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So lernen Dresdner Schüler in Quarantäne

Immer mehr Kinder in Dresden müssen derzeit zu Hause bleiben. Wie sie trotzdem im Stoff bleiben und welche Folgen ein massiver Lehrerausfall haben kann.

Von Nora Domschke & Julia Vollmer
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Mehr als 1.600 Schüler und Lehrer in Dresden dürfen derzeit nicht in die Klassenzimmer, über 70 Schulen sind von Quarantäne-Fällen betroffen. Wie gehen die Schulen damit um?
Mehr als 1.600 Schüler und Lehrer in Dresden dürfen derzeit nicht in die Klassenzimmer, über 70 Schulen sind von Quarantäne-Fällen betroffen. Wie gehen die Schulen damit um? © Symbolfoto: dpa/Sebastian Gollnow

Dresden. Die Schulen sind im zweiten Lockdown weiterhin geöffnet - das ist für die meisten Dresdner Eltern eine gute Nachricht. Immerhin war die Befürchtung zuletzt groß, dass angesichts geschlossener Schulen etwa in Österreich auch hier der Nachwuchs wieder daheim lernen muss. Doch Sachsen und Dresden setzen weiterhin auf Kontaktnachverfolgung und Quarantäne für einzelne Schüler, Gruppen und Klassen.

Dennoch: Mehr als 1.600 Schüler und Lehrer dürfen derzeit nicht in die Klassenzimmer, über 70 Schulen sind von Quarantäne-Fällen betroffen.

Wenn Lehrer daheim bleiben müssen - und an einigen Schulen sind das sehr viele - hat das außerdem Folgen für den Unterricht der anderen Kinder, eine Herausforderung. Aber wie meistern sie die Dresdner Schulen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was hat sich inzwischen bei der Ausstattung getan?

In Sachen digitaler Ausstattung tut sich derzeit einiges. Schüler und Lehrer sollen auch dann weiterarbeiten können, wenn sie nicht in den Klassenzimmern lernen oder lehren dürfen. "Für die kommunalen Schulen der Landeshauptstadt Dresden wurden in diesem Jahr 5.194 Notebooks und 1.940 PCs angeschafft", so Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU) auf SZ-Anfrage. Von den Notebooks verfügen rund 4.500 Geräte über eine Kamera.

Die restlichen Laptops und PCs könnten mit Hilfe von externen Kameras für
den Einsatz bei Videokonferenzen tauglich gemacht werden, so Donhauser. Unterricht via Konferenzsystem im Fall einer Schulschließung und damit verbundenem Homeschooling ist also zumindest in Teilen möglich.

Aus Versicherungsgründen dürfen die Geräte unter normalen Umständen das Schulgebäude zwar eigentlich nicht verlassen. Die 4.300 Notebooks, die mit Mitteln aus der Mobilen-Endgeräte-Förderverordnung beschafft wurden, können Kinder, die dort keinen Zugang zur Technik haben, jedoch zum Arbeiten mit nach Hause nehmen.

Ob das auch für Lehrer gilt, muss der Schulleiter entscheiden, erklärt der Bildungsbürgermeister. Schüler sollten hier aber den Vortritt haben, betont Donhauser.

Gibt es einheitliche Regeln für Klassenarbeiten?

Aus vielen Dresdner Schulen ist aktuell zu hören: Die Kinder schreiben einen Test und eine Klassenarbeit nach der anderen. Die Eltern vermuten, dass die Lehrer Noten sammeln wollen, bevor die Schulen wegen der steigenden Coronazahlen doch wieder schließen müssen. Auf Anfrage, ob es hier ein abgestimmtes Vorgehen gibt, antwortet Susann Meerheim, Sprecherin im Sächsischen Kultusministerium: "Hier entscheiden die Lehrer individuell."

Auch bei der Benotung von Tests und der Handhabe, wie vorzugehen ist, wenn ein Teil der Klasse in Quarantäne ist, können die Schulen und Lehrer selbst entscheiden. "Meist stimmt sich die Schule hierzu einheitlich ab, sodass nicht jede Klasse unterschiedlich verfährt", so Meerheim. "Kurz: Hier schreiben wir den Schulen nichts vor, sie können das in eigener pädagogischer Verantwortung klären."

Üblicherweise schreiben die Kinder die Klassenarbeiten nach ihrer Rückkehr aus der Quarantäne nach. Zum Teil dürfen die Eltern sogar bestimmen, wann das geschieht und ob das eigene Kind noch Zeit für die Vorbereitung auf den Stoff benötigt. Die betroffene Klasse bekommt die korrigierten Arbeiten erst dann zurück, wenn alle Kinder den Leistungsnachweis erbracht haben.

Wie gehen Schulen mit Quarantäne-Schülern um?

Welche Auswirkungen schon einzelne Corona-Fälle an Schulen haben können, zeigt sich derzeit an der 145. Oberschule auf dem neuen Schulcampus in Pieschen. Zwei dort positiv Getestete haben nun zur Folge, dass vier komplette Schulklassen und zehn Lehrer bis Ende November zu Hause bleiben müssen.

Vor allem die fehlenden Pädagogen machen sich zusätzlich im Alltag der anderen Schüler bemerkbar: Ihre Stundenpläne müssen umgestellt werden, Unterricht fällt aus. Auch sie sind damit also von den beiden Corona-Fällen betroffen, sodass sich am Ende weit mehr als die 140 in Quarantäne geschickten Schüler und Lehrer mit Homeschooling konfrontiert sehen.

Was derzeit nicht im Klassenzimmer vermittelt werden kann, soll über die Plattform Lernsax den Weg zu den Schülern finden. Eigens dazu ist auf der Homepage der 145. Oberschule ein Leitfaden mit detaillierten Ansichten zu finden, wie die Plattform funktioniert. Eltern sollten regelmäßig in den Vertretungsplan schauen, in dem dann auch angegeben ist, wann Unterricht in größerem Maß ausfällt und der Stoff über Lernsax-Aufgaben erarbeitet werden muss. Das alles zu organisieren sei derzeit eine enorme Herausforderung, bestätigt der stellvertretende Schulleiter Ralph Günther mit Blick auf den Vertretungsplan.

Mit fast 30 Schülern, die noch bis Mitte nächster Woche in Quarantäne bleiben müssen, taucht nun auch das Gymnasium Bürgerwiese auf der digitalen Karte der Stadt auf, die detailliert zeigt, an welcher Schule und in welcher Kita es aktuell Quarantäne-Fälle gibt. Lehrer seien am Gymnasium Bürgerwiese derzeit zum Glück nicht betroffen, so Schulleiter Jens Reichel, der gespannt auf die bevorstehende Zeit blickt. "Mal sehen, was in einer Woche auf uns zukommt."

Was schlagen Bildungspolitiker in der Situation vor?

Stadträtin Anne Holowenko (Linke) fordert, dass der Infektionsschutz an den Schulen verbessert werden muss. "Ziel muss weiterhin sein, den Regelbetrieb solange wie möglich aufrechtzuerhalten. Noch ist es nicht zu spät, in dringend notwendige Infektionsschutzmaßnahmen wie CO2-Ampeln und Luftreinigungsgeräte zu investieren."

Und Holowenko hat weitere Vorschläge: So sollte die Anfahrt zu den Schulen entzerrt werden, indem die Dresdner Verkehrsbetriebe wieder ihre Taktung erhöhen. Auch könne der Unterrichtsumfang in jedem Fall reduziert werden, denn es gebe Fächer, die in einer solchen Notlage nicht unterrichtet werden müssten. "Der Sportunterricht muss mit sofortiger Wirkung ausgesetzt werden", fordert die bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. In den höheren Klassenstufen würde sie gestaffelten Unterricht einführen, bei dem die Schüler wöchentlich wechselnd entweder zur Schule gehen oder zu Hause lernen.

Digitale Bildungsangebote sollten nun schrittweise ausgebaut werden, damit die angeschaffte Technik unter Aufsicht getestet werden kann und Schüler sicher in der Anwendung werden. Holowenko hat eine weitere Idee: "Ich schlage vor, die Benotung aufgrund der besonderen Umstände bis zur achten Klasse vorerst auszusetzen, um Druck von allen Beteiligten zu nehmen. Ein früherer Beginn der Weihnachtsferien muss ernsthaft diskutiert werden."

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Auf keinen Fall sollte die Angst vor einem neuen Lockdown dazu führen, dass die Schüler von den Lehrern mit Leistungskontrollen überhäuft werden, kommentiert Matthias Dietze, selbst Lehrer und CDU-Bildungsexperte. Die geforderte Notendichte könne jederzeit von den Fachkonferenzen gelockert werden, die Halbjahresinformationen vor den Winterferien seien keine Zeugnisse und die Ausgabe der Zeugnisse in der Oberstufe sowie den Abgangsklassen müsse nicht zwingend termingenau erfolgen, betont Dietze. "Für Lehrer sollte immer gelten, dass es wichtiger ist, die Lernmotivation zu erhalten, statt Noten zu vergeben."

Dana Frohwieser, SPD-Bildungsexpertin sagt , es sei wichtig festzuhalten, dass Corona-Infektionen in den Schulen offenbar nicht übertragen werden und die Hygienekonzepte und Quarantänen funktionieren. "Die Stadt kann hier aber nicht nur aufs Land zeigen, es gilt gemeinsam an einem Strang zu ziehen, damit Kinder, die in Quarantäne zu Hause unterrichtet werden müssen, bestmögliche Bedingungen dafür bekommen."

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