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Die Männer mit der Holzmeise

Brennholz wird immer billiger. Doch wer das Holz wirklich liebt, dem geht es um andere Werte.

Von Jörg Stock
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Ich und mein Holz: Toni Döring, 20, aus Rosenthal lebt für den heimischen Rohstoff.
Ich und mein Holz: Toni Döring, 20, aus Rosenthal lebt für den heimischen Rohstoff. © Steffen Unger

Wolfgang lächelt. Es passt mal wieder, sagt er. "Wunderbares Holz." Zu seinen Füßen liegen schlanke junge Rotbuchen, Birken, auch ein paar Eichen, Bäume, die nicht mehr reinpassen in den Zukunftswald. Für Wolfgang sind sie genau richtig. Mit seinem Kumpel wird er wieder kommen, mit Anhänger und Kettensäge, und dann wird er hier aufräumen. "Der Wald muss gepflegt werden", sagt Wolfgang. Dabei tut er sich selbst auch etwas Gutes. Im Grünen zu arbeiten fördert die Gesundheit. "Und es bringt Ruhe in den Tag."

Schon in der DDR mit der Säge im Wald

Eigentlich heißt Wolfgang gar nicht Wolfgang. Aber seinen richtigen Namen will er nicht sagen. Er wohnt in Dresden. Dort gibt es Menschen, die haben etwas gegen ihn und seine Holzstapel. Denen stinkt es, wenn Rauch aus seinem Schornstein kommt. Denen wäre es am liebsten, sagt er, der Wald würde gar nicht mehr angetastet. Aber woraus sind denn die Dachstühle gemacht, die Fenster, die Türen, das Papier? Und die Möbel, die alle vier Jahre neu angeschafft werden? Daran denken die Leute nicht, sagt Wolfgang. "Das tut manchmal weh."

Revierförster Christian Schmidt zeigt Wolfgang, einem Brennholzwerber aus Dresden, seinen Arbeitsbereich, einen jungen Eichenwald bei Markersbach.
Revierförster Christian Schmidt zeigt Wolfgang, einem Brennholzwerber aus Dresden, seinen Arbeitsbereich, einen jungen Eichenwald bei Markersbach. © Daniel Schäfer

Wolfgang, 68, ehemals Berufsschullehrer und Handlungsreisender, ist privater Holzwerber. Für den Eigenbedarf schneidet er im Staatswald selber Brennholz und transportiert es ab. Das hat er schon zu DDR-Zeiten gemacht. Er war in der Dresdner Heide unterwegs und im Tharandter Wald. Jetzt kommt er seit mindestens 15 Jahren hierher, ins Revier Ottomühle, zwischen Markersbach, Rosenthal und der Tschechengrenze. Ein weiter Weg, ja. Holz machen kostet eben Zeit, und braucht Willen. "Aber mir macht es Spaß."

Private Holzmacher sparen dem Förster Arbeitskraft

Christian Schmidt ist der Revierförster. Eben füllt er die Formulare für Wolfgangs Arbeitseinsatz aus. Was der Rentner erzählt, das kennt er auch. Am Wochenende kommen genügend Städter hier raus, um die Natur zu genießen. Sie wollen den Wald beschützen. Und das ist ja nicht ganz verkehrt, sagt der Förster. Aber der Wald muss auch genutzt werden. Erst recht, wenn man weg will vom Erdöl, von der Plaste, vom Tropenholz. "Es ist der deutsche Rohstoff schlechthin."

So sieht eine typische Portion Fichtenbrennholz aus. Wer nicht direkt im Wald arbeiten will, kauft sich solch einen Stapel, der am Weg bereit liegt.
So sieht eine typische Portion Fichtenbrennholz aus. Wer nicht direkt im Wald arbeiten will, kauft sich solch einen Stapel, der am Weg bereit liegt. © Daniel Schäfer

Christian Schmidt hat etwa zwanzig treue Holzwerber von Wolfgangs Schlag. Er könnte noch hundert mehr gebrauchen, Leute mit Motorsägenschein, die zuverlässig sind und nur das Holz kleinschneiden, das er freigibt. Sie ersparen es dem Förster, Unternehmer zu beauftragen oder die eigenen Waldarbeiter, von denen er nur vier hat, und die beim schlimmsten Massenbefall von Borkenkäfern seit Menschengedenken Wichtigeres zu tun haben, als die Reste einer Durchforstung aufzuarbeiten. "Die sind jetzt unsere Feuerwehr."

Holz aus dem Wald ist billiger als in jedem Baumarkt

Der Sachsenforst wirbt um private Brennholzkäufer. Seit die Katastrophe im Wald sich anbahnte, wurden die Preise deutlich gesenkt. So kostet der Raummeter Nadelholz beim Forstbezirk Neustadt aktuell 10,50 bis 11,60 Euro. Wer Laubholz selbst aufarbeitet, zahlt zwar unverändert 15 Euro. Doch das ist noch immer ein Schnäppchen verglichen mit den Preisen im Baumarkt, wo man für den Raummeter Kaminholz oft an die hundert Euro hinlegt. Bedingung für den billigen Preis speziell beim Nadelholz ist, dass es nach zwei Wochen aus dem Wald verschwunden ist. So soll dem Borkenkäfer Brutraum entzogen werden. Befallene Fichten, die noch stehen, werden sogar verschenkt, falls der Holzwerber sie in einer bestimmten Frist wegräumt und damit verhindert, dass tausend neue Schädlinge ausfliegen.

Holz im Blut: Der Opa nahm Toni Döring einst mit zum Brennholz machen in die Wälder rund um Rosenthal. Heute fährt er selber mit Traktor, Kran und Rückewagen los.
Holz im Blut: Der Opa nahm Toni Döring einst mit zum Brennholz machen in die Wälder rund um Rosenthal. Heute fährt er selber mit Traktor, Kran und Rückewagen los. © Steffen Unger

Wolfgang darf auch ausgewachsene Bäume absägen. Jeder Baum fällt anders und klingt anders, sagt er. "Das ist interessant." Doch hat er nicht die Technik, die schweren Stämme zu bergen. Für solche Fälle gibt es zum Beispiel Toni. Toni Döring, 20 Jahre alt, gelernter Landwirt. Er lebt in Rosenthal, ist mit dem Wald groß geworden. Mit dem Opa ging er schon früh Holz machen. Heute ist das Holz sein Leben. Vormittags arbeitet er im Sägewerk Bielatal. Nachmittags geht er seinem Zweitjob nach, als Holzmacher und Brennholzhändler.

Viele Holzfreunde stehen auf ganze Stämme

Während Leute wir Wolfgang, die nur den eigenen Heizkessel füttern, zehn Raummeter Holz im ganzen Jahr brauchen, holt Toni Döring bei Förster Schmidt auch mal hundert Raummeter auf einmal aus dem Wald. Dazu nutzt er einen modernen Claas-Trecker mit Forstseilwinde und einen Rückeanhänger mit Kran. Auf seinem Hof sägt und spaltet er die Stämme und liefert die Scheite zu seinen Kunden, nach Pirna und Heidenau, Bad Schandau und Sebnitz, in die Borthener Gegend und ins Osterzgebirge. Dieser Nebenjob  läuft immer besser, sagt Toni. Vielleicht wird er einmal davon leben können.

Förster Schmidt markiert vom Borkenkäfer besiedelte Fichten für die Fällung. Eine machbare Aufgabe für professionell ausgerüstete Selbstwerber.
Förster Schmidt markiert vom Borkenkäfer besiedelte Fichten für die Fällung. Eine machbare Aufgabe für professionell ausgerüstete Selbstwerber. © Daniel Schäfer

Toni Döring kann seiner Kundschaft Scheite in verschiedenen Längen anbieten, mundgerecht für den jeweiligen Ofen. Doch viele, bestimmt 40 Prozent, so schätzt er, wollen gar keine Scheite, sondern Rohware, also ganze Stämme, um sie dann daheim selber zu zersägen und zu spalten. Klingt verrückt, aber nicht in den Ohren von Förster Schmidt. Auch seine Holzwerber machen sich bewusst viel Arbeit. Sie wollen Zeit mit ihrem Holz verbringen, in Ruhe ihr Ding machen. "Das sind keine Faulen."

Ein Tropfen auf den heißen Stein

Was nützt der Fleiß der Selbstwerber beim Waldschutz und Holzverkauf? Der Forstbezirk Neustadt hat voriges Jahr etwa 13.000 Raummeter Brennholz losgeschlagen. Im gleichen Zeitraum fielen im Bezirk 220.000 Kubikmeter Schadholz an, durch Käferbefall und Wetterextreme. Bei Sachsenforst insgesamt waren es fast 1,8 Millionen.

Revierförster Christian Schmidt an einem Stapel Industrieholz. Um es schnell aus dem Wald zu kriegen, wird es jetzt in Größenordnungen zum Verheizen angeboten.
Revierförster Christian Schmidt an einem Stapel Industrieholz. Um es schnell aus dem Wald zu kriegen, wird es jetzt in Größenordnungen zum Verheizen angeboten. © Daniel Schäfer

Im Kampf um den Wald ist das Brennholzgeschäft ein Tropfen auf dem heißen Stein. Doch der Wald wird nicht untergehen, da ist sich Förster Schmidt sicher. Er wird nur anders aussehen. Man muss ihm Zeit geben. "Das müssen auch wir Förster neu lernen." Mag sein, dass sein Job gerade etwas weniger Laune macht. Doch jeden Tag gibt es auch Momente, wo er sich freuen kann. Wenn Wolfgang zwischen den Eichen aufgeräumt hat, wird das auch so ein Moment sein. "Dann ist das alles gar nicht mehr so schlimm."

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