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Kreis Bautzen: Welche Vereine Spenden von der Justiz bekommen

Geldzahlungen aus eingestellten Gerichtsverfahren gehen häufig an gemeinnützige Organisationen. Wer darüber entscheidet und wer im Kreis Bautzen davon profitiert.

Von Tim Ruben Weimer
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Die Strafprozessordnung sieht vor, dass Verfahren gegen Auflagen, etwa eine Geldzahlung an eine gemeinnützige Einrichtung, eingestellt werden können. Richter wie Dirk Hertle am Bautzener Amtsgericht entscheiden, an welche Organisation das Geld fließt.
Die Strafprozessordnung sieht vor, dass Verfahren gegen Auflagen, etwa eine Geldzahlung an eine gemeinnützige Einrichtung, eingestellt werden können. Richter wie Dirk Hertle am Bautzener Amtsgericht entscheiden, an welche Organisation das Geld fließt. © Archivfoto: SZ/Lucy Krille

Bautzen. Wird ein Angeklagter vor Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt, fließt das Geld im Regelfall in den sächsischen Justizhaushalt. Auch Bußgelder etwa wegen Geschwindigkeitsübertretung gehen an die öffentliche Hand. Doch in einigen Fällen kann Geld auch an bestimmte Vereine und Organisationen weitergereicht werden. Wann das der Fall ist und wer im Kreis Bautzen davon profitiert.

Wann fließen Gelder an Vereine?

Laut Paragraf 153a der Strafprozessordnung können Gerichts- und Ermittlungsverfahren, bei denen es sich nur um geringfügige Vergehen handelt, mit oder ohne Auflagen eingestellt werden. Mögliche Auflagen sind Ableistung von gemeinnütziger Arbeit, ein sozialer Trainingskurs oder eine Wiedergutmachungsleistung gegenüber dem Opfer. Aber auch die Zahlung von Geld an eine gemeinnützige Einrichtung oder die Staatskasse kann zur Bedingung gemacht werden. Es handele sich meistens um dreistellige Summen, die die Beschuldigten zahlen müssen, erklärt der Bautzener Richter Dirk Hertle.

Am Amtsgericht Bautzen wurden im vergangenen Jahr 235 Verfahren gegen Geldzahlung an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt, so viele wie noch nie. Am Amtsgericht Kamenz war das bei 69 Verfahren der Fall, am Amtsgericht Hoyerswerda bei 61. Am Landgericht sind Verfahrenseinstellungen deutlich seltener. Auch die Staatsanwaltschaft kann Ermittlungsverfahren gegen Geldzahlung einstellen.

Wer entscheidet, welche Organisation Geld bekommt?

"Der zuständige Richter entscheidet unabhängig darüber, welcher Einrichtung er das Geld zuweist", erklärt die Direktorin des Bautzener Amtsgerichts, Gesine Tews. Kontrolliert werde das nicht. In der Vergangenheit hatte das in einzelnen Fällen zu fragwürdigen Zuwendungen geführt. In Bremen hatten Staatsanwälte beispielswiese Geld an Fußballvereine überweisen lassen, mit denen sie selbst verbunden waren. Entsprechende Fälle sind aus Bautzen nicht bekannt, obwohl auch hier Verbindungen zwischen Vereinen und Justiz bestehen.

Dem eigenen Verein Geld zuzuweisen, ist grundsätzlich nicht verboten. Der Landesrechnungshof Sachsen ist jedoch schon seit Jahren der Ansicht, die Geldvergabe müsse transparenter erfolgen und kontrolliert werden. Eine statistische Erfassung diene der Vorbeugung von Korruption. "Meines Erachtens ist es unzulässig, an den eigenen Verein zahlen zu lassen", sagt Richter Dirk Hertle. Häufig wähle er den Empfänger des Geldes abhängig von der Art der Tat aus, erklärt er. Jüngere Beschuldigte müssten so an den Seniorenverein zahlen, Tierquäler an das Tierheim, rechte Täter vielleicht an einen Verein zur Rassismus-Bekämpfung.

Welche Vereine im Kreis Bautzen bekommen Geld?

Richter und Staatsanwälte entscheiden frei, ob sie an regionale oder überregionale Organisationen Geld überweisen. Größere Summen erhielten laut einer Datenbank des Recherchezentrums "Correctiv" in Bautzen

  • die Gesellschaft für Bürger und Polizei, die Projekte zur Kriminalitätsvorbeugung durchführt (mindestens 41.200 Euro)
  • der Bautzener Helferverein des Technischen Hilfswerks (mindestens 40.605 Euro)
  • die Bautzener Kreisverkehrswacht (mindestens 32.690 Euro).
  • Auch der Tierschutzverein, das Frauenschutzhaus und die Arbeiterwohlfahrt erhielten mehr als 20.000 Euro.

In Kamenz ging im Zeitraum 2007 bis 2016 das meiste Geld an

  • die Diakonie (mindestens 26.655 Euro)
  • die Kreisverkehrswacht (mindestens 21.549 Euro)
  • den Betreuungsverein Landkreis Kamenz (mindestens 11.350 Euro).

In Bischofswerda erhielt das Freizeitzentrum Regenbogen von 2012 bis 2016 mindestens 6.215 Euro an Spenden aus der Justiz. Auch Schulvereine sind häufig Empfänger. Der Sorbische Schulverein Bautzen erhielt zwischen 2012 und 2016 etwa 4.450 Euro, in Kamenz bekamen die Schulfördervereine der ersten und zweiten Mittelschule, der Grundschule am Forst, des Gotthold-Ephraim-Lessing-Gymnasiums und der Johann-Gottfried-Bönisch-Förderschule Zuwendungen von bis zu 3.500 Euro. In Radeberg bekam in den Jahren 2014 und 2015 der Förderverein der Ludwig-Richter-Schule 2.467 Euro.

Was tun Vereine, um Geld von der Justiz zu erhalten?

Das Oberlandesgericht führt eine Liste mit überprüften gemeinnützigen Organisationen, die sich um Spendengelder beworben haben, angefangen bei der Kleingartenanlage über die Ostsächsischen Eisenbahnfreunde bis zur Familienhilfe. Zudem gehe am Gericht jede Woche ein Stapel mit "Bettelbriefen" ein, sagt Hertle. Er selbst wähle meistens Organisationen, von deren guter Arbeit er überzeugt ist. So habe er bereits an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und auch an die Stiftung "Lichtblick" der Sächsischen Zeitung Geld zahlen lassen.

Aktive Werbung betreibe der THW-Ortsverein nicht, sagt Andreas Heinrich, stellvertretender Ortsbeauftragter des Bautzener THW, an das bereits viel Geld geflossen ist. Petra Mirtschin vom Bautzener Frauenschutzhaus hält die Zahlungen aus der Justiz für "sehr wichtig" für ihren Verein, der sich rein aus Spenden finanziere, es handele sich um "leicht verdientes Geld". Die Bautzener Arbeiterwohlfahrt erhalte maximal 5.000 Euro pro Jahr, sagt der stellvertretende Geschäftsführer Holm Natschke. Im Gegensatz zu vielen anderen Spenden sei das Geld nicht zweckgebunden und könne damit eingesetzt werden, um unvorhergesehene Ausgaben zu begleichen.