SZ + Bautzen
Merken

Kurz vor Weihnachten im Dauereinsatz auf der A4

Weil vor den Feiertagen viel Verkehr herrscht, unterstützt das Technische Hilfswerk die Polizei auf der Autobahn. Was die Einsatzkräfte dabei erleben.

Von Theresa Hellwig
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Andreas Heinrich leitet den Einsatz des Technischen Hilfswerkes auf der A4 in der Oberlausitz. Kurz vor Heiligabend sind die Einsatzkräfte da, um der Polizei zu helfen - und den Verkehr am Laufen zu halten.
Andreas Heinrich leitet den Einsatz des Technischen Hilfswerkes auf der A4 in der Oberlausitz. Kurz vor Heiligabend sind die Einsatzkräfte da, um der Polizei zu helfen - und den Verkehr am Laufen zu halten. © Steffen Unger

Bautzen. Es ist eine ziemlich abrupte Bremsung, die Steffen Nims hinlegt – doch die Thermoskanne hält stand und bleibt in ihrer Verankerung. Nur das Einsatztagebuch rutscht auf dem Tisch nach vorne. Mehrere Seiten davon haben die Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerkes (THW) an diesem und am Vortag bereits gefüllt. Steffen Nims sitzt an diesem Donnerstagmorgen gemeinsam mit Andreas Heinrich und André Stickel im Wagen: Die drei sind eines von vier THW-Teams, die am Tag vor Heiligabend auf der A4 zwischen Hermsdorf und der polnischen Grenze im Einsatz sind.

SHV-Dienst nennt sich das, was sie an diesem Tag tun. Die Abkürzung steht für „Schnelle Hilfe auf Verkehrswegen“. Immer von 4 bis 16 und von 16 bis 4 Uhr sind die THW-Mitglieder in Teams vom 22. Dezember bis zum Heiligabend auf der Autobahn unterwegs. Ihr Ziel: Dafür zu sorgen, dass Staus vermieden oder notfalls Stau-Enden abgesichert werden. Sie helfen auch beim Räumen von Unfallstellen oder sichern liegengebliebene Autos ab. Kurzum: Die ehrenamtlichen Einsatzkräfte unterstützen die Polizei, damit der Weihnachtsverkehr möglichst reibungslos läuft. Und das Team um Andreas Heinrich koordiniert den Einsatz.

Steffen Nims hat gerade so abrupt gebremst, weil auf dem Standstreifen hinter Ottendorf-Okrilla ein schwarzer Golf steht; Warnblinker eingeschaltet, Warndreieck aufgestellt. „Da wollen wir doch mal sehen, was da los ist“, sagt André Stickel, der beim THW Bautzen für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Er und die anderen springen aus dem Einsatzwagen.

THW sichert Unfallstellen und Pannen-Autos ab

Aus dem schwarzen Wagen steigt eine Frau, sie spricht gebrochen Deutsch. „Ich wollte nach Polen“, sagt sie, „für Weihnachten.“ Doch ihr Wagen hat eine Panne. „Da scheint die Kühlflüssigkeit ausgelaufen zu sein“, vermutet André Stickel. Der Wagen der Frau steht recht dicht an der Fahrspur. Andreas Heinrich löst die Handbremse, lässt den Wagen rückwärts rollen – und lenkt ihn vorsichtig in Richtung Leitplanke. „Ist der ADAC informiert?“, fragt er. Die Frau nickt.

Während Steffen Nims ein Bindemittel auf der Fahrbahn verteilt, damit die ausgelaufenen Flüssigkeiten aufgesogen werden, spricht Andreas Heinrich mit der Frau. Sie ist aufgewühlt, redet schnell. Erzählt von ihrem Job in Deutschland – und dass sie erst vor Kurzem mit einem anderen Auto eine Panne hatte. Und dann mit noch einem anderen. Sie darf sich einen Moment im Einsatzwagen aufwärmen und bekommt einen Kaffee.

Hinter Ottendorf-Okrilla steht eine Frau mit ihrem Wagen auf dem Standstreifen: Panne. Das THW sichert die Stelle ab.
Hinter Ottendorf-Okrilla steht eine Frau mit ihrem Wagen auf dem Standstreifen: Panne. Das THW sichert die Stelle ab. © Steffen Unger

„Der ADAC kommt“, erklärt Andreas Heinrich kurz darauf. Er und die anderen THW-Einsatzkräfte schwingen sich zurück in den Einsatzwagen, weiter geht’s. „Wenn ein Auto ungünstig steht“, erklärt Andreas Heinrich während der Fahrt, „dann schleppen wir es manchmal zum nächsten Parkplatz ab. Aber nicht bis in die Werkstatt – damit wir den Abschleppdiensten nicht in die Quere kommen.“

Pannen wie die der Frau aus Polen haben sie seit dem Einsatzbeginn schon einige gesehen – und abgesichert. Als am Tag zuvor um 16 Uhr die Schicht begann, hatten seine Kollegen gleich gut zu tun, berichtet André Stickel. Er liest aus dem Einsatztagebuch vor. „Schon um 16.37 Uhr ging es mit einem Stau los“, sagt er. Auf der Autobahnabfahrt Uhyst war ein LKW liegengeblieben. Etwa eine viertel Stunde später wurde ein kleinerer Verkehrsunfall zwischen den Abfahrten Bautzen-West und Bautzen-Ost gemeldet. Wenig später ein Lkw, der Kühlflüssigkeit verloren hatte – und dann mehrere weitere liegengebliebene Autos. Außerdem ein Tank-Preller. Die Liste geht so noch eine ganze Weile weiter.

Die Uhr zeigt 10.28 Uhr, als Steffen Nims zum zweiten Mal abrupt auf die Bremse treten muss. Und das, obwohl das Martinshorn eingeschaltet ist. Die Lastwagen rechts und links fahren etwas zu dicht beieinander; die Fahrer müssen die Rettungsgasse erst breiter machen, bevor Steffen Nims das Einsatzfahrzeug hindurch manövrieren kann. Es scheppert laut: Dieses Mal hat es die Thermoskanne erwischt. Sie ist umgekippt und rutscht nun über den Boden des Einsatzwagens, das heiße Getränk läuft aus. Unbeirrt setzt Steffen Nims die Fahrt fort.

Die Rettungsgasse gehört zu einem mehrere Kilometer langen Stau, der seinen Ausgangspunkt kurz hinter dem Parkplatz Löbauer Wasser hat. Schon deutlich vor dem Stau-Ende liegen Reifenfetzen am Straßenrand. Der zugehörige Lkw ist wenig später auf dem Randstreifen zu sehen, der Warnblinker ist eingeschaltet. Per Funk ist das Einsatzteam schon vorher über das Problem informiert worden.

Ab dem späten Nachmittag noch mehr Kräfte im Einsatz

Ausgerechnet auf der linken Seite ist ein Reifen geplatzt: Der Fahrer muss ihn also mit dem Rücken zu den fahrenden Autos wechseln. Ein anderes THW-Team war schon etwas früher vor Ort und hat deshalb die rechte Fahrspur gesperrt. Nicht nur das sorgt dafür, dass sich der Verkehr staut: Viele Autofahrer bremsen ab, als sie am Einsatzort vorbeikommen – starren auf das Geschehen. Bis zur Ausfahrt Bautzen-Ost, erfährt Einsatzleiter Andreas Heinrich kurz darauf, hat sich der Verkehr bereits aufgestaut.

Wenig später ist der Reifen gewechselt, und der Lastwagenfahrer kann wieder in Richtung Polen aufbrechen. Das THW-Team sammelt die Hütchen von der Straße ein.

Schon jetzt reihen sich die Autolichter als Kette aneinander. Weil das THW mit einem steigenden Verkehrsaufkommen rechnet, setzt es ab 16 Uhr an diesem Vor-Weihnachtstag noch mehr Kräfte ein. Steffen Nims, Andreas Heinrich und André Stickel werden nicht mehr dabei sein. Für sie heißt es dann: Feierabend.

„Ich habe zu Hause für morgen nicht frei bekommen“, sagt Andreas Heinrich – und grinst. Schon seit den 1990er-Jahren arbeitet der Politikwissenschaftler ehrenamtlich beim THW, hat auch schon einige Einsätze zu Heiligabend mitgemacht. Und nicht nur das: Auch bei vielen Auslandseinsätzen war er dabei. Baute im Irak und in Jordanien Flüchtlingscamps mit auf, half nach dem Erdbeben in Haiti, war in Iberia, Tunesien, im Sudan. Der Weihnachtseinsatz auf der A4, sagt er, fühle sich da immer ein bisschen nach Zuhause an. „Die Basisarbeit macht Spaß, wir sind eine tolle Truppe. Ich könnte das zehnmal im Jahr machen“, sagt er – und lacht. Das Team fährt bei Weißenberg von der Autobahn ab. Eine Pause ist angesagt.