Bautzen. Es war Liebe auf den ersten Blick. José Manuel Ladrón de Guevara erinnert sich noch gut an das erste Zusammentreffen mit der unscheinbaren Schönen vor über zehn Jahren. Der Schnee liegt in dem Winter seinerzeit zentimeterdick auf dem maroden Palais in der Töpferstraße. „Doch schon beim Betreten haben mich seine Reize gebannt, die Proportionen der Räume waren perfekt. In Gedanken habe ich es schon eingerichtet“, schwärmt der Antiquitätenhändler über seine gut 250 Jahre alte „Lebensabschnittbegleiterin“.
Seitdem hat der Wahl-Bautzener ihr viele Stunden gewidmet. Für die zaghafte wie fachgerechte Generalüberholung dieses einzigartigen Landschlösschens hat der Bautzener Kunstverein ihm nun die Plakette „Vorbildlich restauriertes Denkmal“ überreicht.
Illusionsmalerei wieder sichtbar gemacht
José Manuel Ladrón de Guevara steht in der Belle Etage zusammen mit den Kunstvereinsmitgliedern Verena Mittasch und Peter Willroth. In den beiden wieder freigelegten sich gegenüberliegenden Kaminen stapelt sich das Holz. Der Regen peitscht an die restaurierten Fenster. An den Wänden kleben Zettelchen von den Farbuntersuchungen der Denkmalpflege. Unzählige Handschriften haben die Jahrhunderte und Bauepochen auf dem Untergrund hinterlassen. Blumige Ornamente, Blätterranken, verzierte Kanten lassen sich erahnen. Der 57-jährige Hauseigentümer schaut auf die wieder sichtbar gemachten Illusionsmalereien an der Tür zum sogenannten Damenzimmer.
Zwei angedeutete Säulen sind links und rechts des Eingangs zu sehen, darüber die Andeutung eines längst vergrauten ovalen Gemälde. Auch über den drei anderen Türen des Raums lassen sich diese Spuren des frühen Klassizismus finden. Diesen Raum möchte José Manuel Ladrón de Guevara so original getreu wie möglich restaurieren. Doch bis dahin vergeht noch Zeit.
„Der erste Bauabschnitt waren die Fenster, dann kamen Dach und Fassade. Aktuell denke ich über ein Energiekonzept nach, um dann Putz, Stuck und Elektrik zu machen. Es braucht viel Ausdauer, um die Liebe am Köcheln zu halten“, spricht der gebürtige Spanier über die Herausforderungen bei einer Restaurierung mit Fingerspitzengefühl. Er öffnet die Tür zum sogenannten Damenzimmer.
Ein großes Deckenquadrat ist dort ausgebessert. Frisches Holz verbindet sich mit alten Balken. Beim ersten Zusammentreffen mit dem reizvollen Barockbau klafft an jener Stelle ein großes Loch. Damals liegt der Komplex mehr als zwei Jahrzehnte im Dornröschenschlaf. Kunstvereinsvorsitzende Verena Mittasch erinnert sich an das „verbaute Wohnhaus, das Mitte der 1980er-Jahre leergezogen wurde“.
Danach verfällt der Bau, den einst August Prieber Mitte des 18. Jahrhundert errichten ließ. Es war ein Statussymbol für Bautzens gutbetuchten Leinwandhändler. „Die Idee vom Sommersitz der Adligen nahm das Bürgertum auf. So entstand dieses Landschlösschen am Stadtrand“, sagt Verena Mittasch.
Friseurutensilien landen im Sperrmüll
Alte Pläne berichten von einem reizenden Bürgerhaus mit jeweils sieben Fenstern pro Etage, einem großzügig angelegten Garten, Brunnen, einer Remise und weiteren Nebengebäuden. Die Exklusivität weht bis heute durch die alten Gemäuer, doch seine Sonderstellung verlor das Gebäude schon knapp 100 Jahre nach seinem Bau. Fuhrunternehmer Alwin Droschütz lässt um 1880 nicht nur ein Nebengebäude errichten. Er teilt die Räume und vermietet sie an mehrere Familien. Zu DDR-Zeiten befindet sich im Erdgeschoss ein Geschäft für Friseurbedarf. Die letzten Utensilien aus dieser Zeit verbannt José Manuel Ladrón de Guevara in den Sperrmüllcontainer.
Die Restaurierung des Barock-Palais vergleicht der Diplomkaufmann mit einem Marathonlauf, besser noch mit einem Iron-Man-Triathlon und den Disziplinen Schwimmen, Fahrradfahren und Laufen. „Zwei Drittel sind geschafft. Durch Corona musste ich dieses Jahr aber von meiner bisherigen Plänen abweichen. Allein fünf für mich wichtige Messen sind ausgefallen. Da gab es andere Prioritäten“, sagt der Antiquitätenhändler mit Geschäft in Dresden.
Jetzt aber freut er sich erst einmal über die Auszeichnung des Kunstvereins. Schließlich bedanken sich dessen Mitglieder so dafür, dass sich der Denkmal-Retter dieser „schönen, alten Dame auf der Töpferstraße so ausgiebig widmet“, sagt Peter Willroth.
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