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Nachruf auf Magdalene Kemlein: Sie war die Seele der Musikschule in Bautzen

Vier Jahrzehnte förderte die Dresdnerin musikalische Talente. Dem Mädchenkammerchor der Musikschule Bautzen gehörte ihre besondere Liebe. Jetzt ist sie verstorben.

Von Miriam Schönbach
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Magdalene Kemlein in ihrem Element: Die Aufnahmen zeigt die Musikpädagogin 2004 in Bautzen. Mitte Januar 2024 ist sie im Alter von 93 Jahren verstorben.
Magdalene Kemlein in ihrem Element: Die Aufnahmen zeigt die Musikpädagogin 2004 in Bautzen. Mitte Januar 2024 ist sie im Alter von 93 Jahren verstorben. © privat

Bautzen, Dresden. Das Traben der kleinen Pferdchen ist zu hören, wie sie im Lied fröhlich durch den Schnee stampfen. „Wintersonne, Winterwald - welch ein helles Singen. Schlitten gleiten auf und ab. Und die Schellen klingen“ heißt es im Kinderlied von Magdalene Kemlein. Text und Komposition der fröhlichen Winterweise stammen aus ihrer Feder. In Bautzen ist die Musikpädagogin und -therapeutin darüber hinaus als entscheidende Wegbegleiterin der Kreismusikschule und „Seele des Hauses“ bekannt. Im Alter von 93 Jahren ist sie nun am 13. Januar 2024 verstorben.

Magdalene Kemlein wird am 23. Dezember 1930 in Dresden-Blasewitz in einer künstlerisch-musischen Familie geboren. Ihr Vater ist Allgemeinmediziner mit eigener Praxis, die Eltern legen Wert auf die musikalische Bildung der Kinder. So ist es auch kein Wunder, dass Tochter Magdalene ab 1949 Schulmusik in Weimar studiert. Schon im zweiten Studienjahr gibt sie ihr Wissen weiter und unterrichtet Kommilitonen in Liedspiel und Improvisation, nach dem Staatsexamen kommen Rhythmik, Volkstanz und Chorleitung dazu.

Magdalene Kemlein gründet Mädchenkammerchor

In ihrer Promotion beschäftigt sich die junge Frau mit Improvisation und der Schulmusikerziehung. Ihre Idee dabei, Musik aus dem gemeinsamen Erarbeiten entstehen zu lassen, ist revolutionär für die Zeit. Vom thüringischen Weimar wechselt Magdalene Kemlein über die Martin-Luther-Universität Halle und die Humboldt Universität Berlin 1958 an die Bautzener Musikschule. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit sind die Kinderchöre, bereits 1967 gründet sie den bis heute bestehenden Mädchenkammerchor.

Die Musikpädagogin beginnt mit neun 14-jährigen Sängerinnen anspruchsvolle dreistimmige Liedsätze zu proben, in den 70er- und 80er-Jahren folgen Chorreisen in viele Bezirke der DDR, ins osteuropäische Ausland und nach 1989 in die alten Bundesländer. In dieser Zeit gibt es zahlreiche Verpflichtungen für Aufnahmen des Rundfunks, das Ensemble ist auch bei Inszenierungen des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters Bautzen gefragt. Der Chor nimmt darüber hinaus erfolgreich an Chorfesten, zum Beispiel „Bohemia cantat“ in Tschechien, und an Chorwettbewerben teil. So wird er 1987 beim letzten Zentralen Chorfest der DDR in Eisenach mit dem ersten Preis ausgezeichnet.

Magdalene Kemlein dirigiert Anfang der 90er-Jahre den Kammerchor in der Aula des Schiller-Gymnasiums Bautzen.
Magdalene Kemlein dirigiert Anfang der 90er-Jahre den Kammerchor in der Aula des Schiller-Gymnasiums Bautzen. © privat

Bei ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verfolgt Magdalene Kemlein immer ihre ureigene musikdidaktische Idee: den Aufbau einer körperlich verankerten Musikalität durch Singen und Rhythmik. Ihre Herangehensweise prägt viele nachfolgende Lehrergenerationen an der Kreismusikschule Bautzen. Viele junge Talenten werden durch sie entdeckt, gefördert und sind zum Teil bis heute selbst in der Musik tätig. An der Bautzener Musikschule wirken bis heute Ehemalige von Magdalene Kemlein, die ihr Wissen an die nächste Musiker-Generation weitergeben.

Anerkannt als Musiktherapeutin

Neben der Musikpädagogik, eigenen Kompositionen - zu ihrem musikalischen Schaffen gehören zahlreiche Bearbeitungen deutscher, sorbischer und internationaler Volks- und Kinderlieder - wird die Musiktherapie ein weiteres Standbein von Magdalene Kemlein. Erst im Krankenhaus in Oberloschwitz, später auf dem Weißen Hirsch vermittelt sie ab Mitte der 1950er-Jahre in der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik, dass Atmen, Singen und Bewegen Nahrung für Leib und Seele sind. Als Herausgeberin der Liedersammlung „Taubnesselchen” hat sie 20 Kinderlieder für Kinderchor und Klavier bearbeitet.

Bis 1997 leitet Magdalene Kemlein den Bautzener Mädchenkammerchor. In dessen Probenraum hat die langjährige Chorleiterin auf Fotocollagen mit ernst-freundlichem Blick ihren Platz.

Bis weit in die 2000er-Jahre hinein gibt die Musikpädagogin ihre Leidenschaft bei Chorleiterseminaren weiter – und beim jüngsten Weihnachtskonzert der Kreismusikschule Bautzen wurde erst wieder ein Stück von ihr aufgeführt. Und bestimmt wird auch ihr Kinderlied „Wintersonne, Winterwald“ noch manchen zum Singen bringen. Es würde Magdalene Kemlein freuen.