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Bischofswerda: Beratung statt Berührungsängste

Wie fühlt es sich an, blind einen Weg zu finden? Dieses Experiment bietet ein Netzwerk am 5. Mai beim Aktionstag gegen Ausgrenzung. Und noch einiges mehr.

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"Beratungen auf Augenhöhe" ist das Motto von Heidrun Schwarzenberg (l.) und Dorothee Spillmann vom Verein "Lebendiger Leben". Für den 5. Mai organisieren sie einen Aktionstag in Bischofswerda.
"Beratungen auf Augenhöhe" ist das Motto von Heidrun Schwarzenberg (l.) und Dorothee Spillmann vom Verein "Lebendiger Leben". Für den 5. Mai organisieren sie einen Aktionstag in Bischofswerda. © SZ/Miriam Schönbach

Bischofswerda. Begegnung auf Augenhöhe: Am 5. Mai findet der Europäische Aktionstag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen statt. Diesen Tag haben sich zwei Organisationen aus der Region zum Anlass genommen, auch in Bischofswerda mehr Bewusstsein für das Thema Inklusion zu schaffen. „Wir wollen das Bewusstsein öffnen, die Vielfältigkeit von Behinderung zu erleben, um Berührungsängste abzubauen“, sagt Dorothea Spillmann. Die Beraterin betreut die Anlaufstelle für die „Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung“ (EUTB). Mit dem Projekt „Bischofswerda inklusiv“ plant die Gruppe den Begegnungstag in der Dresdener Straße.

Unter dem Motto „Alle behindert ?“ erwartet Kinder und Interessierte in der Stadtbibliothek Bischofswerdas ein vielfältiges Programm unter der Frage „Und was ist Deine Behinderung“. Neben einer Buchlesung gibt es eine Gesprächsrunde mit kleinen Interaktionen. Jene sollen Einschränkungen, zum Beispiel sehbehinderter Menschen, greifbarer machen. So soll ein Experiment zeigen, wie es sich anfühlt, blind zu sein, mit einem Blindenstock den Weg zu ertasten. Für Dorothea Spillmann ist es wichtig, vor allem auch Kinder anzusprechen. „Wer von klein auf mit dem Thema Behinderung in Kontakt kommt, dem fällt es leichter, Vorurteile gar nicht erst aufkommen zu lassen“, sagt sie.

Neueröffnung des gemeinsamen Beratungsbüros

Parallel zum Aktionstag präsentiert sich das neue gemeinsame Büro für die EUTB-Berater und Bischofswerda inklusiv in der Dresdner Straße 14. Mit einem vom Projekt „Lieblingsplätze“ geförderten barrierefreien Zugang zum neuen Standort begrüßt die Organisation ihre Gäste. Das Hilfsangebot unterstützt Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen und deren Angehörigen in der Region. Es gilt das Motto: Hilfe zur Selbsthilfe. In kostenlosen Konsultationen erfahren Betroffene, wie sie Alltagsprobleme mit ihrer Einschränkung meistern können.

„Wir versuchen, dass unsere Ratsuchenden mit Beratern sprechen können, die die gleiche Beeinträchtigung haben“, sagt Dorothea Spillmann. Dieser individuelle Austausch auf Augenhöhe sei eine Besonderheit des EUTB. So können Betroffene aus den Erfahrungen ihrer Berater lernen.

Spillmanns Erfahrungen aus den vergangenen Monaten zeigen: „Der Beratungsbedarf wird immer größer. Uns erwarten immer häufiger sehr komplexe Fälle. Wir nehmen uns Zeit, hinterfragen, wie das persönliche Umfeld und die persönlichen Ressourcen sind “. Um auch während der Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen ihrem Auftrag nachzukommen, mussten die Mitglieder der EUTB kreativ werden.

In „Beratungs-Spaziergängen“ oder Gesprächen von Autofenster zu Autofenster konnten Hilfesuchende weiterhin unterstützt werden. In den sieben Beratungsstellen des Vereins im Landkreis Bautzen gab es 2021 rund 1.200 Beratungen, dabei lag der Anteil psychischer Erkrankungen bei 30 bis 40 Prozent, so die EUTB-Mitarbeiter.

Stadtplanung berücksichtigt Bedürfnisse Gehandicapter

Deutschlandweit gibt es ein Netzwerk von über 500 EUTB-Beratungsstellen. Träger des Projekts im Landkreis Bautzen ist der Verein „Lebendiger Leben“ aus Dresden. Die erste Anlaufstelle in Bischofswerda war 2018 die Bischofstraße, Anfang 2021 folgte der Umzug in die Dresdener Straße, um im Stadtbild besser wahrgenommen zu werden.

„Es ist viel Bewegung in Bischofswerda entstanden“, sagt Dorothea Spillmann. Unter anderem macht sich auch das Projekt „Bischofswerda Inklusiv“ für die bessere Integration gehandicapter Menschen im Alltag stark, die Stadtplanung geht inzwischen besser auf die Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen ein. „Doch solange wir darüber reden müssen, ist noch Luft nach oben“, sagt sie. Auch deshalb gibt es den Aktionstag, damit noch mehr Barrieren in der Gesellschaft abgebaut werden.

Aktionstag am 5. Mai ab 10.30 Uhr, Buchlesung und offene Gesprächsrunde zum Thema "Alle behindert?" in der Stadtbibliothek in der Dresdener Straße 1; ab 13 Uhr Neueröffnung des Büros von EUTB und "Bischofswerda Inklusiv" in der Dresdener Straße 14

Dieser Beitrag wurde von Lucienne Tharang (16) verfasst. Sie ist Schülerin der 10. Klasse am Goethe-Gymnasium Bischofswerda.