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Sexueller Missbrauch: Täter zieht Geständnis zurück - und wird trotzdem verurteilt

Der Angeklagte hatte zunächst zugegeben, die Tochter seiner Ex-Partnerin missbraucht zu haben. Im Berufungsprozess vorm Landgericht Bautzen wählt er eine andere Taktik - und scheitert.

Von Antonio Ziesche
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Nico W. (l.) hat die damals minderjährige Tochter seiner Ex-Freundin mindestens zweimal missbraucht. Vor Gericht scheiterte die Taktik, auf die er sich mit seinem Verteidiger, Jörg Dänzer, geeinigt hatte.
Nico W. (l.) hat die damals minderjährige Tochter seiner Ex-Freundin mindestens zweimal missbraucht. Vor Gericht scheiterte die Taktik, auf die er sich mit seinem Verteidiger, Jörg Dänzer, geeinigt hatte. © lausitznews.de

Bautzen. Der 34-jährige Nico W. aus Hoyerswerda gestand, die minderjährige Tochter seiner ehemaligen Lebensgefährtin zwischen 2014 und 2017 mindestens zweimal sexuell missbraucht zu haben. Das Amtsgericht Kamenz, an dem der Fall bereits im Mai vergangenen Jahres verhandelt wurde, verurteilte den Angeklagten daraufhin zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Nico W. legte dagegen Berufung ein - und saß deshalb jetzt erneut auf der Anklagebank.

Im Berufungsprozess am Landgericht Bautzen nimmt der Berufskraftfahrer nun sein Geständnis zurück. Er habe die ihm vorgeworfenen Taten nie begangen, sagt er. Vorm Amtsgericht habe er sie fälschlicherweise zugegeben, um eine Bewährungsstrafe zu erzielen. Sein Verteidiger habe ihm das geraten. „Ich dachte, das Geständnis sei die einzige Option, mein Kind zu behalten, weil ich wusste, dass die Kinder bei einer Bewährungsstrafe nicht weggenommen werden“, sagt der Verurteilte.

Opfer unter Vorwand in seine Wohnung gelockt

Mit seiner ehemaligen Lebenspartnerin und Mutter des Opfers hat Nico W. eine zehnjährige Tochter. Seit seiner Verurteilung vor einem guten halben Jahr lebt das Mädchen bei den Großeltern. Nico W. wurde mittlerweile das Sorgerecht entzogen.

Auch das heute 15-jährige Opfer ist größtenteils bei seinen Großeltern aufgewachsen. Die ehemalige Partnerin von Nico W. gibt zu, mit ihrem ersten Kind, das sie im Alter von 17 Jahren bekommen hat, überfordert gewesen zu sein. Die junge Mutter habe jede Möglichkeit genutzt, das Kind abzugeben.

Die gemeinsame Tochter des Paares und jüngere Halbschwester des Opfers habe nach der Trennung bei Nico W. gelebt. Unter dem Vorwand, dass sich die Mädchen sehen wollen, habe der Täter seine ehemalige Partnerin ab 2014 immer wieder dazu gebracht, ihre ältere Tochter übers Wochenende zu ihm zu geben.

"Er hat Dinge gemacht, die ich nicht wollte"

Wenn sie am Wochenende zu Besuch in der damaligen Wohnung des Täters in Spreetal war, musste sie zusammen mit Nico W. auf der Couch schlafen, erinnert sich das Opfer. Während der Fernseher lief, verging sich der Verurteilte an dem Mädchen, welches damals im Grundschulalter war. Der Ablauf der Tat sei immer gleich gewesen. Im Detail könne sie sich aber nur an zwei Fälle erinnern: einmal in Spreetal, das andere Mal in einer Wohnung in Königsbrück, in der Nico W. mit einer anderen Partnerin lebte.

Nico W. habe sie im Intimbereich angefasst, sei mit seinen Fingern vaginal in sie eingedrungen und habe sie anal mit seinem Penis penetriert, schildert das Opfer vor Gericht. Außerdem soll er auch versucht haben, sein Geschlechtsteil in ihre Vagina einzuführen, was aber anatomisch nicht möglich gewesen sei. Der Achtklässlerin fällt es sichtlich schwer, über das Thema zu sprechen, ihre Stimme zittert, sie ringt um Worte. „Er hat Dinge gemacht, die ich nicht wollte“, sagt sie. Bei den Taten habe sie vor allem Schmerzen verspürt.

Gutachterin bestätigt Glaubwürdigkeit des Opfers

Nach dem Sexualunterricht in der vierten Klasse wird dem Mädchen bewusst, dass es nicht richtig gewesen ist, was Nico W. mit ihm gemacht hat. Es wendet sich an seine Pflegemutter. Seit es zehn Jahre alt ist, lebt das Mädchen bei einer Pflegefamilie in Boxberg. Gemeinsam mit der leiblichen Mutter stellen sie 2019 Strafanzeige bei der Polizei.

Im Prozess steht Aussage gegen Aussage. Da eine Gutachterin die Glaubwürdigkeit der Erzählungen des Opfers bestätigt, geht das Gericht davon aus, dass sie auf realen Erlebnissen beruhen. Nach sieben Stunden Verhandlung entscheidet das Gericht, die Berufung des Angeklagten zu verwerfen.