SZ + Weißwasser
Merken

Sport macht stark - nicht nur körperlich

An der Grundschule Bad Muskau gibt es ein Ganztagsangebot, bei dem deutsche und ausländische Kinder mit Spiel und Spaß zueinanderfinden. Trotz Hürden.

Von Sabine Larbig
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
„Stark durch Sport“ heißt ein Ganztagsangebot an der Grundschule Bad Muskau, das es seit Herbst 2023 gibt. Teilnehmer sind 23 Kinder der Klassen 1 bis 4 aus unterschiedlichen Nationen, die hier nicht nur sportlich zueinander finden.
„Stark durch Sport“ heißt ein Ganztagsangebot an der Grundschule Bad Muskau, das es seit Herbst 2023 gibt. Teilnehmer sind 23 Kinder der Klassen 1 bis 4 aus unterschiedlichen Nationen, die hier nicht nur sportlich zueinander finden. © Sabine Larbig

Es ist Dienstagnachmittag und obwohl nur 23 Kinder in der Turnhalle sind, herrscht Gewusel. Gut, dass Mirko Bartell eine Stimme hat, die sich durchsetzt. „Hey, alle mal zuhören. Also, Ihr werft den Ball dem Fänger jetzt so zu, dass er zuvor einmal auf den Boden aufprallt. Feuer frei!“, ruft der Übungsleiter des Ganztagsangebotes „Stark durch Sport“ in die Runde und schon hüpfen gelbe Tennisbälle hin und her. Manchmal dorthin, wo sie nicht landen sollen. Denn nicht überall klappt das Zuspiel. „Das war ein Versehen, der kleine Ball hat Dich nur gestreift“, beruhigt Mirko einen sich gezielt beworfen fühlenden Erstklässler, während er die anderen Kinder der Klassenstufen eins bis vier im Blick behält. „Hallo, was macht Ihr da? Da müssen wir wohl an der Disziplin arbeiten. Hier soll jeder Spaß haben, aber nicht auf Kosten anderer“, ermahnt Mirko Bartell zwei rangelnde Jungs.

Trotz manch kleiner Streitereien musste der Übungsleiter aber noch nie laut werden, mit harter Hand durchgreifen. Denn das im Oktober 2023 gestartete Ganztagsangebot gefällt allen teilnehmenden Kids. Obwohl die Grundschüler hier Sport machen, ins Schwitzen kommen und mit roten Wangen die Halle verlassen, kommen sie gerne und freiwillig immer wieder.

„Es macht Spaß, und Mirko erklärt alles super. Zuhause würden wir uns sicher nicht so viel bewegen, obwohl wir schon draußen spielen oder Fahrrad fahren. Und weil wir mit den Kleinen zusammen sind, verstehen wir sie jetzt sogar besser“, erzählt Mia aus Gablenz, die sich mit Freundin Sophie gezielt für dieses Angebot entschied. Beide Drittklässler wollen auch weitermachen. „Wir wissen jetzt sogar, wie man sich verteidigen kann. Zum Beispiel gegen eine Mitschülerin, die zwickt und beißt“, sagt Sophie, während sich der zehnjährige Tcrjatko, ein Bulgare, freut, neue Freunde gefunden zu haben. „Weil sich durch das Abholen unsere Eltern kennen, lassen sie uns nun sogar gemeinsam daheim spielen.“ Überhaupt mache er gern Sport, erzählt er weiter, spiele er deshalb auch Fußball bei Rot-Weiß Bad Muskau, wo er sogar im Mannschaftsrat sei. „In der Schule bin ich auch gut, habe in Mathe eine Eins. Ich möchte nämlich mal Fußballer, Boxer oder Sportlehrer werden.“

Sprachbarriere verschwindet

Tcrjatko ist eines von rund 70 Kindern der fast 180 Grundschüler in Bad Muskau, die Migrationshintergrund haben und aus vielen Ländern, darunter Bulgarien, Türkei, Thailand, Polen, Syrien, Ukraine stammen. Nicht alle sprechen so gut Deutsch wie Tcrjatko, sind so gut wie er in der neuen Heimat integriert. Doch während in Unterricht und Freizeit durch Sprachbarrieren und unterschiedliche Kulturkreise nicht immer alles im Miteinander der Kinder glatt läuft, funktioniert es bei „Stark durch Sport“ nahezu unproblematisch. Kinder unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft durch Sport zusammenbringen, ihnen freundschaftliches, respektvolles Miteinander zu vermitteln und zu zeigen, wie Konflikte ohne Schimpfworte und Gewalt gelöst werden können, erklärt Mirko Martell, sei der Ansatz für das Angebot gewesen.

Hilfe bei der Integration

Der Bad Muskauer und Stadtrat Mirko Bartell ist Übungsleiter und beliebt.
Der Bad Muskauer und Stadtrat Mirko Bartell ist Übungsleiter und beliebt. © Sabine Larbig

Grund: In Bad Muskau leben viele Ausländer, gibt es immer wieder Diskussionen und Probleme, die Bürger, Verwaltung, Stadträte und Vermieter beschäftigen. Damit Integration funktioniert, setzt man in Bad Muskau auf miteinander kommunizieren, sich kennenlernen, gemeinsam etwas machen. Und so engagieren sich Vereine, organisieren Straßenfeste in Problembereichen, suchen Räte und Bürgermeister gezielt das Gespräch mit ausländischen Mitbürgern – nicht nur bei Schwierigkeiten im Hotspot Gehalm. Unterstützt werden sie durch Sozialarbeiter, die in Stadt und Schule im Einsatz sind. Nun soll auch das Ganztagsangebot bei der Integration helfen.

„Unsere Idee war, gezielt Kindern an der Schule was anzubieten. Das wurde dankend angenommen“, so Mirko Bartell, der beruflich Polizist ist, sich als Stadtrat engagiert, in der Freizeit Eishockey und Fußball spielt, boxt und viele Jahre Kickernachwuchs in Bad Muskau trainierte, dadurch die Lizenz als Übungsleiter hat. „Anfangs dachten Eltern, da wird Kampfsport an der Schule geboten. Dafür gibt es andere Anbieter. Unser Ansatz ist, mit Geschicklichkeitsübungen, Ausdauertraining, Mannschaftsspielen, Gruppengesprächen die Kinder körperlich und geistig zu stärken und ihnen zu zeigen, wie sie mit Beleidigungen oder Mobbing umgehen sollen, wie sie Streit vermeiden oder schlichten können. Das klappt schon ganz gut und die große Hoffnung ist, dass sie Erlerntes im Jugend- und Erwachsenenalter beibehalten.“

Die Kids mögen das Angebot, das auch gegen Diskriminierung ankämpft.
Die Kids mögen das Angebot, das auch gegen Diskriminierung ankämpft. ©  privat

Weil Familienvater Mirko Bartell, der von den Ratskollegen René Marko und Tobias Kunath unterstützt wird, die Arbeit mit den Kids Spaß macht, soll es im neuen Schuljahr ein – durch neue Angebote erweitertes – „Stark durch Sport“ an der Grundschule geben. Für die und andere Ganztags- und Schulprojekte spendet Mirko sogar sein Übungsleitergeld. „Wenn nicht wir Stadträte, die übrigens alle sozial aktiv sind, ein Beispiel geben, wer dann?“, begründet Mirko Bartell den Einsatz. Umso stolzer ist er, dass sich das Ganztagsangebot positiv rumsprach, Firmen schon kleine Geschenke für die Kids geben.

Während er erzählt, kommt Unruhe in der Turnhalle auf, ruckelt ihn ein Erstklässler am Arm und meint: „Mirko, jetzt ist doch freies Spiel“. Also Schluss mit Plaudern und hin zu den Kids, bei denen die letzten 15 Minuten besonders beliebt sind, weil sie da machen können was sie mögen. Mia und Sophie möchten tanzen, wünschen sich von Mirko per Handy den Dorfkinder-Song. Till und Mike bauen ein Fußballtor auf, Tcrjatko einen Geschicklichkeitsparcours, andere nehmen Rollbretter, spielen Handball. „Hauptsache, sie bewegen sich und friedlich miteinander“, kommentiert Mirko Bartell sichtlich zufrieden.