machen.“

Der frühere Chef des Meißner Druckhauses auf dem Baderberg, Wolfgang Lerchl, will das wörtlich genommen haben. So gibt er es jedenfalls im Frühjahr 2014 zu Protokoll. Bereits seit 2000 habe er geplant, aus der Meißner Innenstadt mit ihren beengten Verhältnissen ins Gewerbegebiet nach Radebeul-Naundorf umzuziehen. Das traditionelle Meißner Druckhaus wollte er zu einer modernen Online-Druckerei umbauen. Sein Problem Anfang der 2000er-Jahre: Es fand sich keine Bank, um den Standort-Wechsel zu finanzieren.

Diese Aufgabe sollte nun – wenn auch unfreiwillig – Sachsens Aufbaubank (SAB) übernehmen. Mit einer gebrauchten Maschine fing es an. Bei der Anzeige als Flutverlust verwandelte sich diese plötzlich in ein völlig neuwertiges Produkt. Dementsprechend stieg die aus der Fluthilfe überwiesene Fördersumme. Das einmal bewährte Prinzip machte Schule. Wolfgang Lerchl wandte es ebenfalls an, als er aufgearbeitete Maschinen von der Planeta als Ersatz für die Hochwasserverluste erwarb. Erneut wurde alte Technik auf den Antragspapieren zu neuer.

In den nächsten Jahren wuchs die Latte an Betrügereien erheblich an. Beim Ankauf des Radebeuler Grundstücks, beim Bau der neuen Internet-Druckerei Unitedprint und bei der Finanzierung eines großen Teils des Maschinenparks: Überall zahlte Lerchl überhöhte Rechnungen und ließ die üblichen Nachlässe anschließend über separate Verträge wieder an sein Unternehmen zurückfließen. Gut fünf Jahre nach der Flut wurde allerdings die Staatsanwaltschaft durch einen Hinweis auf die Betrugsmasche aufmerksam.

Im Frühjahr 2014 kam es zum Prozess. Das Landgericht Dresden verurteilte den Radebeuler Druckerei-Besitzer in zehn Fällen des schweren Subventionsbetruges nach dem Hochwasser 2002. Es verhängte gegen den 48-Jährigen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und setzte diese für zwei Jahre zur Bewährung aus. Zudem musste der Firmenchef eine Geldstrafe von 350 000 Euro sowie eine Geldauflage von 250 000 Euro zahlen. Eine weitere Strafe über 900 000 Euro sprach das Gericht gegen Unitedprint aus. Mittlerweile sind alle diese Zahlungen erledigt. Lerchl selbst soll viel Zeit in den USA verbringen und hat sich in den Aufsichtsrat zurückgezogen. Auch für das alte Meißner Druckhaus kann nun eine neue Ära beginnen.