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Großharthau: Mehr Platz für Akupunktur und Schröpfen

Isabel Klektaus Leidenschaft gehört Heilkunde-Techniken aus China. Ihre eigene Praxis ist innerhalb kurzer Zeit stark gewachsen.

Von Miriam Schönbach
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In ihrer Praxis in Großharthau bietet Isabel Klektau Heilkunde-Techniken aus China an. Innerhalb eines Jahres ist sie von der Einzelkämpferin zur Chefin von vier Therapeuten geworden.
In ihrer Praxis in Großharthau bietet Isabel Klektau Heilkunde-Techniken aus China an. Innerhalb eines Jahres ist sie von der Einzelkämpferin zur Chefin von vier Therapeuten geworden. © Steffen Unger

Großharthau. Ein wohliger Kräuter-Duft liegt in den Räumen. Ergotherapeutin Isabel Klektau geht durch ihre Praxis in Großharthau. Eine rote Wärmelampe strahlt Behaglichkeit über einer Behandlungsliege aus. Ein paar Handtücher liegen bereit, auf einem Schrank steht ein 30 Zentimeter großes Akupunkturmodell. Das Schulungsskelett Eugen harrt in einer Ecke aus. Es herrscht große Stille in den neuen Räumen in der alten Villa gleich an der B6.

„Beifuß“, erklärt die ausgebildete Tuina-Therapeutin den Duft. „Wir verwenden das Kraut bei der Moxa-Therapie. Es bringt Wärme, ganz wichtig in der Traditionellen Chinesischen Medizin“.

Isabel Klektau setzt sich in den Aufenthaltsraum ihrer Praxis. Eine Kollegin macht gerade einen Hausbesuch in Dresden, eine andere Mitarbeiterin hat sich bereits in den Feierabend verabschiedet. Die Selbstständige atmet durch. Vor einem guten Jahr hat sie ihre Ergotherapie eröffnet, ein Teil des denkmalgeschützten Gebäudes war zu diesem Zeitpunkt noch Baustelle.

In den ersten Monaten kümmerte sie sich allein um ihre Patienten. Doch inzwischen sind zwei weitere Praxisräume ausgebaut. Isabel Klektau hofft, im Dezember endlich die vierte Therapeutin im Team begrüßen zu können. „Ich hätte nie gedacht, dass wir so schnell wachsen. Bei dieser Größe bleiben wir jetzt. Wir wollen das Familiäre erhalten“, sagt die Chefin.

Ergotherapeut bekommt mehr Zeit für Behandlung

Bei dieser Erfolgsgeschichte, so scheint es, muss sich Isabel Klektau manchmal selbst kneifen. Sie wächst in Burkau auf, früh interessiert sich die heute 33-Jährige für die Schnittstelle zwischen Mensch und sozialer Verantwortung. Als Schülerin liebäugelt sie mit dem Beruf der Hebamme, auch Krankenschwester konnte sie sich vorstellen.

Ein Tag der offenen Tür bei einem Physiotherapeuten öffnet ihr den Blick für ihren Traumberuf. Sie entscheidet sich für die Ergotherapie-Ausbildung. „Der Ergotherapeut bekommt eine Diagnose und kann mit mehr Zeit als der Physiotherapeut die Selbstständigkeit des Patienten zum Beispiel nach einem Unfall wiederherstellen“, erklärt die Fachfrau einen Unterschied.

Nach der Ausbildung landet Isabel Klektau im Therapiezentrum der OL Physio, einem Tochterunternehmen der Oberlausitz-Kliniken. Sie schwärmt von einer „abwechslungsreichen Arbeit mit einem tollem Team“. Allerdings denkt sie vorher noch kurz über einen Abstecher zur Bundeswehr nach. Der Eignungstest für eine zwölfjährige Offizierslaufbahn bei der Marine mit Medizin-Studium liegen schon hinter hier, als sie sich doch für das Nein entscheidet.

„Ich bin ein totaler Familienmensch. In Burkau, wo ich lange gelebt habe, gab es Zeiten, da wohnten fünf Generationen unter einem Dach“, sagt die Wahl-Großharthauerin. Das heimatliche Nest verlässt sie allerdings für ihren Mann. Bei dem kurzen Wohn- und Arbeitsabstecher in Dresden beginnt sie auch die Ausbildung in Traditioneller Chinesischer Medizin.

Ein Schnupperkurs am Wochenende im Nichts nahe Königs Wusterhausen bei Berlin ohne Handyempfang öffnet ihr 2018 die neue Welt in die jahrtausendalte Heilkunde. Dass sich Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und westliche Schulmedizin ergänzen können, lernt sie bei Weizhong Sun. Der promovierte Mediziner war unter anderem der langjährige Olympia-Mannschaftsarzt in China und leitet die Deutsche Tuina-Akademie. Das chinesische Wort „tui“ steht für Schieben und Drücken, und „na“ bedeutet Greifen und Ziehen.

Das Gelernte will Isabel Klektau gleich ausprobieren. Sie legt nach dem Schnuppern sofort den Hefter neben sich, ein Patient mit einer chronischen Entzündung sucht Hilfe. Nach der Behandlung beschreibt er ein leichteres Gefühl. Die Behandlung mit TCM versucht Kräfte auszugleichen und die innere Harmonie wieder herzustellen.

Villa-Umbau war Familienprojekt

Mit dieser Erfahrung meldet sich Isabel Klektau für eine berufsbegleitende Ausbildung über zwei Jahre bei Weizhong Sun. Sie lernt unter anderem die Akupunktur, das Schröpfen, die Moxa-Therapie. Lediglich eine Reise nach China fehlt der Jungunternehmerin noch. Den Traum von der eigenen Praxis verwirklicht sie sich indes seit dem Jahr 2020. „Ich hatte schon länger Räume in der alten Heimat gesucht“, sagt sie. Irgendwann entdecken sie und ihr Mann das leerstehende Geschäftshaus in Großharthau. Beim Umbau haben die ganze Familie und viele Freunden geholfen. Oma Ute hat alle mit Essen versorgt, so wie es sich in einer Großfamilie gehört.

Das Gebäude wurde 1908 errichtet. Es handelte sich um Kernsanierung, sagt die Selbstständige. Eröffnung war im Juni 2021. Ein Relikt aus der Anfangszeit ist der neuen Praxis dennoch geblieben. Im Aufenthaltsraum gibt es einen alten Tresor mit der Aufschrift "Arthur Richter“. Ansonsten hat Isabel Klektau unter anderem den alten Fliesenspiegel mit dem Schlagbohrer selbst von der Wand gestemmt. „Nach einer solchen Arbeit schätzt man das Geschaffene ganz anders“, sagt die Powerfrau und lehnt sich zurück.

Der Beifuß hält sich wohlig-wärmend in der Luft. Es ist der Duft, der zeigt, dass Träume mit ein bisschen Mut und Zupacken Wirklichkeit werden können.