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Ein Schloss voller Geschichten: Das können die Besucher bald in Rammenau erleben

Vom Geheimnis des Hunde-Kaisers bis zum Alltag der Schlossbewohner: Eine neue Ausstellung lässt ab Herbst Geschichte lebendig werden. Die Schlosschefin verrät erste Einzelheiten.

Von Miriam Schönbach
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Vorfreude bei Sabine Peinelt-Schmidt: Auch das Chinesische Zimmer mit seiner ungewöhnlichen Tapete wird in die neue Dauerausstellung mit einbezogen.
Vorfreude bei Sabine Peinelt-Schmidt: Auch das Chinesische Zimmer mit seiner ungewöhnlichen Tapete wird in die neue Dauerausstellung mit einbezogen. © Steffen Unger

Rammenau. Die Szenerie wirkt wie aus einem tierischen Zirkus. Ein Dackelpaar zieht eine rote Holzkutsche. Darin thront unter einem Baldachin ein weiß-brauner „Hunde-Kaiser“ auf einem Kissen. Auch der Kutscher ist ein brauner Hund und lenkt das Gespann. Die Hauskatze steht als Diener auf dem hinteren Trittbrett. Diese hoheitliche Sause lässt sich auf den Tapeten des Chinesischen Zimmers von Schloss Rammenau entdecken. Das üppige Zimmer in der ersten Etage gilt seit seiner Restaurierung 2014 wieder als eines der kostbarsten Zeugnisse barocker Wohnkultur des Schlosses.

Schlosschefin Sabine Peinelt-Schmidt steht mitten in der Pracht. Der Hundekaiser ist nur eine von vielen Geschichten, die die Bilder an der Wand erzählen. „Ich finde auch den Elefanten toll. Für die neue Dauerausstellung greifen wir einige bedeutende Szenen heraus, die in einer Art Fernglas näher betrachtet werden kann“, sagt sie. Zu vergleichen ist die Neuheit in der Schau mit einem Bildbetrachter, wie ihn vielleicht noch einige aus der Kindheit kennen. Das Kunststoffgehäuse sah aus wie ein Fernglas, per Knopfdruck konnten sich unter anderem Märchenfilme auf Dia angeschaut werden.

Letzte Dauerausstellung gut 20 Jahre alt

Auch im Chinesischen Zimmer sollen den Besuchern in Zukunft per Knopfdruck die bizarren Szenerien begegnen. Der Elefant hat übrigens riesengroße menschliche Ohren mit hängenden Ohrläppchen und Beine, die den Tatzen eines Bären ähneln. Sie wurden um 1730 von einem sächsischen Hofmaler angefertigt. Angehörige der Roten Armee hatten 1946 offensichtlich Gefallen an den Bildfeldern gefunden und sie bereits zum Abtransport auf den Bahnhof in Bischofswerda gebracht. Dort konnten sie gesichert werden und kehrten 1949 wieder an ihren Platz im Schloss zurück.

Ein Zimmer voller Geschichten: Auf der Tapete im chinesische Zimmer im Barockschloss Rammenau tummeln sich ungewöhnliche Gestalten. In Zukunft sollen wie mit Hilfe eines Fernglases besser betrachtet werden können.
Ein Zimmer voller Geschichten: Auf der Tapete im chinesische Zimmer im Barockschloss Rammenau tummeln sich ungewöhnliche Gestalten. In Zukunft sollen wie mit Hilfe eines Fernglases besser betrachtet werden können. © Archivfoto: Matthias Schumann

Das ist eine von unzähligen Geschichten aus Sachsens einzig vollständig erhaltener Rittergutsanlage. Aufgabe der neuen Ausstellung wird es sein, die unterschiedlichen Facetten der über 300-jährigen Schlossgeschichte zu zeigen. Die neue Schau soll im September 2024 eröffnet werden. „Nach dem Grobkonzept überlegen wir aktuell, welche Geschichte von welchem Schlossbewohner in welchem Raum erzählt werden soll“, sagt Sabine Peinelt-Schmidt. Erstmals sollen dabei das erste Obergeschoss, wo es bisher nur Kurzinformationen gab, und der Meyerhof einbezogen werden. Jener Bereich war einst der landwirtschaftlich genutzte Teil des Ritterguts Rammenau. Er wird von Stall- und Scheunengebäuden und dem Torhaus eingerahmt.

Die letzte Dauerausstellung wurde 2004/05 für das Haus konzipiert. Der Umsetzung der neuen Inhalte zwischen herrschaftlichem Wohnen und bäuerlichem Arbeiten ging eine Befragung der Schlossbesucher voraus. Die Analyse zeigt: Die Gäste interessieren sich weniger für die Bau-, als vielmehr für die Lebensgeschichten der Schlossbewohner. „Wer hat hier gelebt? Wie wurde gearbeitet? Wer waren die verschiedenen Besitzer? Wie war ihr Verhältnis zum sogenannten Gesinde. Wie war der Tagesablauf? Diese Geschichten verteilen wir jetzt auf die Räumlichkeiten“, zählt die promovierte Kunsthistorikerin auf.

Beauftragt mit der Konzeption der neuen Dauerausstellung wurde das Berliner Kreativ-Büro KLV. Dessen Referenzen sind unter anderem die Ausstellung zur Kinderbiennale im Japanischen Palais in Dresden 2021, die Neugestaltung des zeitgemäßen Aquariums im historischen Jugendstilbau im Leipziger Zoo oder die interaktive Erlebnisausstellung des Brüder-Grimm-Erlebniszentrums für die Stadt Hanau – um nur einige Projekte der Vorjahre aufzuzählen.

Im Barockschloss Rammenau wollen die Ausstellungsexperten unter anderem mit sogenannten Bühnen arbeiten. „Das sind Vitrinen, in denen Sie wie in einem kleinen Mini-Theater Szenen aus der Schlossgeschichte erleben können. Da sitzt zum Beispiel der Graf mit dem Gutsverwalter als Silhouetten und unterhalten sich, was die neu angesiedelten Merinoschafe machen, die gerade aus Spanien angekommen sind. Wir wählen bewusst zur Vermittlung diesen sinnlichen wie geschichten- und personenbezogenen Zugang“, sagt die Schlosschefin. Per Knopfdruck werden diese Geschichten zum Laufen gebracht.

Spanische Merino-Schafe und Rittergut-Kühe mit Namen

Zehn solcher „Guckkastenbühnen“ mit den Hördialogen sollen sich über die Räume im Schloss verteilen, dazu gibt es noch Dioramen – Objektinszenierungen - und kleine einordnende Texte. „Nach dem Zweiten Weltkrieg ist im Barockschloss Rammenau viel durch Plünderungen verschwunden. Wir haben kaum Original-Objekte. Die Quellenlage ist dagegen erstaunlich. Wir wissen sogar, dass einige Kühe hier Namen hatten“, sagt Sabine Peinelt-Schmidt.

„Perle“ und „Schönheit“ hießen zum Beispiel zwei Rinder. Die Merino-Schafe kamen nach dem Siebenjährigen Krieg aus Spanien mit dem Schiff nach Rammenau. Schlossbesitzer Johann Centurius von Hoffmannsegg wollte die tierischen Einwanderer mit einheimischen Rassen für gute Wolle kreuzen. Es ist nur eine weitere der unzähligen Geschichten, die ab Ende September auf dem Schlossareal zu entdecken sein wird. In die Dauerausstellung seines Rammenauer Ablegers investiert der Staatsbetrieb Schlösser, Burgen und Gärten nach Peinelt-Schmidt eine deutliche sechsstellige Summe.