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Corona: Einsamer Tod in der Klinik

Eberhard Schubert aus Heidenau starb an Covid-19 im Pirnaer Krankenhaus. Seine Familie trauert und hat viele Fragen.

Von Thomas Möckel
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Sarg mit Corona-Aufschrift: 984 Menschen sind seit März 2020 im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge an oder mit Covid-19 gestorben.
Sarg mit Corona-Aufschrift: 984 Menschen sind seit März 2020 im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge an oder mit Covid-19 gestorben. ©  Symbolfoto: Claudia Hübschmann

Das Landratsamt in Pirna veröffentlicht seit dem 2. März 2020 täglich einen aktuellen Bericht zur Corona-Situation im Landkreis, es geht um Fallzahlen, Inzidenzwerte, betroffene Einrichtungen, belegte Klinikbetten. Auch die Corona-Toten listet das Landratsamt auf, 984 sind es demnach bis Donnerstag im Landkreis, es ist eine Statistik mit nüchternen Zahlen.

Doch hinter jeder einzelnen verbirgt sich ein Schicksal, ein Mensch, Angehörige, die trauern. Einer dieser Menschen ist Eberhard Schubert, 87, aus Heidenau. Er starb am 26. Januar 2021 an Covid-19 im Pirnaer Krankenhaus, dahingerafft von einem Virus, dessen Existenz oder dessen Gefährlichkeit noch immer einige vehement leugnen.

Bis zu seinem 88. Geburtstag am 30. Januar hat es Eberhard Schubert nicht mehr geschafft.

Keiner ahnte, wie schlimm es wird

Für die Hinterbliebenen fühlt sich das alles noch immer unwirklich an. Der Gedanke, dass der geliebte Mann, der geliebte Vater nicht mehr unter ihnen ist, lässt sich nur schwer fassen. "Ich kann das einfach nicht wahrhaben", sagt seine Witwe Rosemarie Schubert. Immer wieder versagt ihr die Stimme, zu tief sitzen Trauer und Schmerz.

Für sie ist es auch deshalb so unbegreiflich, weil ihr Mann außer ein wenig Bluthochdruck gesund gewesen sei, auch sehr mobil, selbst im hohen Alter sei er noch Auto gefahren. Dann verlor er in nicht einmal einer Woche den Kampf gegen das Virus.

Wie die Infektion in die Familie kam, lässt sich nicht genau klären. Das Enkelkind zeigte zuerst Symptome, die aber nach zwei, drei Tagen wieder abklangen. Dann erkrankte Rosemarie Schubert selbst, der Verlauf war schwer. Gleichwohl entschied sie, sich zu Hause auszukurieren. "Ich konnte doch meinen Mann nicht allein lassen", sagt sie.

Plötzlich zeigte auch Eberhard Schubert Anzeichen einer Corona-Infektion, es begann mit Husten, Schnupfen und leichtem Fieber. Da ahnte noch niemand, wie schlimm es werden würde.

Über den Notarzt beschwert

Am 20. Januar war sein Zustand derart bedenklich, dass die Familie den Notruf wählte. Es war am späten Vormittag, als die Rettungssanitäter eintrafen. Sie legten Eberhard Schubert eine Infusion und gaben ihm Sauerstoff gegen die Atemnot. Ihr Mann, sagt Rosemarie Schubert, sei zu diesem Zeitpunkt noch ansprechbar gewesen.

Wenig später kam ein Notarzt hinzu, mit dessen Einsatz die Ehefrau lange haderte. "Er hat sich weder Schutzkleidung angezogen noch meinen Mann angeschaut, sondern sich lediglich nach einer Patientenverfügung erkundigt", sagt Rosemarie Schubert.

Sie beschwerte sich über das Verhalten bei der Sächsischen Landesärztekammer. In ihrer Antwort teilt die Kammer mit, dass die Sanitäter den Mediziner bereits bei seinem Eintreffen über den Corona-Verdacht unterrichtet und die notwendige Behandlung eingeleitet hätten. Demzufolge sei es nicht nötig gewesen, Schutzkleidung anzulegen. Zumal der Notarzt nur angefordert worden sei, falls es auf der Fahrt in die Klinik Komplikationen geben sollte.

Und die Frage nach der Verfügung sei wichtig gewesen, falls der Patient hätte reanimiert werden müssen. Letztendlich konnte die Landesärztekammer keinen berufsrechtlichen Verstoß feststellen.

Zusätzlich mit Sauerstoff versorgt

Die Sanitäter brachten Eberhard Schubert ins Pirnaer Klinikum. In der Notaufnahme nahm ihm das Personal Blut ab, röntgte die Lunge, gab ihm Blutverdünner und Entzündungshemmer. Anschließend wurde er auf die Corona-Normalstation verlegt, eine Maschine versorgte ihn dort zusätzlich mit Sauerstoff.

Rosemarie Schubert hatte aber fest damit gerechnet, dass ihr Mann auf die Intensivstation kommt. Doch die Mediziner hatten ihm schon zu Beginn eine eher aussichtslose Prognose attestiert, auch von einer intensivmedizinischen Behandlung sei kein Erfolg zu erwarten gewesen.

"Ich habe das nicht verstanden, weil mein Mann anfangs noch wach war, flüssig sprach und keine Ausfallerscheinungen zeigte", sagt Rosemarie Schubert. Die Familie bat das Klinikpersonal, alles zu tun, um Eberhard Schubert zu helfen. Doch aus ihrer Sicht war das nie genug, mehrfach beschwerte sie sich bei der Klinikleitung.

Zustand verschlechtert sich rapide

Im Januar befand sich die Pandemie noch immer auf ihrem Höhepunkt; Ärzte, Pfleger und Schwestern arbeiteten schon seit Wochen, oft schon seit Monaten am Limit. Gleichwohl unternahmen sie alles, um Patienten die Hilfe zuteilwerden zu lassen, die sie brauchten - das teilt die Klinik mit.

Darüber hinaus gibt es auch keine objektiven Anhaltspunkte, dass Eberhard Schubert nicht ausreichend behandelt wurde. Offenkundig gehörte er zu jenen tragischen Fällen, in denen auch die beste medizinische Betreuung nichts mehr auszurichten vermochte.

Die Krankenakte dokumentiert, dass der Patient anfangs zwar noch wach, aber wenig später nicht mehr auf Ansprachen reagierte. Trotz Sauerstoffgabe sank die Sauerstoffsättigung im Blut, das Fieber stieg. Nach einigen Tagen war er auch außerstande, etwas zu essen.

Klinik ermöglicht Besuche

Rosemarie Schubert beschwerte sich anfangs auch darüber, dass sie nicht zu ihrem Mann konnte, aber zu der Zeit galt an der Klinik noch ein striktes Besuchsverbot. Doch die Klinik kam ihr dann entgegen, ab 23. Januar durfte sie täglich zu ihrem Mann, ihre Tochter begleitete sie mehrfach. Rosemarie Schubert setzte sich zu ihrem Mann aufs Bett, hielt seine Hand, gab ihm zu trinken. "Es hat sehr wehgetan, ihn so zu sehen", sagt sie.

Doch solange er noch mit ihr sprach, hatte sie ein gutes Gefühl, dass er wieder gesund werden könnte. Aber die Hoffnung war auf einmal dahin, nach einem Anruf der Klinik am 26. Januar. Es stand ganz schlecht um Eberhard Schubert, in der Patientenakte ist vermerkt: "Der Patient ist letztendlich im Sterbeprozess."

Plötzlich ging alles ganz schnell

Nachdem Rosemarie Schubert im Krankenhaus angekommen war, klärten sie die Mediziner über die Situation auf, sie war ganz verunsichert. Noch einmal legte sie sich zu ihrem Mann, hielt seine Hand, feuchtete seine Lippen an, weinte.

Ansprechbar war Eberhard Schubert zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr, in der Patientenakte ist am Nachmittag notiert: "Zeitnahes Versterben ist möglich, aber Hoffnung darf bleiben." "Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass es so schnell geht", sagt seine Witwe.

17.45 Uhr verließ sie die Klinik, 20.45 Uhr erhielt sie den Anruf, dass ihr Mann verstorben sei. Am nächsten Tag fuhren Rosemarie Schubert und ihre Tochter noch einmal ins Krankenhaus, nahmen Abschied, wenngleich der Anblick unerträglich war. Angesichts des Verlustes bot ihr die Klinik später eine sozialdienstliche und psychologische Unterstützung an, falls sie eine psychologische Trauerbegleitung oder Ähnliches benötige.

Letzte Ruhe auf dem Nordfriedhof

Zu diesem Zeitpunkt ließ sich Rosemarie Schubert schon anderweitig behandeln, um Trauer und Schmerz zu bewältigen.

Ein wenig Anspannung ist gewichen, weil Eberhard Schubert inzwischen seine letzte Ruhe fand, auf dem Nordfriedhof in Heidenau. Die Familie entschied sich für eine Erdbestattung, der Sarg sollte nicht so lange in einem Krematorium stehen, bis er eingeäschert werden konnte. "Aber insgesamt", sagt Rosemarie Schubert, "werde ich wohl noch lange brauchen, um mit allem abzuschließen."