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Ihre Mission: Ein schönes Weihnachtsfest für 350 Senioren

Das Seniorenwohnhaus „Am Belmsdorfer Berg“ in Bischofswerda gehört zu den größten Pflegeheimen in Deutschland. Wie die Mitarbeiter dafür sorgen, dass es zum Fest trotzdem heimelig wird.

Von Miriam Schönbach
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Alltagsgestalterin Doreen Schmieder sagt: "Wir machen für alle Bewohner Weihnachten schön, die Kerzen brennen, ich bringe die Gitarre mit. Es wird gesungen und viel erzählt."
Alltagsgestalterin Doreen Schmieder sagt: "Wir machen für alle Bewohner Weihnachten schön, die Kerzen brennen, ich bringe die Gitarre mit. Es wird gesungen und viel erzählt." © Steffen Unger

Bischofswerda. Räucherkerzenduft verströmt Weihnachtsstimmung auf der B3. Nur Weihnachtsluft duftet so. „Abendrot“ heißt der Bereich in der dritten Etage des Seniorenwohnhauses „Am Belmsdorfer Berg“ in Bischofswerda. Alltagsgestalterin Doreen Schmieder legt noch eine CD mit Weihnachtsmusik ein und holt die Stempel und weihnachtlichen Motivstanzer aus dem Regal. „Wir wollen heute noch Karten basteln“, sagt sie und setzt sich mit ein paar Frauen an den Tisch. Die B3 ist eine Demenz-WG. Es ist wenige Tage vor dem Heiligabend.

Doreen Schmieder stimmt „Oh Tannenbaum“ an. Über manches Gesicht der scheinbar Abwesenden huscht ein Lächeln. Einige singen mit, andere summen nur mit. Weihnachten ist auch in einem der größten Pflegeheime Deutschlands eine besondere Zeit der Besinnlichkeit, der Traditionen und des Beieinanderseins. Gut 350 Seniorinnen und Senioren feiern Heiligabend und die Weihnachtsfeiertage mit gut 130 Betreuern aus dem Team der Oberlausitz Pflegeheim & Kurzzeitpflege (OLPK). Weihnachten in der Groß-Familie mit allen Heimlichkeiten, gutem Essen und fröhlichen Stunden.

Weihnachten wird in zwölf Wohngruppen gefeiert

Vorfreude herrscht schon an diesem Vormittag im „Abendrot“. Einige Bewohner bleiben im Bett, andere suchen im „Wohnzimmer“ bei Doreen Schmieder die Gemeinschaft. „Wir machen für alle Bewohner Weihnachten schön, die Kerzen brennen, ich bringe die Gitarre mit. Es wird gesungen, und viele alte Geschichten werden erzählt. Ich gehe gern am 24. Dezember arbeiten. Meine Familie weiß, dass ich meinen Beruf liebe“, sagt die Alltagsgestalterin.

Die Weihnachtszeit beginnt im Seniorenwohnhaus bereits im Advent. „Wir backen mit unseren Bewohnern, führen ein Märchen auf“, erzählt Doreen Schmieder und blättert durch ein dickes Fotoalbum, dessen Inhalt ein bisschen an Familien-Schnappschüsse erinnert. Die Angebote werden individuell in den zwölf Wohngruppen organisiert. Doch es gibt auch gemeinschaftliche Aktionen, wie in diesem Jahr erstmals ein Krippenspiel. Auf der Bühne standen Ergotherapeuten, Alltagsgestalter und Frank Weber als Wirt.

Seit 16 Jahren ist er verantwortlich für das Kulturangebot im Haus. Er organisiert auch den hauseigenen Nikolausmarkt. „Es ist der einzige Weihnachtsmarkt, den man mit Pantoffeln besuchen kann“, sagt er. Bereits dann duftet es auf allen Etagen nach frischen Krapfen, Plätzchen und Stollen. Für diese Köstlichkeiten ist Robert Tamás mit seinem Küchenteam zuständig. Dort beginnt die Weihnachtszeit bereits im November. Schließlich braucht ja ein guter Stollen Lagerzeit.

Das Küchenteam von Robert Tamás (4.v.r.) sorgt nicht nur für Köstlichkeiten zum Weihnachtsfest. Schon seit November wurde die Küche im Seniorenwohnhaus zur Weihnachtsbäckerei.
Das Küchenteam von Robert Tamás (4.v.r.) sorgt nicht nur für Köstlichkeiten zum Weihnachtsfest. Schon seit November wurde die Küche im Seniorenwohnhaus zur Weihnachtsbäckerei. © Steffen Unger

An diesem Vormittag wird in der Küche gerade das Essen auf die Wohnbereiche verteilt. Essen 1 sind Krautnudeln, ein Oberlausitzer Klassiker. Küchenchef Robert Tamás weiß: Weihnachten geht wie Liebe durch den Magen. Deshalb gibt es eine Küchenkommission der Bewohner, die sagt, was sie sich auf dem Speiseplan für die Festtage wünscht. 2023 stehen am Heiligabend wie seit dem ersten Weihnachtsfest im Heim 1982 mittags Sächsische Kartoffelsuppe mit gebratener Jagdwurst und abends Kartoffelsalat mit Wiener oder Kamenzer auf dem Plan.

Und was gibt es am ersten und zweiten Weihnachtstag? Robert Tamás legt eine Menükarte wie im Restaurant auf den Tisch. Für den 25. Dezember finden sich dort Gänsebrust, Rinderroulade und Lachsfilet, am 26. Dezember warten auf die Bewohner Kaninchen-Rollbraten, Rehgulasch und Kalbsbraten – allesamt kulinarische Weihnachtsklassiker, die frisch zubereitet werden. Über 500 Essen werden so auch an den Festtagen gekocht, weil auch die OLPK-Einrichtungen in Pulsnitz und Ohorn beliefert werden. Übrigens: Wein, Eis, Vorsuppe und Eierlikör gibt es inklusive.

Küchenteam hat fast 100 Kilo Plätzchenteig verarbeitet

Einer, der Weihnachten in der Küche steht, ist Alexander Schölzel. Der gelernte Tischler ist über den Zivildienst im Schiebocker Seniorenwohnhaus gelandet. Ihm hat es so gut gefallen, dass er geblieben ist. Der Autodidakt am Herd ist unter anderem für die Weihnachtsbäckerei zuständig wie auch Simone Kalkbrenner, die an diesem Morgen noch schnell den duftenden Mohnstollen mit Puderzucker bestäubt. Knapp 100 Kilogramm Teig haben sie in Plätzchen verwandelt.

Letzter Handgriff am Mohnstollen: Simone Kalkbrenner bestäubt die Leckerei mit ordentlich Puderzucker.
Letzter Handgriff am Mohnstollen: Simone Kalkbrenner bestäubt die Leckerei mit ordentlich Puderzucker. © Steffen Unger

Alexander Schölzel holt eine große Kiste mit Heidesand-Keksen, auch die Mürbchen gefüllt mit Schokolade und einem Hauch Orange sind ein Traum auf der Zunge. „Es ist für unsere Bewohner, sie sollen ein schönes Weihnachtsfest haben“, sagt er. Vorbereitet im Behälter liegen schon abgepackte Mischungen der Köstlichkeiten. Jene knusprigen Leckereien gehören zum Weihnachtsgeschenk des Hauses, das die Senioren am Heiligenabend erhalten. Auf den Weg machen sich dann unter anderem Hausleiter André Neumann und Wirtschaftsleiterin Simone Lehmann – seit 41 Jahren fast immer am Heiligabend im Dienst – gemeinsam mit Weihnachtsmann und Engeln.

Besuch bekommt dann auch Irmgard May. Vorsichtig klopft Schwester Ramona an ihre Tür im „Birkenhain“. Ramona Kittan ist wie Simone Lehmann fast seit dem ersten Tag im Haus am Belmsdorfer Berg. „Weihnachten bin ich gern hier“, sagt sie und öffnet die Tür. Am Fenster sitzt im weichen Schaffell die 99-Jährige. Ihr Zimmer ist mit eigenem Weihnachtsschmuck, etwa einem großen Nussknacker, dekoriert.

Irmgard May lebt seit gut zehn Jahren im Seniorenwohnhaus in Bischofswerda. Sie freut sich am Heiligabend auf Kartoffelsalat wie zu Hause und eine Runde "Mensch, ärgere Dich nicht".
Irmgard May lebt seit gut zehn Jahren im Seniorenwohnhaus in Bischofswerda. Sie freut sich am Heiligabend auf Kartoffelsalat wie zu Hause und eine Runde "Mensch, ärgere Dich nicht". © Steffen Unger

Seit zehn Jahren lebt die Bautzenerin im Seniorenwohnhaus, am zweiten Weihnachtstag geht es zur Tochter. „Am 24. Dezember bin ich hier. Es gibt Kartoffelsalat wie zu Hause. Gern sitzen wir zusammen und plaudern über alte Zeiten. Vielleicht spielen wir noch eine Runde ,Mensch, ärgere Dich nicht' oder etwas anderes“, sagt sie. Auf den Fluren draußen ist inzwischen der Tannengrün-Duft aus der „Abendrot“- Wohngruppe angekommen, es weihnachtet. Denn nur Weihnachtsluft, die duftet so.