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Mit dem Rad in die Türkei zum heiligen Berg

Egbert Leibner aus Schwarznaußlitz radelt über 4.000 Kilometer bis zum Berg Ararat. Warum ausgerechnet das sein Traumziel ist und was er auf der Tour erlebt.

Von Bettina Spiekert
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Über 4.000 Kilometer ist Egbert Leibner aus Schwarznaußlitz in die Türkei zum Berg Ararat geradelt. Damit hat sich der 68-Jährige einen Lebenstraum verwirklicht.
Über 4.000 Kilometer ist Egbert Leibner aus Schwarznaußlitz in die Türkei zum Berg Ararat geradelt. Damit hat sich der 68-Jährige einen Lebenstraum verwirklicht. © SZ/Uwe Soeder

Obergurig. 4.116 Kilometer und mehr als 33.000 Höhenmeter ergeben rund 600.000 Pedalumdrehungen. Egbert Leibner hat seinen Traum nicht nur in Worten und Bildern festgehalten, sondern auch in Zahlen. Anfang April schwang sich der 68-Jährige zu Hause in Schwarznaußlitz bei Obergurig aufs Rad, um in etwa sechs Wochen sein Traumziel zu erreichen: den Berg Ararat. Mitte Mai endlich stand er vor dem höchsten Berg der Türkei, an dem, so steht es in der Bibel, die Arche Noah gestrandet sein soll. Egbert Leibners Traum war Wirklichkeit geworden.

Gesehen hatte er den Berg schon vor mehr als 30 Jahren, allerdings von der anderen Seite, von Armenien, aus. „Damals war der Wunsch absurd, den Ararat jemals von der Türkei aus sehen zu können, aber träumen durfte man ja“, sagt der Diplomingenieur. Mitte der 1990er-Jahre entdeckte Egbert Leibner dann das Radfahren für sich. Durch Bekannte aus dem Radsportverein Seifhennersdorf kam er auf den Geschmack, Sehnsuchtsorte per Rad zu erreichen oder fremde Länder auf zwei Rädern zu entdecken.

Erste längere Tour führte nach Sizilien

Er setzte sich das Ziel, mit spätestens 50 Jahren eine Radreise zu unternehmen. Gemeinsam mit seinem Bruder startete er 2005 von München nach Sizilien. Diese Tour machte ihm Lust auf mehr. Jedes zweite Jahr war er fortan jeweils für maximal zwei Wochen in Europa unterwegs, entdeckte Frankreich, Spanien, Lanzarote und Korsika.

Dann nahm er sich vor, eine größere Reise zu absolvieren. Ihm schwebte das Nordkap vor oder jener Berg Ararat. Nachdem das Nordkap wegen der klimatischen Verhältnisse ausgeschieden war, nahm der Plan Gestalt an, in die Türkei zu fahren. Die ursprünglich geplante Route über Polen, die Ukraine, die Krim, den Kaukasus und am Schwarzen Meer vorbei erwies sich angesichts der politischen Verhältnisse jedoch als nicht realisierbar. Leibner suchte sich eine Alternativroute über Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Bulgarien und Rumänien.

Mit dem Rennrad und via App zum Ziel

Doch der Traum, den heiligen Berg noch einmal zu sehen, hielt sich bei Egbert Leibner hartnäckig. 2019 wollte er ihn endlich verwirklichen – und dann kam Corona. Die Pandemie bremste den Nachrichtentechniker zwar aus, aber der Plan wurde detaillierter. Akribisch organisierte er jede Tagestour via App. Im Gegensatz zu vorherigen Touren war ihm diesmal wichtig zu wissen, wo er eine Bleibe für die Nacht findet. „Früher war das ein Teil des Abenteuers, nicht zu wissen, wo man am Abend übernachten kann“, sagt der 68-Jährige.

Einsame Landschaften sah Egbert Leibner auf seinem Weg zum Ararat in der Türkei.
Einsame Landschaften sah Egbert Leibner auf seinem Weg zum Ararat in der Türkei. © Egbert Leibner

Das Besondere an dieser Tour war, dass der Schwarznaußlitzer sie zum größten Teil allein bewältigen wollte. Sein Bruder sollte erst in der letzten Woche in Malatya zu ihm stoßen. Angst vor Widrigkeiten hatte Egbert Leibner nicht. Etwa 15 Kilogramm Gepäck hatte er auf sein modifiziertes Rennrad gepackt. Das ist gute 20 Jahre alt und schwerer, als es High-Tech-Rennräder heute üblicherweise sind. „Ich habe die Übersetzung altersgerecht umgebaut und auf unkaputtbare Reifen gesetzt“, sagt Leibner.

Der innere Schweinehund läuft nebenher

Als er schließlich am 3. April in Fahrradmontur aus seinem Haus in Schwarznaußlitz tritt, erwarten den Radprofi zwei Grad plus, die ihn zu Winterhandschuhen greifen lassen. Neben Radklamotten hat er auch Alltagsbekleidung dabei, wichtige Radausrüstung und für den Notfall Schlafsack, Luftmatratze und Plane. Jedes Gramm zählt, mehr als diese 15 Kilo will Egbert Leibner nicht mitnehmen. Doch die ukrainische Flagge hat Platz, als sein Zeichen gegen den Krieg.

Dann beginnen Abenteuer und Lebenstraum. An den ersten fünf Tagen läuft der innere Schweinehund lautstark neben ihm, Egbert Leibner erhofft sich einen Grund, um aufzuhören, denn das Wetter mit Regen und tiefen Temperaturen fordert ihn. Doch er besiegt den Schweinehund und radelt täglich etwa 120 Kilometer. Abends freut sich der Deutsche überall auf ein Bier. In der Türkei ist damit Schluss.

Gastfreundschaft hilft über schwierige Strecken

Die Menschen, die ihm unterwegs begegnen, machen alle Qualen wett. „Je weiter ich nach Osten kam, umso mehr Kontakte gab es“, erinnert sich Leibner. Fremde Menschen bieten ihm Speis und Trank, nehmen ihn bei Regengüssen auf. „Ich hatte vorher ein anderes Bild von der Türkei. Aber Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft dieser Menschen waren überwältigend“, sagt er im Rückblick.

Unzählige Geschichten hat er aufgeschrieben, viele auf seinem Facebook-Account samt Bildern veröffentlicht. Istanbul hat ihn ebenso fasziniert wie Kappadokien, wo er in einem Felsenhotel wohnte. Am Ende stand er dann mit seinem Bruder vor jenem Sehnsuchtsberg, dem Ararat. "Alles war perfekt, wie erträumt. Und ich bin froh, nicht nur geträumt zu haben, sondern es auch gemacht zu haben", sagt Leibner.

Diese Reise hat ihn geprägt. Auch wenn sie als letzte große Tour geplant war, hat er noch immer Sehnsucht nach fernen Ländern. „Die Seidenstraße über Taschkent, Samarkand, Buchara fasziniert mich seither. Das wäre vielleicht nochmal eine Reise wert“, sagt der Radsportler mit dem großen Reisedrang.