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Tausend Bilder im Kopf

Schulleiterin Bärbel Aulich geht in den Ruhestand. Die Bad Muskauerin freut sich auf das, was dann noch kommt.

Von Constanze Knappe
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Für Schulleiterin Bärbel Aulich ist mit diesem Schuljahr auch das Berufsleben zu Ende. Sie freut sich darauf, dass sie danach nicht mehr gezwungen ist, „in Ferien zu denken“, dass sie ganz spontan etwas unternehmen, etwa mit ihrer 85-jährigen Mutte
Für Schulleiterin Bärbel Aulich ist mit diesem Schuljahr auch das Berufsleben zu Ende. Sie freut sich darauf, dass sie danach nicht mehr gezwungen ist, „in Ferien zu denken“, dass sie ganz spontan etwas unternehmen, etwa mit ihrer 85-jährigen Mutte © Joachim Rehle

Ihre Grundstimmung sei heiter, sagt Bärbel Aulich und lacht. Daran ändert auch nichts, dass es heute in einer Woche Zeugnisse gibt und bis zum Ferienstart noch so Einiges zu tun ist. Die Leiterin der Fürst-Pückler-Grundschule Bad Muskau nimmt es gelassen. Dabei wird der letzte Schultag der Viertklässler zugleich ihr letzter sein. Denn Bärbel Aulich geht in den Ruhestand.

Dass sie 65 Jahre ist, sieht man ihr ganz und gar nicht an. „Die Arbeit mit Kindern hält jung und frisch“, begründet sie. Und, dass sie ein sehr optimistischer und heiterer Mensch sei. Aber „ein bissel Veranlagung“ gehöre wohl auch dazu.

Seit 1963 hat die gebürtige Muskauerin mit der Schullandschaft ihrer Stadt zu tun. Sie ist selber in diese Schule gegangen, obgleich damals noch in einem ganz anderen Gebäude. Die Eltern waren beide Lehrer, andere in der Verwandtschaft ebenso. So frühzeitig mit dem Beruf konfrontiert, war es für sie nur logisch, ebenfalls diese Richtung einzuschlagen. Studiert hat sie seinerzeit am Sorbischen Institut für Lehrerbildung in Bautzen, Fachrichtung Musik. Ab 1977 war sie dann Lehrerin.

Die neue Schule mit konzipiert

Zur Wende stand für sie die Frage, „nach Jemandes Pfeife herumzutanzen oder selber zu tuten“, wie sie es salopp formuliert. Also bewarb sie sich für den Posten der stellvertretenden Schulleiterin. Da gab es noch die Polytechnische Oberschule (POS), der Prozess zur Neustrukturierung der Schullandschaft in Sachsen war bereits angeschoben. Mit Gründung der Grundschule 1991 wurde sie Schulleiterin – und ist es bis heute.

Nach 44 Berufsjahren wird nächsten Freitag Schluss sein. Davon stand sie 30 Jahre in der Verantwortung als Schulleiterin. Sie erinnert sich, wie 2005 die Grundschule anfing, aus allen Nähten zu platzen. 2008 wurden Container aufgestellt, da sei die Hoffnung auf eine neue Schule aber noch gering gewesen. „Dann kam 2009 das Strukturpaket – und siehe da, auch eine neue Schule“, erzählt Bärbel Aulich. Dass sie von Anfang an in die Planung einbezogen war, Räume konzipieren und ausstatten durfte, empfindet sie noch heute als ein großes Glücksgefühl. Nicht vielen Schulleitern sei so etwas vergönnt. Auch nach zehn Jahren freue sie sich noch immer über das tolle Haus.

Der Schritt ins digitale Zeitalter

Die Kinder seien noch immer herzlich und offen für Neues. „Aber aufgeweckter und selbstbewusster, weil sie eine andere Erziehung genießen, auch nach ihrer Meinung gefragt werden“, hat sie festgestellt. Die Arbeit mit der Elternschaft sei anspruchsvoller geworden, müsse transparenter sein, weil Eltern alles hinterfragen. Das sei gerechtfertigt, vor 30 Jahren aber noch ganz anders gewesen. Damals war Schule noch eine Institution. Auch habe seither der Lehrerberuf viel an Wertschätzung verloren.

Froh ist Bärbel Aulich, dass Eltern heutzutage in kleinen Orten wie Bad Muskau bereit sind, sich in der Schule einzubringen. Dies sei längst nicht mehr überall selbstverständlich – und auch in der Fürst-Pückler-Grundschule nicht ganz konfliktfrei. Zur Lehrerschaft gehören zehn Lehrerinnen und ein Lehrer, die im Schnitt Mitte 50 sind. Die Eltern hingegen würden mit Mitte 20 bis Mitte 30 einer anderen Generation angehören. „Die Eltern achten sehr darauf, dass wir den technischen Fortschritt nicht verpassen“, sagt Bärbel Aulich.

Dank des Digitalpakts konnte die Schule innerhalb eines halben Jahres entsprechend ausgestattet werden. Damit habe man im Ansehen der Eltern gewonnen. „Sie sehen, dass wir uns der Aufgabe stellen“, so die Schulleiterin. Dass sich Bad Muskau 2020 um eine andere Lernplattform als die meisten Schulen gekümmert hat, zahlte sich in den Lockdowns aus. Ohnehin sei Corona eine Herausforderung für alle gewesen, worauf sie liebend gerne verzichtet hätten.

Der Wiederbeginn im Präsenzunterricht glich einem gegenseitigen Beschnuppern, Lehrer und Schüler waren nach Einschätzung der Schulleiterin „etwas aus dem Tritt gekommen“. Man konzentrierte sich auf die Hauptfächer, damit alle Kinder das Lernziel erreichen. Das Fach Musik von Bärbel Aulich gehört nicht dazu. Ihre letzte Musikstunde hielt sie im März. Jetzt helfe sie als Zweitlehrer in den Klassen aus.

Auf den Abschied vorbereitet

Aktuell lernen 180 Mädels und Jungs in der Fürst-Pückler-Grundschule. 48 Viertklässler gehen ab, dafür werden 56 Kinder neu eingeschult. „Das Haus wird sowas von voll“, weiß Bärbel Aulich schon jetzt. Seit sechs Jahren sind in Bad Muskau die sogenannten DAZ-Klassen (Deutsch als Zweitsprache) untergebracht. Als die Schule gebaut wurde, habe keiner damit gerechnet, dass es so viele Migrationskinder werden.

Bärbel Aulich schaut dankbar auf ein erfülltes Berufsleben zurück, in dem sie von Krankheiten verschont geblieben ist. Vor anderthalb Jahren hat sie nach reiflicher Überlegung die Entscheidung getroffen, mit diesem Schuljahresende in den Ruhestand zu gehen und das auch dem Schulamt so angezeigt. „Es hilft dabei, sich selber und das Büro zu ordnen und bei der Frage, was man schon übergeben kann“, sagt sie. Sie habe diese Zeit gebraucht. Auch deshalb fühle sie sich jetzt so aufgeräumt.

Generationswechsel steht an

Nach ihr gehen bis 2026 weitere vier Lehrer der Grundschule in den Ruhestand. Deshalb stehe ein Generationswechsel an. Die Referendarin sei ein Schritt in diese Richtung. Die Schulleiterin hat es immer als ihre Aufgabe gesehen, „Lehramtsstudenten nach Bad Muskau zu kriegen, wo doch kaum jemand so weit weg von den Großstädten hin möchte“. Aber es sei eine gute Möglichkeit, jungen Leuten in der Region Türen zu öffnen. Zudem könnten Einsteiger in einer kleinen Schule schneller Fuß fassen. Sie selber sei damals jedenfalls ganz froh darüber gewesen. Als Lehrer oder Schulleiter in der Öffentlichkeit zu stehen, das könne in einer Kleinstadt schon mal belastend sein, sagt Bärbel Aulich. Sie aber habe das nie als Last empfunden.

Kati Hille wurde als Nachfolgerin berufen. Dass es ihre Stellvertreterin ist, freut sie umso mehr. Die beiden Frauen sind auf einer Wellenlänge. So sei ein nahtloser Übergang gesichert, stehe nicht die Frage, ob jemand Neues alles Bisherige über Bord wirft. Gemeinsam hätten sie die Planungen für das neue Schuljahr vorbereitet.Wenn sie an den letzten Schultag denkt, schwirren Bärbel Aulich tausend Bilder im Kopf. „Das Allertraurigste wird sein, die Schlüssel abzugeben“, vermutet sie. Dann geht es erst einmal mit ihrem Mann in den Urlaub – zum Segeln, wie es Beide mögen. Was danach kommt, sei noch völlig offen. Aber sie freue sich auf den nächsten Lebensabschnitt. Am meisten vermissen wird sie wohl die Kinder ...

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