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Pinocchio auf der Bautzener Bühne: Ein Abenteuer nicht nur für kleine Zuschauer

Die Geschichte vom abenteuerhungrigen Holzkopf mit der Lügennase hat Regisseur Stefan Wolfram in Bautzen als Familienstück inszeniert. Dabei vergessen die Kinder schnell, dass alles nur Spiel ist.

Von Miriam Schönbach
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Auf der Bautzener Bühne ist Janik Marder (r.) als Pinocchio in der neuen Produktion zu erleben. Seinen Vater spielt Erik Dolata, der noch in zwei weitere Rollen schlüpft.
Auf der Bautzener Bühne ist Janik Marder (r.) als Pinocchio in der neuen Produktion zu erleben. Seinen Vater spielt Erik Dolata, der noch in zwei weitere Rollen schlüpft. © Miroslaw Nowotny

Bautzen. Es dauert nur wenige Minuten, bis die Neugierde knistert und sich die kleinen Zuschauer bei der ausverkauften Premiere von „Pinocchio“ im Bautzener Theater aus dem Publikum melden. „Du bist aus Holz“, ruft es wissend aus der Reihe 8 auf die Bühne. Dort bringt Tischlermeister Geppetto seiner frisch geschnitzten Holzpuppe gerade in kleinen Schritten das Laufen bei. Doch der hölzerne Kerl mit der langen Nase will gleich ein richtiger Junge sein und die Welt schnell auf eigene Faust entdecken.

Mit seiner großen Produktion für kleine Theatergänger holt das Bautzener Haus wohl einen der beliebtesten Klassiker der Literatur auf die Bühne. In der Erzählung des italienischen Autors Carlo Collodi aus dem 19. Jahrhundert treffen eine fantastische Heldenreise und eine berührende Familiengeschichte aufeinander. Pinocchio gehört zu den Kinderbüchern, die am meisten verfilmt wurden. Berühmtheiten wie Mario Adorf sowie die Oscar-Preisträger Roberto Benigni und Tom Hanks haben den Gepetto, also den Vater Pinocchios, gespielt.

Neun Darsteller in 20 Rollen bei "Pinocchio" in Bautzen

Jener Name ist ein Wortspiel. Er setzt sich aus dem italienischen Wort "pino" (Pinie/Kiefer) und der Verniedlichungsform von "pinco" (Dummkopf) und "occhio" (Auge) zusammen. Grob geschätzt ist der Holzkopf mit der Nase, die beim Lügen wächst, in mehr als 30 Verfilmungen zu erleben. Erst 2022 war Pinocchio in einem Remake des Disney-Klassikers aus dem Jahr 1940 und in der Kombination aus Realfilm-Aufnahmen und Computeranimationen im Kino zu sehen.

Doch der Stoff funktioniert auch auf der Bühne. Das Team um den Bautzener Regisseur Stefan Wolfram erzählt das Abenteuer der berühmten Holzpuppe in einer Fassung von Peter-Jakob Kelting und Jürg Schlachter mit Spannung und viel Platz für die eigene Fantasie. In die Rolle des neunmalklugen Jungen schlüpft Ensemble-Neuzugang Janik Marder, Vater Geppetto wird von Erik Dolata gespielt. Der Schauspieler ist auch noch als wunderbarer Rabe und strenger Richter zu erleben.

Die neun Darsteller wechseln mit viel Spielfreude zwischen 20 Rollen. Nur Janik Marder ist immer Pinocchio. Ungelenk stakst er über die Bühne und sieht tatsächlich hölzern wie eine Marionette aus. Jene stolpert fast naiv von einem Abenteuer ins nächste, immer knapp an der Katastrophe vorbei. Zum Glück hat die gute Fee (Fiona Piekarek) ein Auge auf ihn, immer kann sie ihn jedoch nicht beschützen. Gerade entkommt er dem Feuer des Feuerfressers und erhält sogar noch fünf Goldtaler, als es schon die nächsten Räuber in Gestalt von Fuchs und Katze auf den kleinen Mann abgesehen haben.

Wundervolle Kostüme fürs Schauspielensemble

Die Gauner wollen ihm weismachen, dass er das Geld nur in der Erde vergraben muss, damit daraus ein Geldbaum nahe der Stadt Dummenfang wächst. Aus dem Theaterhimmel fallen Bäume wie von Kinderhänden gemalt. Die Stadt am Horizont erinnert an einen Scherenschnitt. Eingerichtet hat die Bühne Christof von Büren. Er schafft es, mit einfachen Mitteln große Wirkung zu erzielen. Neben dem Bühnenbild hat er auch wundervolle Kostüme für das Schauspielensemble entworfen. Als listiger Fuchs kommt Frank Schilcher mit Zylinder und Gehrock in einem erdigen Orange-Braun daher.

Auch schon bessere Tage hat das rote Kätzchen, humpelnd und in zerrissenen Strümpfen, gesehen. Neben diesem Part ist Larissa Ruppert auch in der Rolle einer Taube mit einer großen Liebe zur Bemmbüchse zu erleben. Deren Landung legt sie mit kräftigem Federgestöber hin. Sie soll später eine von Pinocchios Lebensretterinnen werden. Als abgerissene Katze gilt es nun erstmal, dem kleinen Abenteurer den Zaster abzuluchsen.

Kinder kommentieren eifrig Geschehen auf der Bühne

Doch die kleinen Zuschauer sind inzwischen rotwangig-begeistert. „Das sind die Bösen“, schallt es aus den Rängen. Überhaupt nutzen die Schauspieler immer wieder die Gelegenheit, das Publikum in die Geschichte einzubeziehen. Auch die Grille (Konstantin Mayer) sagt Pinocchio immer wieder, was richtig und falsch ist - getreu dem Motto „Wer nicht hören will, muss fühlen“. Dem kleinen Holzkopf nützen die Hinweise weder von den kleinen Kommentatoren noch vom grilligen Spielverderber.

Es kommt, wie es kommen muss. Im Bauch eines Wals könnte die Geschichte zu Ende gehen. Doch das passt so gar nicht zum Theaterzauber. „Wo bin ich?“, fragt der kleine Geselle, als er nach einem wilden Sturm im Dunkeln aufwacht. „Im Walmaul“, schallt es neunmalklug wieder aus Reihe 8.

„Dein Papa kommt gleich“, ruft drei Reihen davor ein Kleiner aufmunternd und mit der kindlichen Gewissheit: Am Ende wird immer wieder alles gut. Ganz genau kennt da jemand die Geschichte des kleinen Jungen mit der Lügennase. Sie wächst auf der Bautzener Bühne nicht nur, als Pinocchio erzählt, dass er gar keine Schokolade mag. Das ist natürlich glattweg geflunkert. Die Wahrheit aber ist, auch Klassiker, die fast jeder kennt, lassen sich mit viel Fantasie für die ganze Familie inszenieren.

Die nächsten Vorstellungen sind am 31. Oktober, am 4. und 26. November sowie am 3. Dezember 2023, jeweils 17 Uhr, weitere Informationen unter www.theater-bautzen.de