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Weshalb die Schuluntersuchung nicht in der Schule erfolgt

Für die Untersuchung müssen die Eltern mit ihren Kindern ins Gesundheitsamt. Das ist oft umständlich. Wo es klemmt im Amt.

Von Cathrin Reichelt
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Während der Schuluntersuchung ermittelt ein Kinderarzt, ob die Entwicklung des Kindes für den Schulbesuch ausreicht.
Während der Schuluntersuchung ermittelt ein Kinderarzt, ob die Entwicklung des Kindes für den Schulbesuch ausreicht. © Archiv/Stefan Puchner/dpa

Mittelsachsen/Region Döbeln. Rund 2.700 Mädchen und Jungen könnten im August in Mittelsachsen eingeschult werden.

Ob die Kinder in ihrer Entwicklung tatsächlich schon so weit sind, sich 45 Minuten am Stück zu konzentrieren, stillzusitzen und dabei Lesen und Rechnen zu lernen, das soll im Vorfeld die Schuleingangsuntersuchung zeigen.

Diese ist fast abgeschlossen und hat – wie seit Corona jedes Jahr – im Gesundheitsamt Mittweida sowie den Außenstellen in Döbeln und Freiberg stattgefunden. Und das wird so bleiben, auch wenn das einige Eltern ärgert.

Aufgrund teils weiter Wege und umständlicher Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln wäre es ihnen lieber, die Kinder würden in den nahegelegenen Grundschulen untersucht, die sie voraussichtlich einmal besuchen werden.

Doch das wird voraussichtlich auch in Zukunft nicht möglich sein. Der Grund ist simpel: Es fehlt das Personal. Andreas Gabriel, seit eineinhalb Jahren kommissarischer Leiter des mittelsächsischen Gesundheitsamtes, ist auch der einzige Kinderarzt im Amt.

Amt kann flexibler reagieren

„Mit den ärztlichen Aufgaben stehen wir als Gesundheitsamt in Konkurrenz zu den niedergelassenen Ärzten sowie denen in den Kliniken und Medizinischen Versorgungszentren“, erklärt Gabriel.

Jeder Arzt setze andere Prioritäten – was ihm im Beruf wichtig ist, ob die Work-Life-Balance stimmt und ob er mit dem Job seine Familie ernähren kann. Danach suche er sich den passenden Job. „Das ist Marktwirtschaft“, meint Gabriel.

Kurz nach der Kreisreform seien mehr Ärzte angestellt gewesen, mit denen fast alle Aufgaben bewältigt werden konnten. Inzwischen seien viele Ärzte in den Ruhestand gegangen und der Nachwuchs fehle.

Besonders im ländlichen Raum sei es schwer, Kinderärzte für die Schuluntersuchungen zu finden. In der Region Döbeln werde das Gesundheitsamt in dieser Beziehung von Dr. Rosemarie Wockenfuß als Honorarärztin unterstützt.

Insgesamt fehlten in dem Amt vier Ärzte, davon drei Kinderärzte. „Außerdem haben wir keinen Amtsarzt“, so der kommissarische Leiter. Auch hier spielten die bereits genannten Prioritäten eine Rolle.

Zudem müsse der Mediziner eine Zusatzausbildung zum Facharzt für das öffentliche Gesundheitswesen haben.

Mittelsachsen sei bis zu Corona auch der letzte Landkreis gewesen, der die Schuluntersuchung in den Schulen durchgeführt habe. Im Amt sei die Untersuchung viel effektiver und die Mitarbeiter könnten flexibler auf die Bedürfnisse der Eltern eingehen.

„Geht beispielsweise das Auto kaputt oder wird das Kind krank, können wir gut reagieren und einen anderen Termin anbieten. Im Gesundheitsamt ist ja alles für die Untersuchung Nötige vorhanden“, so Gabriel. In den Schulen gebe es nur den einen gesetzten Termin.

Der kommisarische Amtsleiter stellt auch fest, dass mehr Kindern ein zusätzliches Kindergartenjahr gegönnt werden sollte – oft auf Wunsch der Eltern.

Ergebnis ist Empfehlung

„Etwa 80 Prozent der Eltern haben auch damit Recht, dass das Kind noch einen Entwicklungsschub braucht“, so Gabriel. Und dann gebe es noch die Helikopter-Eltern, die das Kind überbehüten.

Das Ergebnis der Einschulungsuntersuchung sei jedoch nur eine Empfehlung. Letztendlich entscheide die Schule über die Einschulung des Kindes – „meist im Sinne der Eltern.“

Durch den Personalmangel gibt es aber nicht nur bei der Schuluntersuchung Veränderungen. Das Gesundheitsamt ist auch für die Untersuchung von Kindergartenkindern im Alter von vier Jahren zuständig.

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Dabei sollen mögliche Defizite erkannt werden, die mit einer speziellen Betreuung bis zum ersten Schultag noch ausgeglichen werden könnten. Hinzu kommt die Schulgesundheitspflege.

Das sind Schuluntersuchungen in den Förderschulen und der Schüler aller sechsten Klassen. Diese erfolgen in den Einrichtungen – und eigentlich jedes Jahr. Aber auch das ist nicht mehr möglich. Deshalb werde abgewechselt.

„In diesem Jahr werden wir voraussichtlich die sechsten Klassen weglassen und nur zu den Vierjährigen in die Kindergärten gehen“, sagt Andreas Gabriel.

Engpässe beim Personal

Nicht nur bei den Kinderärzten, auch im sozialpsychiatrischen Dienst klemmt es beim Personal. Eine Stelle ist nicht besetzt, mehrere Kolleginnen arbeiten in Teilzeit. „Die Pflichtaufgaben schaffen wir, die freiwilligen Aufgaben nicht mehr“, sagt Claudia Hofmann, Referatsleiterin amtsärztlicher und sozialpsychiatrischer Dienst sowie Gesundheitsberatung.

Das Hauptaugenmerk der Abteilung liege auf Begutachtungen von Personen. Aber es gebe zum Beispiel keine regelmäßige Impfsprechstunde, nach der öfter gefragt werde, und auch keine Reiseimpfberatung. Dafür fehle die Kapazität.

Trotzdem sei das mittelsächsische Gesundheitsamt noch besser aufgestellt als die Ämter in anderen Landkreisen, meint Dr. Cornelia Wohmann, Leiterin des Referats Hygiene. Sie besitzt auch eine Weiterbildungsbefugnis.

Zwei Mitarbeiter habe sie bereits zum Facharzt für das öffentliche Gesundheitswesen ausgebildet. Eine sei dabei.

„Zwei motivieren wir noch“, sagt die Ärztin. Außerdem sei beim Gesundheitsamt auch berufsbegleitend die Ausbildung zum Hygieneinspektor möglich. Die dauere drei Jahre.