Weißwasser
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Schleiferin ist jetzt Sorbenbeauftragte

Floristmeisterin Kathi Struck wechselte zu Jahresbeginn zum Domowina-Regionalverband. Und mit ihrer neuen Aufgabe beim Landkreis will sie noch mehr für die Sorben erreichen.

Von Constanze Knappe
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Viele Jahre war Kathi Struck das Gesicht der Familiengärtnerei in Schleife. Jetzt hilft sie mit, dass die Sorben in der Lausitz in ihrer Einzigartigkeit und als Bereicherung wahrgenommen werden. „Als etwas, worauf man stolz sein kann – und nicht bloß als
Viele Jahre war Kathi Struck das Gesicht der Familiengärtnerei in Schleife. Jetzt hilft sie mit, dass die Sorben in der Lausitz in ihrer Einzigartigkeit und als Bereicherung wahrgenommen werden. „Als etwas, worauf man stolz sein kann – und nicht bloß als © Constanze Knappe

Der Landkreis Görlitz hat wieder eine Sorbenbeauftragte. Mit großer Mehrheit wählten die Kreisräte Kathi Struck. Ihr Amtsvorgänger Manfred Hermasch kam ebenfalls aus dem Kirchspiel Schleife. Nachdem er 2017 in den Ruhestand ging, wurden die Aufgaben von der Gleichstellungsbeauftragten mit übernommen. Nach der Wahl von Dr. Stephan Meyer (CDU) zum Landrat wollte dieser die Funktion des Sorbenbeauftragten neu beleben.

Kathi Struck bewarb sich dafür – mit Unterstützung der Domowina. Die stellvertretende Kreisvorsitzende der CDU informierte zwar ihre Partei über diese Absicht, wollte die Sache aber ausdrücklich parteiunabhängig angehen. „Mir ist die Neutralität in dem Amt wichtig, es geht um die Interessen der Sorben im zweisprachigen Siedlungsgebiet, um ein gedeihliches Zusammenleben von Sorben und Nichtsorben, da ist die Parteizugehörigkeit zweitrangig“, begründet sie. Sie versteht sich als Sprachrohr der 14 Kommunen im sorbischen Siedlungsgebiet (von 53 im Landkreis), die man zumeist nur noch an zweisprachigen Ortseingangschildern erkennt. Zu tun gebe es da eine Menge. „Wer weiß schon noch, dass Weißwasser mal ein sorbisches Dorf war“, führt sie als Beispiel an. Der Erhalt der Bildungs- und kulturellen Infrastruktur ist ihr wichtig. Auch werde sie „darauf achten, dass die Sorben bei Sparmaßnahmen im Haushalt des Landkreises nicht auf der Strecke bleiben.“ Zudem sieht sie die Gefahr, dass die Region im Strukturwandel wieder junge Menschen verliert. Sie möchte eng mit dem Sorbenbeirat und den Sorbenbeauftragten der Nachbarlandkreise zusammenarbeiten.

Die 53-Jährige ist ein Schleifer Urgestein. Sie wuchs hier auf und blieb – mit Ausnahme von drei Wanderjahren – immer hier. In Kindergarten und Schule hat sie Sorbisch gelernt, die Sprache später im Alltag aber kaum angewandt. Vielen Anderen im Kirchspiel sei es ähnlich ergangen, Brauchtum und Kultur aber werden immer noch gepflegt. „Über zwei Generationen ging die Muttersprache verloren. Man kann das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen. Aber wenn wir es schaffen, die Alltagsfloskeln ganz selbstverständlich in unser Leben einzubinden, dann hilft das, dass sich die Menschen damit identifizieren“, erklärt sie.

Kämpferin durch und durch

Kathi Struck hat keine Scheu, auf Menschen zuzugehen und Probleme anzugreifen. Sie ist engagiert, eine Kämpferin durch und durch. „Dass ich das mal so intensiv für die Sorben tue, das hätte ich mir vor einem Jahr nicht vorstellen können“, gesteht sie.Die gelernte Forstfacharbeiterin wurde von dem Forstbetrieb zum Ökonomiestudium an die Ingenieurschule für Glastechnik nach Weißwasser delegiert. Mit der Wende wurde ihr Abschluss als Ingenieurökonomin nicht anerkannt. Wie tausende Andere packte sie ihre Koffer und ging im Februar 1990 in den Westen. Sie kam in einer Anwaltskanzlei unter. Ihr Chef, der damalige Bundestagsabgeordnete Dr. Günther Hüsch (CDU/Neuss), kümmerte sich um Spätaussiedler. Der Ostdeutschen kamen ihre russischen Sprachkenntnisse da sehr gelegen, ihr oblag der Schriftverkehr.

Beim Heimaturlaub 1993 wurde ihr bewusst, wie sehr sich ihre Eltern ihre Rückkehr wünschten. Als sie dann noch ihren Mann kennenlernte, war die Sache klar. Sie brach im Westen ihre Zelte ab und kam zurück. Der studierten Ökonomin bot sich eine Perspektive in der Familiengärtnerei. Ab 1995 lernte sie Floristin, hatte im Jahr 2000 auch noch den Meisterbrief in der Tasche. Mit der Gärtnerei erlebte sie viele Höhen und Tiefen¨– bis sie 2022 vor der schweren Entscheidung stand, einen großen operativen Eingriff machen zu lassen oder sich beruflich umzuorientieren. Das sei ihr ganz und gar nicht leichtgefallen, sagt sie nachdenklich. Ihr Mann Daniel hätte sicher einen anderen Job gefunden. „Unser Herz hängt an dem Betrieb. Ihn einfach zu schließen, das kam auch wegen der Mitarbeiterinnen für uns nicht infrage“, sagt sie .

Es traf sich gut, dass die Domowina für ihren Regionalverband Jakub Lorenc-Zaleski Weißwasser/Niesky einen Projektmanager suchte. Regionalsprecherin Diana Matiza bestärkte Kathi Struck in der Bewerbung dafür. Die aber hatte vor dem Bewerbungsgespräch in Bautzen „große Bauchschmerzen“, wie sie im Rückblick einräumt. Lange Zeit war Muttersprachler die erste Bedingung, inzwischen zählt als Einstellungskriterium noch mehr, wie sehr jemand mit der Region und den Sorben verbunden ist. Und das ist Kathi Struck ganz und gar.

Nach Feierabend auf der Schulbank

Seit Januar ist sie für 30 Stunden die Woche als Projektmanagerin der Domowina in Schleife beschäftigt. Dass Dienstbesprechungen und Schriftverkehr in Sorbisch erfolgen, sei schon eine Herausforderung, gesteht sie. Deshalb sitzt sie nach Feierabend auf der Schulbank und lernt wieder Sorbisch, unterstützt durch Sprachmotivatorin Jadwiga Kaulfürst. Noch habe sie eine gewisse Scheu, im Alltag sorbisch zu sprechen und zu denken, aber sie arbeite daran, meint sie schmunzelnd. Andere zum Gebrauch sorbischer Alltagsfloskeln zu animieren, das hat sie sich fest vorgenommen.

Kathi Struck arbeitet an drei Projekten: Der Sagenpfad in Schleife soll erweitert und das gesamte Figurenensemble mit einheitlichen Tafeln in Deutsch, Obersorbisch und Schleifer Dialekt beschriftet werden. Geplant ist eine Wandererkundungskarte für Kinder, in der (sorbische) touristische Ziele kindgerecht aufbereitet sind. Und dann schwärmt sie noch von einer „Sommerparty auf der Wiese“. Die Idee kam ihr, weil es so viele sorbische Jugendbands gebe und sie gerne etwas für Jugendliche machen möchte. Schließlich sei die sorbische Jugend auch in der Brauchtumspflege ganz vorne mit dabei. „Ich will aber niemandem meine Ideen aufs Auge drücken, sondern zusammen mit den Leuten etwas entwickeln“, sagt sie. Ideen hätten die ehrenamtlich tätigen Vereine, doch weil die Haushalte überall angespannt sind, mangelt es bei der Umsetzung meist an Geld. Sie hilft dabei, Finanzierungsquellen zu erschließen.

Mehr öffentliche Wahrnehmung

Obendrein ist sie jetzt auch zentrale Ansprechpartnerin für die Belange der Sorben im Landkreis Görlitz. 9,5 Stunden die Woche. Sie will ihnen zu mehr öffentlicher Wahrnehmung verhelfen. Und das „nicht bloß als folkloristisches Überbleibsel“, betont sie. Sie werde sich erstmal einen Überblick über den Ist-Zustand verschaffen. „Die Zweisprachigkeit und die Vielfalt der sorbischen Kultur machen unsere Lausitz einzigartig. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal und sollte präsenter sein“, das findet Kathi Struck nicht erst, seit sie in Verantwortung für sorbische Projekte steht.

Neulich bekam sie zu hören, dass sie sich mit der neuen Aufgabe nur profilieren wolle. Das tut ihr weh. Seit langem schon steckt sie viel Zeit und Energie in die verschiedensten Ehrenämter, um Schleife, den Kreis und die Region voranzubringen. „Dadurch lernt man immer neue Leute kennen und man steckt in der Matiere drin“, sagt sie. Als Kehrseite dessen bleibt nur wenig Freizeit. Und wenn, dann genießt sie die beim Schnattern mit der besten Freundin und einem Glas Wein oder wenn sie mit ihrem Mann etwa bei der Schlössernacht in Dresden unterwegs ist und ganz bewusst das Handy ausbleibt.