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Muss Kreis Bautzen Corona-Bußgelder zurückzahlen?

Das Gericht hat einen Teil einer Corona-Schutzverordnung für unwirksam erklärt. Der Kreis Bautzen sieht keinen Grund zum Handeln – ein anderer hingegen schon.

Von Theresa Hellwig
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Nachts unterwegs ohne triftigen Grund? Unter anderem in Bautzen wurde das von der Polizei kontrolliert. Wer gegen die Ausgangsbeschränkungen verstoßen hat, musste mit einem Bußgeld rechnen. Müssen jetzt einige der Gelder zurückgezahlt werden?
Nachts unterwegs ohne triftigen Grund? Unter anderem in Bautzen wurde das von der Polizei kontrolliert. Wer gegen die Ausgangsbeschränkungen verstoßen hat, musste mit einem Bußgeld rechnen. Müssen jetzt einige der Gelder zurückgezahlt werden? © Steffen Unger

Bautzen. Wohl die meisten Bautzener haben Schlagworte wie Ausgangsbeschränkungen, Corona-Schutzverordnung oder „triftiger Grund“ schon einmal benutzt oder wenigstens gehört. Durch die Corona-Pandemie gehören die Begriffe mittlerweile quasi zum Alltags-Sprachgebrauch.

Vor etwas mehr als einem Jahr war das noch anders. Viel Unsicherheit war dabei, als zum 31. März 2020 die erste Corona-Schutzverordnung in Sachsen in Kraft trat. Die erste Vorschrift war dann aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts (OVG) auch lückenhaft – und ist deshalb teilweise für unwirksam erklärt worden. Nun fordert der AfD-Landtagsabgeordnete und Bautzener Kreisrat Timo Schreyer, dass der Kreis Bautzen zu Unrecht kassierte Corona-Bußgelder zurückzahlt. Muss der Kreis das tun?

Was genau hat das OVG für unwirksam erklärt?

In einem Urteil vom 21. April dieses Jahres hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht einen Teil der ersten Corona-Schutzverordnung des Freistaats Sachsen für unwirksam erklärt. Diese galt vom 1. bis zum 20. April 2020. Konkret geht es um den zweiten Paragraphen, in dem die Ausgangsbeschränkungen festgelegt worden sind. Also: in dem das Verlassen der häuslichen Unterkunft ohne triftigen Grund untersagt worden ist. 15 triftige Gründe hatte die Regierung aufgezählt, die zum Verlassen der Unterkunft berechtigten. Sport und Bewegung im Freien vorrangig im Umfeld des Wohnbereichs gehörten dazu. Was allerdings zum „Umfeld des Wohnbereichs“ gehörte, war aus Sicht des OVGs zu unklar – und der Paragraph zwei damit unwirksam.

Um welche Summen geht es im Kreis Bautzen?

Wer gegen die Corona-Schutzverordnung verstieß, musste mit Bußgeldern rechnen. Im Jahr 2020 erteilte der Kreis Bautzen Corona-Bußgelder mit einer Gesamtsumme von 119.000 Euro, dieses Jahr kamen schon bis jetzt 109.000 Euro zusammen.

Allein für die Verstöße gegen die Ausgangsbeschränkungen im Zeitraum der nun für unwirksam erklärten Corona-Schutzverordnung, also für Verstöße vom 1. bis 20. April 2020, wurden im Kreis Bautzen etwa 24.000 Euro fällig. Das betrifft Verwarn- und Bußgelder.

So konnte die Polizei Verwarngelder zwischen fünf und 55 Euro aussprechen, das tatsächliche Bußgeld für das Verlassen der häuslichen Unterkunft ohne triftigen Grund betrug 150 Euro. Um etwa 450 Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen gegen die Ausgangsbeschränkungen aus dieser einen Verordnung ging es insgesamt, teilt das Bautzener Landratsamt mit.

Was fordert der AfD-Kreisrat?

Der AfD-Kreisrat und -Landtagsabgeordnete fordert, dass der Kreis Bautzen zu Unrecht gezahlte Bußgelder zurückzahlt. Schreyer bezieht sich auf den Landrat des Kreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, der bereits mitgeteilt habe, die Summe zurückzahlen zu wollen – sobald das Urteil rechtskräftig ist. Wie das OVG mitteilt, ist das mittlerweile der Fall. „Wieso wird in einem Freistaat Sachsen mit zweierlei Maß gemessen?“, fragt Timo Schreyer. Er findet: „Hier geht es um Gerechtigkeit.“

Wie reagiert der Landkreis Bautzen?

Der Kreis Bautzen kündigt an, die bereits gezahlte Summen nicht zurückzahlen zu wollen. Er argumentiert mit einer Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften. Bei dieser, konkret war es die 54., wurde im Nachgang festgestellt, dass ein Artikel nichtig ist. Und dort hatte die Landesdirektion Sachsen, die über die Bußgeldstellen in Sachsen Aufsicht führt, eine Handhabe ausgeteilt. Darin hatte sie erklärt, wie mit den Summen, die bereits gezahlt worden sind, umzugehen ist. Das Fazit: Bei dieser straßenverkehrsrechtlichen Verordnung solle keine Rückzahlung von Bußgeldbeträgen erfolgen. „Ähnlicher Sachverhalt, gleiche Verfahrensweise“, heißt es vonseiten des Landratsamtes in Bezug auf die Corona-Bußgelder.

Was sagt die Landesdirektion dazu?

Ganz so einfach, wie es sich der Landkreis Bautzen macht, ist es aber nicht – sagt die Landesdirektion. In dem Erlass, den das Bautzener Landratsamt heranzieht, gehe es um die Verordnung zur Änderung der straßenrechtlichen Vorschriften. „Die Regelungen aus diesem Erlass finden keine Anwendung auf die Bußgelderhebung auf der Grundlage der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung“, sagt Landesdirektionssprecher Ingolf Ulrich.

Ganz unabhängig davon könne der Kreis es aber so handhaben, dass er bereits gezahlte Summen nicht zurückzahlt. Das sei sogar die gängige Verfahrensweise. „Die entsprechenden Verwarnungen sind durch Zahlung erledigt. Bußgeldbescheide sind, wenn kein Einspruch eingelegt wurde, rechtskräftig und vollstreckbar“, sagt Ingolf Ulrich. Ein Anspruch auf eine Rückzahlung bestehe nicht. Anders sehe es für diejenigen aus, die gleich zu Beginn in Widerspruch gegangen sind. Vor Gericht könnte es für sie nun anders ausgehen als vor dem Urteil des OVG. Für einen Widerspruch gebe es aber bestimmte Fristen; jetzt noch, also nach der Zahlung, in Widerspruch zu gehen, sei nicht möglich.

Dennoch: Zwar sei die Verhaltensweise des Kreises Bautzens die gängige. Wenn sich der Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge dafür entscheide, die Summe zurückzahlen zu wollen, sei das aber möglich. Allerdings hat auch dieser Landkreis nun angekündigt, das Ganze doch noch einmal prüfen zu wollen.