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Mutmaßlicher Brandstifter von Großröhrsdorfer Kirche ist schuldfähig

Der mutmaßliche Kirchen-Brandstifter leidet seit der Trennung von seiner Frau unter einer Depression. Für eine Schuldminderung dürfte das nicht reichen.

Von Tim Ruben Weimer
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Maik H. zeigte sich über den gesamten Prozess als ruhiger, besonnener Typ, der selbst mit den Justizbeamten, die ihn in Handschellen in den Saal führen, Smalltalk führen kann.
Maik H. zeigte sich über den gesamten Prozess als ruhiger, besonnener Typ, der selbst mit den Justizbeamten, die ihn in Handschellen in den Saal führen, Smalltalk führen kann. © xcitepress/Rico Loeb

Bautzen. Im Prozess gegen den 41-jährigen Maik H., dem vorgeworfen wird, die Großröhrsdorfer Stadtkirche in der Nacht zum 4. August 2023 in Brand gesetzt zu haben, ist der Tatverdächtige psychologisch untersucht worden. Psychologische Gutachten dienen vor Gericht oft dazu, eine verminderte Schuldfähigkeit beim Angeklagten festzustellen. Bei Maik H. kam Gutachter Hermann-Josef Gertz, emeritierter Professor für Psychologie an der Uni Leipzig, jedoch zu einem anderen Ergebnis.

Gutachter: Einweisung in Psychiatrie nicht angebracht

Er sieht keinen Grund für eine Einweisung in eine Entziehungsanstalt, eine psychiatrische Klinik oder für eine sich an eine Haftstrafe anschließende Sicherungsverwahrung. "Nichts, was für eine Einweisung sprechen würde, trifft auf ihn zu", erklärt Gertz. Maik H. sei einfach ein fleißiger Handwerker, der an einer bestimmten Stelle seines Lebens aus der Bahn geraten sei. Die "sehr spezifische biografische Situation" von H. habe möglicherweise zu der Tat geführt, die er begangen haben soll.

Zur Erinnerung: Maik H. hatte zunächst bei der Polizei zugegeben, den Brand gelegt zu haben. Vor Gericht bestreitet er das nun und behauptet, er sei von zwei fremden Männern gezwungen worden, sich zur Tatzeit mit ihnen an der Großröhrsdorfer Kirche zu treffen. In seinem Rucksack haben Polizisten jedoch Glasscherben der Kirchenfenster gefunden.

Frau war mit Kindern urplötzlich ausgezogen

Zwar sei Maik H. psychisch zurechnungsfähig, er leide jedoch seit mehreren Jahren unter einer mittelschweren depressiven Episode, diagnostiziert Professor Gertz. Der urplötzliche Auszug seiner Frau mit den drei gemeinsamen Kindern aus dem gemeinsamen Haus außerhalb Sachsens sei dafür der Auslöser gewesen. Obwohl sich seitdem sein Alkoholkonsum immer weiter gesteigert habe - zuletzt habe er wie auch kurz vor der Tatnacht häufiger eine Flasche Wodka mit Cola konsumiert -, zeige er keine Abhängigkeit.

Auch Drogen spielten eine Rolle im Leben des Beschuldigten. Nach der Trennung von seiner Ex-Frau und einem Suizidversuch sei er kurzzeitig in die Drogenszene seines damaligen Wohnortes abgerutscht und habe mit einer Drogenabhängigen ein viertes Kind bekommen, dessen Existenz er in den Vernehmungen immer wieder leugnete. Doch auch hier sei keineswegs von einer Abhängigkeit zu sprechen, so Gertz.

Elternhaus fing Maik H. in seiner Lebenssituation auf

Als er danach in das Wohnhaus seiner Eltern im Westen des Landkreises Bautzen zurückkehrte, hätten ihn wieder geordnete Verhältnisse umfangen. "Er hat abends mit der Familie Fernsehen geschaut, ging mit dem Bruder zum Fußball und hat mitgeholfen, das Haus der Eltern zu renovieren", sagt der Professor. Auch zu den Kindern, die er mit seiner ehemaligen Frau hat, habe er ein gutes, enges Verhältnis gehabt. Seine Frau hatte jedoch darauf hingewirkt, dass ihm das Umgangsrecht verwehrt wurde. "Er hat wohl nie verstanden, dass er mit seinem Verhalten gegen Regeln verstoßen hat."

Das Fass zum Überlaufen brachte dann mutmaßlich die Nachricht vom Kontaktverbot zu seinem ältesten Sohn, mit dem er jeden Abend telefonierte und Computerspiele wie Minecraft spielte. Die Nachricht hatte ihm seine Mutter am Tag vor der Brandnacht übermittelt - zumindest wenn man der Mutter glaubt. Denn gegenüber der Polizei erzählte Maik H., er habe erst nach dem Kirchenbrand von der Kontaktsperre erfahren. Das berichtet eine der Polizeibeamtinnen, die ihn vernahmen.

Beschuldigter verheddert sich in eigenen Aussagen

Auch in anderen Punkten verhedderte sich H. im polizeilichen Verhör. So gab er an, die Verletzungen in seinem Gesicht würden von Glasscheiben aus seinem "Schnäppchenhaus" stammen, das er für 40.000 Euro gekauft habe, aber nie ganz bezahlen konnte. Die Scheiben seien ihm ins Gesicht gefallen und möglicherweise auch in seinen Rucksack, wo die Polizei Scherben der Kirchenfenster fand. Gegenüber seiner Mutter hatte er noch erzählt, die Verletzungen stammten von einer Explosion beim Grillen in dem Haus.

Der Familie war nach dem Brand offenbar klar, dass sie über kurz oder lang Besuch von der Polizei erwartete. "Als wir bei der Wohnung ankamen, stand die Mutter auf der Terrasse und schimpfte laut, sie hasse den Pfarrer und die Ex-Frau von Maik H.", berichtet eine Vernehmerin. Sie habe aber immer wieder betont, ihr Sohn würde so etwas nie machen und sei Opfer von Jugendamt, Familiengericht, Arbeitgeber, Freunden und seiner ehemaligen Frau geworden.

Hatte Maik H. auf dem Fahrrad genug Benzin dabei?

Maik H.s Verteidiger Florian Berthold legte sich am vorletzten Prozesstag noch einmal mächtig ins Zeug, um möglichst einen Freispruch für seinen Mandanten zu erwirken. In zwei Anläufen beantragte er, zusätzlich zu den zwei gehörten noch einen dritten Brandschadengutachter zu hören. Dieser solle errechnen, wieviel Benzin denn nötig gewesen wäre, um ein Feuer dieser Größe zu entfachen. An vorigen Prozesstagen hatte ein Gutachter zunächst von vier bis sechs Litern gesprochen, hatte dann auf Nachfragen des Gerichts aber auch geringere Mengen für möglich gehalten.

Laut Ermittlungen der Staatsanwaltschaft soll Maik H. nur eine Halb-Liter-Flasche Benzin dabei gehabt haben. Das Gericht wies den Antrag ab: "Wir sind überzeugt, dass eine Menge, die man mit dem Fahrrad transportieren konnte, ausreichend gewesen sein könnte", nahm Richter Ringo Hensel vorweg. Das Urteil wird bereits am morgigen Dienstag, dem 27. Februar, erwartet.