Corona-Protest in Bautzen: So reagiert das Landratsamt

Bautzen. Es war das übliche Bild am Montagabend: Etwa 200 Demonstranten zogen durch die Bautzener Innenstadt, um gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zu protestieren. So wie schon in den Wochen zuvor. Ausgangspunkt war eine Kundgebung auf dem Bautzener Kornmarkt.
Tags darauf steht nun die Bautzener Kreisverwaltung massiv in der Kritik. Denn nach der aktuellen sächsischen Corona-Schutz-Verordnung dürfte es diese Bilder gar nicht geben. Erlaubt sind nur Versammlungen an einem festen Ort mit maximal zehn Personen. Ausnahmen muss die Versammlungsbehörde genehmigen.
Genau das hat das Landratsamt am Montag getan. In Absprache mit dem Gesundheitsamt habe man für die Versammlung auf dem Kornmarkt 300 Personen zugelassen. Schon diese Zahl wurde nach Angaben der Polizei überschritten. Die Beamten vor Ort zählten bei der Kundgebung etwa 375 Teilnehmer.
Ein zweiter Antrag der Anmelder zur Durchführung eines Aufzuges wurde vom Landratsamt „aufgrund der Infektionslage“ abgelehnt. Dennoch liefen vom Kornmarkt aus etwa 200 Demonstranten eine halbe Stunde lang durch die Innenstadt.
Anzeigen gegen Anmelder und Anführer der Demo
Erste Konsequenz sind zwei Anzeigen wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz: Diese richten sich gegen den Anmelder der Kundgebung und gegen den Anführer der Demonstration durch die Innenstadt. Zudem ermittelt die Polizei wegen der Beleidigung des sächsischen Ministerpräsidenten durch Kundgebungsteilnehmer auf dem Kornmarkt. Hierbei gehe es laut Strafgesetzbuch um eine „gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung“, sagt Polizeisprecher Kai Siebenäuger. Laut Informationen von Sächsische.de soll etwa „Drecksau weg“ gerufen worden sein.
Noch am Montagabend forderte die Bautzener SPD den Landrat zu einer Erklärung auf. Michael Harig (CDU) müsse klarstellen, wie er zu den Szenen in der Bautzener Innenstadt steht. Die Demonstration der sogenannten Querdenker zeige erneut deren Intoleranz, Rücksichtslosigkeit sowie Einstellung zu Recht und Ordnung, sagte der Bautzener SPD-Kreisrat Roland Fleischer.
Ausgerechnet dieser Gruppierung eine Ausnahmegenehmigung für ein Treffen mit 300 Personen zu erteilen, sei ein Schlag ins Gesicht aller vernünftigen Menschen. „Wir fordern das Landratsamt hiermit auf, solche Ausnahmen nicht mehr zuzulassen. Versammlungen, bei denen so viele Menschenleben gefährdet werden, müssen verboten werden“, so der SPD-Vertreter.
Landrat beruft sich auf Ausnahmen in Verordnung
Bautzens Landrat Michael Harig (CDU) teilt auf Anfrage von Sächsische.de mit, die Kritik könne er nachvollziehen. „Die Bilder verstören auch mich – wenn gleichzeitig die Kliniken um das Leben von Corona-Patienten kämpfen, Weihnachtsmärkte verboten sind und viele Schulen schließen müssen.“ Aber die Entscheidungen der Bautzener Versammlungsbehörde hätten klare rechtliche Grundlagen und müssten gerichtsfest sein. Die sächsische Corona-Schutz-Verordnung und die aktuelle Notverordnung würden ausdrücklich Ausnahmen vorsehen.
Der Veranstalter habe bislang rund 50 Demonstrationen durchgeführt und das ohne nennenswerte Beanstandungen. „Es ist unredlich, dem Landratsamt eine Nähe zu den Demonstranten und eine begünstigende Haltung für die Querdenker zu unterstellen. Ich halte es für unfair, die schwammige Verordnungslage des Freistaates den Versammlungsbehörden anzulasten“, so Harig. „Unabhängig davon werden wir den Ablauf der Demonstration noch einmal kritisch prüfen.“ Er warne aber davor, durch Versammlungsverbote unangemeldete Zusammenkünfte zu provozieren, die kaum zu kontrollieren seien – „auch und gerade aus Gründen des Infektionsschutzes“.
Doch nicht nur bei der politischen Konkurrenz herrschte am Tag danach pures Unverständnis. Auch Sachsens CDU-Innenminister widersprach dem Landrat klar: „Ich kann nicht verstehen, dass Gesundheitsämter das genehmigen bei Inzidenzen über 1.000“, sagte Roland Wöller. Ausnahmen könnten nur gestattet werden, wenn davon keine gesundheitliche Gefährdung ausgeht.
Bautzens OB kritisiert die Ausnahmengenehmigung
Scharfe Kritik kommt auch von der Linken. So verweist die Bundestagsabgeordnete Caren Lay auf die hohe Corona-Inzidenz von fast 1.500. Es sei unfassbar, wenn das Landratsamt in dieser Situation eine solche Kundgebung genehmige und auch noch davon ausgehe, dass die Einhaltung der Auflagen durch eigene Ordner der „Querdenker“-Szene gewährleistet werde.
Auch Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) sagt: „Die Ausnahmegenehmigung kann ich nicht nachvollziehen.“ Man müsse zwischen der Versammlungsfreiheit und dem Gesundheitsschutz abwägen. „Jede und jeder hat auch die Pflicht, sich selbst für die Allgemeinheit zu schützen. Und dazu zählt ein effektiver Impfschutz. Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut, aber der Schutz der Allgemeinheit geht für mich hier vor.“
Ahrens distanziert sich auch inhaltlich von der Versammlung auf dem Kornmarkt, „wenn ich dort Vergleiche mit Nordkorea oder Reden von einer jüdischen Weltverschwörung höre. Menschen, die derartige Vergleiche oder Verschwörungstheorien verbreiten, stehen nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Sich dann vor Ort auf das Grundgesetz und die Grundrechte zu berufen, ist blanker Hohn.“
Das Bautzener Landratsamt als zuständige Versammlungsbehörde war in den vergangenen Wochen mehrfach wegen seines Umgangs mit den Corona-Protesten kritisiert worden. So hatte es bereits für die Demonstration am 8. November eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Obwohl eigentlich nur Versammlungen an einem festen Platz zulässig waren, durften die Teilnehmer mit ihren Forderungen durch die Innenstadt ziehen. Damals begründete das Landratsamt seine Entscheidung mit der kooperativen Haltung der Anmelder.
An dieser gibt es allerdings durchaus Zweifel: So wurden auch bei einer Veranstaltung am 13. November vor dem Bautzener Theater die Corona-Regeln massiv missachtet, etwa als sich Dutzende Teilnehmer zu einer Polonaise versammelten und minutenlang als „menschliche Infektionskette“ über den Platz zogen. Polizei und Landratsamt verwiesen im Anschluss darauf, dass Abstand und Maskenpflicht im Freien nur eine Soll-Regelung seien – und nicht zwingend vorgeschrieben.