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Angriff auf jüdisches Restaurant: Täter angeklagt

Bei den Chemnitzer Ausschreitungen 2018 verletzten Neonazis den Restaurantchef mit Steinen. Nun kommt ein Täter vor Gericht.

Von Tobias Wolf
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Nach dem Angriff auf das jüdische Restaurant Schalom und den Betreiber Uwe Dziuballa patrouiliierte die Chemnitzer Polizei in der Straße.
Nach dem Angriff auf das jüdische Restaurant Schalom und den Betreiber Uwe Dziuballa patrouiliierte die Chemnitzer Polizei in der Straße. ©  Thomas Kretschel

Chemnitz/Dresden. Manchmal führt der langsame, der steinige und vielleicht aussichtslose Weg zu einem unverhofften Ergebnis. Uwe Dziuballa nennt das den kleinen Stein im Mosaik der Wahrheit. Eine Freude, auch wenn der eigentliche Anlass keinen Grund dazu böte. Und ein Stück Gewissheit, vielleicht sogar Gerechtigkeit. „Der Rechtsstaat funktioniert und verfolgt solche Dinge, auch wenn es langsam geht.“

Am 27. August 2018 war Dziuballa vor seinem koscheren Restaurant Schalom in Chemnitz angegriffen worden. Eine Gruppe vermummter Neonazis bewarf den 55-Jährigen mit Steinen und einer Bierflasche, sie brüllten dabei: „Judensau, hau ab aus Deutschland“. Dziuballa litt danach tagelang unter Schmerzen.

Der brutale Angriff hat Uwe Dziuballa ein Stück seiner Gelassenheit genommen. Er betreibt das Restaurant Schalom in Chemnitz mit seiner Mutter und seinem Bruder.
Der brutale Angriff hat Uwe Dziuballa ein Stück seiner Gelassenheit genommen. Er betreibt das Restaurant Schalom in Chemnitz mit seiner Mutter und seinem Bruder. ©  Thomas Kretschel

In der Innenstadt war es bei einer Demonstration kurz vorher zu den schwersten Ausschreitungen der letzten Jahre in Sachsen gekommen. Nach dem gewaltsamen Tod des Chemnitzers Daniel H. hatten Bürger mit gewaltbereiten Rechtsextremisten und Hooligans aus dem ganzen Bundesgebiet demonstriert. Dabei kam es auch zu gezielten Angriffen gegen Polizisten und Journalisten – und auf das Schalom.

Gegen einen der Täter hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden nun fast zweieinhalb Jahre später Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall und Sachbeschädigung beim Amtsgericht Chemnitz erhoben.

Das Gesetz sieht im Falle einer Verurteilung dafür eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren vor. Die Behörde geht von einer rechtsextremen Tatmotivation aus. Die antisemitische Beleidigung seien dem Angeschuldigten jedoch nicht zweifelsfrei zuzuordnen.

Der inzwischen 29-jährige einschlägig vorbestrafte Täter aus Stade bei Hamburg war durch DNA-Spuren am Tatort ins Visier der Ermittler geraten. Bei einer Durchsuchung im Dezember 2019 fanden Ermittler Sturmhauben.

"Und dann kam Halle"

Für Restaurantbetreiber Dziuballa ist die Anklage durchaus eine gewisse Befriedigung. „Das die Sache ernst genommen wurde, hilft, der Masse zu zeigen, dass die Gewaltenteilung funktioniert.“ Der Angriff habe ihm ein Stück seiner Gelassenheit genommen, da sei noch ein Vernarbungsprozess im Gange.

Derlei Vorfälle seien Teil unserer Geschichte, er glaube aber aus tiefstem Herzen, dass dies kein Ausdruck der Gesellschaft ist, sondern das Werk von Einzeltätern, die Produkte bestimmter Gruppierungen seien.

Man müsse sich das wie eine gute Flasche Wein vorstellen. Im letzten Glas gebe es dann ein paar Schwebstoffe. „Es scheint, als ob eine Gesellschaft hin und wieder ein bisschen Schmutz vertragen muss.“

Den Täter würde gern fragen, ob der es richtig findet, einen Menschen mit Steinen zu beschmeißen, den er noch nicht einmal kenne. „Es verlangt ja keiner, uns zu mögen, aber man muss nicht mit Gewalt, mit Steinen oder Flaschen auf uns losgehen.“ Dziuballas Beobachtung nach gebe es inzwischen nicht deutlich mehr antisemitische Übergriffe, aber sie seien aggressiver.

„Ich hab damals gesagt, das es gut wäre, wenn so eine Sache aufgeklärt wird, weil sie niederschwellig anfangen und sich dann groß aufbauen können. Und dann kam Halle.“

Uwe Dziuballa sagt: „Ich hab damals gesagt, das es gut wäre, wenn so eine Sache aufgeklärt wird, weil sie niederschwellig anfangen und sich dann groß aufbauen können. Und dann kam Halle.“
Uwe Dziuballa sagt: „Ich hab damals gesagt, das es gut wäre, wenn so eine Sache aufgeklärt wird, weil sie niederschwellig anfangen und sich dann groß aufbauen können. Und dann kam Halle.“ © Thomas Kretschel

Am 9. Oktober 2019 hatte der inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilte Stephan B. versucht, die Synagoge in Halle/Saale am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zu stürmen. Als das misslang, ermordete B. zwei Menschen außerhalb des Gotteshauses. Beinahe wäre auch Uwe Dziuballa in diesen Anschlag hineingeraten.

„Ein Freund aus der Synagoge hatte für Jom Kippur unser Simcha-Bier bestellt, ich wollte es aber nicht am Feiertag anliefern, sondern kam einen Tag früher“, sagt Dziuballa. „Sonst wäre ich in meinem Auto mit Schalom-Aufschrift wohl genau diesem Typen über den Weg gelaufen.“