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Sicherheit mit Augenzwinkern: Wie Ontex in Großpostwitz Arbeitsschutz vermittelt

Unterweisungen zum Arbeitsschutz sorgen selten für Begeisterung. Doch beim Großpostwitzer Hygieneartikel-Hersteller Ontex kann die Belegschaft schon mal drüber schmunzeln.

Von Bettina Spiekert
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Mario Fritzsche, Sicherheitsfachkraft beim Hygieneartikel-Hersteller Ontex in Großpostwitz, bringt Arbeitsschutz mit Filmen  und Liedern auf lockere Weise an die Mitarbeiter.
Mario Fritzsche, Sicherheitsfachkraft beim Hygieneartikel-Hersteller Ontex in Großpostwitz, bringt Arbeitsschutz mit Filmen und Liedern auf lockere Weise an die Mitarbeiter. © Steffen Unger

Großpostwitz. Jeder, der in einem Unternehmen arbeitet, egal ob in einem kleinen Handwerksbetrieb oder in einem großen Konzern, muss sich mindestens einmal im Jahr mit den Themen Betriebssicherheit und Arbeitsschutz auseinandersetzen. Das schreibt die gesetzliche Unfallversicherung vor. Und das nicht umsonst: Im Jahr 2022 gab es nach Angaben des Spitzenverbandes der Deutschen Unfallversicherer etwa 791.000 Arbeitsunfälle, 427 von ihnen endeten tödlich.

Beim Hygieneartikel-Hersteller Ontex in Großpostwitz machte deshalb jetzt ein Truck der zuständigen Berufsgenossenschaft die rund 450 Mitarbeiter des Unternehmens zwei Wochen lang zu diesen Themen fit und sensibilisierte zu möglichen Gefahrenquellen bei der täglichen Arbeit. Dass der Truck, der sich dank ausfahrbarer Seitenteile zum Schulungsraum vergrößern lässt, bei Ostdeutschlands größtem Textilbetrieb Halt machte, ist auch Mario Fritzsche zu verdanken.

Unterhaltsame Filme statt trockener Einweisungen

Er ist bei Ontex seit mehr als 30 Jahren jener Mann, der sich als Fachkraft für Arbeitssicherheit um Arbeitsschutz, Unfallverhütung und Gesundheitsvorsorge kümmert. Dazu gehört eben auch, dass er alle Mitarbeiter zu diesen Themen schult, entweder selbst oder durch Dienstleister. „Wenn ich zu den Schulungen einlade, herrscht selten großer Enthusiasmus“, sagt er. Um seine Präsentationen anschaulicher und mit etwas mehr Pep zu gestalten, hat sich Mario Fritzsche, der eigentlich technischer Einkäufer bei Ontex ist, etwas einfallen lassen: kurze Filme, die einen Sachverhalt mit Augenzwinkern auf den Punkt bringen.

„Manchmal scheint ein Thema zum Arbeitsschutz staubtrocken. Damit es länger im Gedächtnis bleibt und die Ergebnisse dann tatsächlich auch angewendet werden, haben wir mit unseren Auszubildenden Videos gedreht“, erklärt Fritzsche. Und so hat sich der 63-Jährige, der auch privat gern Musik macht, etwa im Gitarrenduo Falmar, eine Geschichte rund um den Handlauf an Treppengeländern ausgedacht.

So wird die Geschichte des Handlaufs erzählt, der im Barock den Damen das Treppensteigen mit ihren breiten Röcken erleichterte. Um alles möglichst authentisch zu gestalten, besorgte sich Fritzsche die passenden Kostüme beim Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen und entwickelte die Filme mit der Unterstützung der Theatermacher.

Arbeitsschutzfilme wurden auch in Englisch produziert

Der Handlauf-Film sowie ein weiterer Video-Dreh zum Thema Beinahe-Unfälle stieß nicht nur bei Ontex in Großpostwitz auf große Resonanz. Zum Mutterkonzern in Belgien gehören Betriebe in Amerika, Europa und Afrika. „Damit alle in unserem Firmenverbund davon etwas haben, wurde der Film dann auch in Englisch produziert“, freut sich der Sicherheitsfachmann. Auch bei der zuständigen Berufsgenossenschaft, die für die Sparten Energie, Textil, Elektro und Medienerzeugnisse zuständig ist, kam dieses Engagement sehr gut an. So erhielt Ontex 2020 den Präventionspreis, der alle zwei Jahre vergeben wird. Dem Ganzen die Krone setzt Fritzsche mit einem Youtube-Video auf, in dem er Lutz vom Arbeitsschutz musikalisch zu Wort kommen lässt.

Dass der Arbeitsschutz nicht nur firmenintern eine große Rolle spielt, zeigen vorgeschriebene sogenannte Audits, also Überprüfungen, die für die Kunden von Ontex wichtig sind. „Wir produzieren ja hauptsächlich für große Handelsketten, die unsere Produkte als Eigenmarken verkaufen. Und denen ist es wichtig, dass bei uns alle Sicherheitsmaßnahmen der Branche angewandt werden“, sagt Fritzsche. Dann müssen die Beschäftigten auf Nachfrage auch benennen können, was sie im Falle einer Havarie, einer Fehlfunktion oder im Umgang mit gefährlichen Stoffen tun.

Doch allen vorbeugenden Maßnahmen zum Trotz gibt es auch bei Ontex Arbeitsunfälle. Bis 2019 waren es etwa zehn Unfälle pro Jahr. Im Jahr 2023 gab es drei. „Etwa 95 Prozent aller Arbeitsunfälle sind auf den Faktor Mensch zurückzuführen, nur 5 Prozent sind tatsächlich maschinenbezogene Unfälle“, sagt Mario Fritzsche.

Unfallfreies Arbeiten wird bei Ontex honoriert

Dass Unfälle nicht immer dort passieren, wo man es vermutet, wird auch bei der diesjährigen Schulung der Berufsgenossenschaft klar. Selbst in der Verwaltung gebe es mehr Unfälle als gedacht, sie rangieren nach der Branche der holz- und metallverarbeitenden Betriebe auf Platz zwei in der bundesweiten Statistik. Auch wenn Maschinen ausfallen und Techniker ans Werk müssen, würden manchmal unglaubliche Vorfälle passieren, sagt Fritzsche.

Um die Unfälle während der Arbeitszeit zu minimieren, wird bei Ontex seit Jahren unfallfreies Arbeiten honoriert. Schichten, die quartalsweise ohne Unfall ihre Arbeit erledigen, bekommen ein Schichtfrühstück oder einen Ausflug in Höhe von 300 Euro vom Unternehmen gesponsert. Dass dies funktioniert, zeigt die 2022 ausgereichte Summe von 5.400 Euro. Vorbild ist die Bestzahl bei Ontex: So gab es im Betrieb vor wenigen Jahren glatt 501 Tage lang keinen einzigen Arbeitsunfall.