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Wo es die 36-Stunden-Woche im Landkreis Bautzen gibt

Der Stahlschienenhersteller Savera in Hoyerswerda hat Vollzeit von 40 auf 36 Stunden pro Woche reduziert. Das sagen andere Arbeitgeber und Verbände im Landkreis Bautzen dazu.

Von David Berndt
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Arbeitszeit ist Thema bei Eule Orgelbau in Bautzen (o. l.), dem Gesundheitszentrum in Pulsnitz von Frank Pfützenreuter (u. l.) oder Bäckermeister Roland Ermer in Bernsdorf (u. r). Rico Rudolph hat bei Savera in Hoyerswerda die Vollzeit reduziert.
Arbeitszeit ist Thema bei Eule Orgelbau in Bautzen (o. l.), dem Gesundheitszentrum in Pulsnitz von Frank Pfützenreuter (u. l.) oder Bäckermeister Roland Ermer in Bernsdorf (u. r). Rico Rudolph hat bei Savera in Hoyerswerda die Vollzeit reduziert. © Archivfotos: Steffen Unger, Matthias Schumann, SZ/Uwe Soeder, kairospress

Bautzen. Es klingt verlockend und der Erfolg bestätigt offenbar, was Savera aus Hoyerswerda eingeführt hat: die 36-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich für Vollzeitmitarbeiter. Das war im Juni 2021. Werksleiter und Prokurist Rico Rudolph ist dafür zuständig. Begleitet wurde der Schritt wissenschaftlich von der TU Dresden.

Seit die Mitarbeiter vier Stunden weniger pro Woche vor allem Stahlschienen herstellen, fühlen sie sich weniger gestresst und die Zahl Krankentage sank im Schnitt von 18 auf elf. „Die Zeiten haben sich geändert“, sagt Rico Rudolph. „Es muss ja was anderes geben, als nur arbeiten zu gehen.“

Beschäftigte im Landkreis Bautzen wechseln Job öfter

Andreas Motzko ist von dem Schritt beeindruckt. „Der Arbeitgeber investiert damit in die Gesundheit und Zufriedenheit seiner Mitarbeiter“, sagt der Leiter des Bautzener Servicezentrums der DAK-Gesundheit. Ähnliche Beispiele seien ihm aus dem Landkreis Bautzen nicht bekannt.

Der Kreativität der Arbeitgeber seien da keine Grenzen gesetzt. „Manche schicken ihre Mitarbeiter während der Arbeitszeit zur Physiotherapie, zum Sport oder holen solche Dienstleister in die Firma. Die Arbeitgeber müssen etwas tun, um gute Leute zu halten, denn die wechseln mittlerweile schneller“, erklärt Andreas Motzko.

Lars Fiehler ist Geschäftsführer Standortpolitik und Kommunikation sowie Pressesprecher bei der Industrie- und Handelskammer Dresden.
Lars Fiehler ist Geschäftsführer Standortpolitik und Kommunikation sowie Pressesprecher bei der Industrie- und Handelskammer Dresden. © IHK Dresden

Das bestätigt Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer Dresden: In verarbeitenden Gewerbe oder industriellen Dienstleistungen in Ostsachsen gehe es den Beschäftigten bei einem Jobwechsel allerdings darum, mehr Geld zu verdienen. Bei Branchen mit höheren Einkommen ginge es dagegen um mehr Zeit, damit diese Mitarbeiter ihre Arbeit besser mit Familie, Hobbys oder Ehrenämtern vereinbaren könnten.

Bei der 36-Stunden-Woche hat der IHK-Sprecher aber auch Bedenken: „Wenn dieselbe Zahl an Mitarbeitern weniger Stunden arbeitet, müssen Volumen, Termine oder Öffnungszeiten trotzdem eingehalten werden. Dafür braucht es entweder mehr Mitarbeiter oder mehr Effizienz.“ Nicht jeder Arbeitgeber könne es sich angesichts steigender Energie- oder Lohnkosten leisten, die Stunden zu reduzieren, aber den Lohn beizubehalten.

Viele Beschäftigte im Landkreis Bautzen in Teilzeit

Frank Pfützenreuter hat das 2021 getan. Doch für weitere solcher Planungen fehle derzeit die Sicherheit, erklärt der Geschäftsführer des Gesundheitszentrums Pulsnitz: „Durch die Digitalisierung konnten wir die Vollzeit von 40 auf 38 Stunden bei gleichem Lohn reduzieren. Allerdings betrifft das auch nur zwei Mitarbeiter.“ Im Moment beschäftigen den Geschäftsführer vielmehr die Energiekosten für den nahenden Winter.

Auch bei Hermann Eule Orgelbau in Bautzen arbeitet lediglich ein Teil der Kollegen in Vollzeit mit 40 Stunden pro Woche. „Das sind vielleicht 25 Prozent. Der Rest arbeitet in Teilzeit“, sagt Geschäftsführerin Anne-Christin Eule. Die 40 Stunden zu reduzieren, sei aber nicht möglich. „Schließlich müssen wir unsere Produktivität gewährleisten.“ Grundsätzlich sei Eule Orgel aber offen für Wünsche der Mitarbeiter. „Lohnerhöhungen sind ihnen aber noch wichtiger, auch weil die Rente mit dranhängt.“

Bäckermeister Roland Ermer aus Bernsdorf könne die Wochenarbeitszeit kaum reduzieren, zumindest im Verkauf. „Wir wollen die Öffnungszeiten ja nicht einschränken“, sagt er. Die meisten Verkäuferinnen würden ohnehin schon in Teilzeit mit 30 Stunden pro Woche arbeiten.

Das Backen sei zudem an Zeiten und Termine gebunden und lasse sich nicht verschieben. „Wenn jemand eine Torte pünktlich zur Silberhochzeit haben möchte, können wir die nicht einen Tag später liefern“, erklärt er. Brot und Brötchen backen Roland Ermer und seine Mitarbeiter sieben Tage die Woche frisch. In der Regel arbeiten die Bäcker an fünf Tagen pro Woche je acht Stunden, manchmal auch etwas mehr.

Verschiedene Modelle, um Arbeitszeit zu verkürzen

Bei Handwerksbetrieben im Landkreis Bautzen seien bei Vollzeit 40 Stunden pro Woche noch die Regel, bestätigt Sabine Gotscha-Schock, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft. Größere Diskussionen gebe es um eine Vier-Tage-Woche.

Laut Uwe Garbe gebe es verschiedene Modelle, um die Arbeitszeit zu verkürzen oder flexibler zu gestalten. Bei einem Autozulieferer etwa könnten die Mitarbeiter freie Tage nehmen und planen, um eine Unterlastung im Betrieb zu kompensieren, erklärt der Geschäftsführer der IG Metall Ostsachsen. Firmen im Schichtbetrieb hielten an den 40 Stunden pro Woche fest, böten aber mehr freie Tage an.

Pflegeheime sind an Personalschlüssel gebunden

Würde Sascha Bock die Vollzeit auf 36 Stunden reduzieren, hätte das direkt Auswirkungen. „Wir hätten dann weniger Personal zur Verfügung und müssten noch mehr rekrutieren. Der Personalmangel in der Pflege würde sich noch zuspitzen“, sagt der Geschäftsführer der Oberlausitzer Pflegeheim und Kurzzeitpflege GmbH mit mehreren Seniorenheimen im Landkreis Bautzen.

Mit den Pflegekassen würden in der Altenpflege entsprechende Sätze verhandelt. Die Einrichtungen müssen dadurch bestimmte Personalschlüssel erfüllen. Zwar könnte Sascha Bock die Wochenarbeitszeit bei Vollbeschäftigten auf 36 Stunden reduzieren, aber nicht bei gleichem Lohn. Allerdings arbeite schon jetzt kaum ein Mitarbeiter in der Pflege aufgrund der schweren Tätigkeit und der Schichten in Vollzeit.